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Darf ich keinen Schmerz fühlen, weil ich Schluss gemacht habe?

Unserer Community-Autorin hat sich getrennt. Nun fragt sie sich, ob sie nicht genauso leiden darf wie ihr Ex-Freund – und ob sie nicht doch hätte weiterkämpfen können.

Regel Nr. 1: Der Schlussmacher ist immer Schuld

Ich bin noch keine 30 Jahre alt und durch meine Beziehungen zieht sich schon jetzt ein eindeutiges Muster: Die Männer, mit denen ich zusammenkam, wurden zuvor immer verlassen. Und wenn die Beziehungen vorbei waren, war auch ich diejenige, die ging. Das Erstaunliche dabei: Oft sind die Gründe der anderen Ex-Freundinnen und mir für ein Beziehungsende die gleichen gewesen. Mit mir hat allerdings noch nie jemand Schluss gemacht, denn ich bin offensichtlich die Schlussmacherin in einer Paarbeziehung.

Und jeder weiß, dass der Schlussmacher am Ende immer böse ist, denn das Beziehungs-Aus kommt natürlich immer aus dem Nichts. Das Bild unserer Gesellschaft ist doch grundsätzlich erst einmal dieses: Schlussmachende leiden nicht. Sie fügen Leid zu. Obwohl dabei bei Männern und Frauen gerne mal Unterscheidungen angestellt werden – zumindest habe ich noch nie gehört, dass Männer sich untereinander auch mal den Schwarzen Peter zuschieben, wenn es um ein Beziehungs-Aus geht. Da heißt es nie, dass der Verlassene vielleicht eine Mitschuld am Beziehungsende trägt. Doch geht die Frau, dann ist das ein Skandal, ganz besonders, wenn sie  schnell wieder einen neuen Partner finden sollte – denn dann ist sie vorher sicher fremdgegangen. Zum Glück ist „Er“ „Sie“ dann jetzt endlich los, kann sich mit einer anderen trösten und wird darin auch bestärkt. Und sollte sie dagegen unter der Trennung leiden, ist sie selbst schuld.

Gekränkter Männerstolz hin oder her, am Ende ist es doch so. Derjenige der geht, ganz gleich ob Mann oder Frau, hat seine Gründe – und das bedeutet nicht, dass er oder sie nicht vielleicht noch liebt, vermisst oder trauert. Auch die „Schlussmacher“ haben Skrupel, schließlich hat die Entscheidung, jemanden zu verlassen, weitreichende Auswirkungen. Da es ein Zurück oft nicht gibt, steigt das Risiko, dass man seine Entscheidung bedauern könnte, zumindest scheint es uns meist so. Und manchmal passiert dann genau das – zum Beispiel bei mir und meiner letzten Trennung.

Wenn man seine Entscheidung bereut…

Ich habe versucht meine letzte Trennung zu rationalisieren, um sie besser verarbeiten zu können. Doch der Schuss ging nach hinten los. Ich las unzählige Studien über Beziehungen, Beziehungsprobleme, Lösungen, Ex-Zurück-Theorien, warum Männer so schnell neue Beziehungen haben, warum Männer mehrheitlich nicht im Guten mit einer Frau auseinandergehen können. Denn ich habe all das probiert und analysiere drei Monate nach meiner Trennung die Scherben, die in fünf Jahren Beziehung entstanden sind. Obwohl ich es bin, die ging, scheint er glücklich mit einer neuen, alten Flamme die einer seiner Freunde schon abgelegt hat- und seine halbe Stammkneipe eben auch.

Ich analysiere immer wieder, wieso ich gegangen bin und wo wir falsch abgebogen sind. Wo war der „Point Of No Return?“ Und ja, ich hatte gute Gründe. Doch im Nachhinein erscheint es immer wieder, als hätte man zu schnell aufgegeben, etwas wertvolles einfach weggeschmissen und als hätte man die Dinge doch irgendwie lösen können. Im Nachhinein erscheinen mir die Probleme, die wir hatten, wie Kinkerlitzchen und ich fühle mich undankbar und schlecht ihn verlassen und verletzt zu haben.

Im Endeffekt gab es aber viele Gespräche in denen ich deutlich sagte, dass sich etwas ändern muss. Es ist die unendliche Geschichte der scheiternden Beziehungen: Aufmerksamkeit fehlte, man wies darauf hin. Es fehlte an Aktivitäten und die Computerspiele nahmen Überhand, also wies man auch darauf hin. Am Ende wird die Kluft nur größer, man distanziert sich, Lust und Begeisterung für den unaufmerksamen Partner schwinden. Für ihn scheint in der Komfortzone alles paletti, während ich in einer fremden Stadt vor Einsamkeit und Heimweh umkomme, Familie und Freunde weit weg. Und das war dann der Punkt an dem ich verstummte. Denn all das Reden hatte bislang nichts gebracht, was sollte es nun taugen? Also suchte ich nach etwas, das mich glücklich macht, fand Anschluss über ein Hobby – und verliebte mich fremd. An diesem Punkt wurde ich zum Arsch in der Geschichte.

Liebe oder doch nicht? Wie es ist, wenn man sich verrennt

Da ist nun dieser Ritter in seiner glänzenden Rüstung  und du versuchst es noch von dir abzuwenden, schiebst es weg und denkst an den Partner zu Hause mit schlechtem Gewissen. Doch der andere Mann schenkt dir die Aufmerksamkeit, die dir fehlt. Nach einem Krankenhausaufenthalt ohne Beistand und in all der Einsamkeit, tut es gut jemanden zum Anlehnen zu haben, doch irgendwann wird es gefährlich. Nämlich genau dann, wenn man emotional so tief in der Sache steckt, dass Hormone einem das Gehirn vernebeln. Da kann man noch so hohe moralische Maßstäbe an sich selbst haben – wer sich selbst enttäuscht, fällt tief. Je höher die moralischen Grundsätze, desto schlimmer.

Im Glauben verliebt zu sein, und nach einer Schrecksekunde in der wir die
Kontrolle verloren und unsere Lippen sich berührten, schien ich keine Wahl mehr zu haben und so überlegte ich zu gehen. Die Zwickmühle, ein ignorierter Geburtstag und ein ignorierter fünfter Jahrestag brachten das Fass dann zum Überlaufen. Ein Wort folgte aufs andere. Ich wollte reden und er sagte Dinge, die man nicht so einfach zurücknehmen kann. Die Aufforderung, aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen, sitzt bis heute tief. Und die Hilflosigkeit über das Stunden später folgende „Ich will nicht, dass du gehst“ und die Bereitschaft einen dummen Kuss zu verzeihen, sowie mein „Es ist zu spät“ lassen sich kaum in Worte fassen. Aus tiefer Getroffenheit über meinen eigenen Fehltritt und das Gesagte zog ich die Trennung durch wie eine Flucht und habe mir zwei Wochen später gewünscht, ich hätte es nicht getan. Trennung im Affekt nennt man das. Rückblickend war ich einfach enttäuscht von mir selbst und wollte ihm so jemanden wie mich nicht weiter zumuten.

Wenn dich die Erinnerungen überall einholen

Ich ging erst einmal eine neue Beziehung mit dem anderen Mann ein, wollte ihm die Chance geben, die er verdient und es versuchen, denn Gefühle sind ja da. Aber was wenn fünf Jahre Liebe einfach überwiegen? Im Moment der Trennung waren die Wut und das Gefühl von jemandem gewollt zu sein, größer. Doch das böse Erwachen kommt immer zu spät. Ja, das ist unfair. Denn der Neue gibt sich alle Mühe der Welt, ist tolerant, holt mir die Sterne vom Himmel, verehrt und spendet Trost in den dunkelsten Stunden. Doch im Kopf sind die fünf Jahre immer noch präsent. Dank Social Media und gemeinsam Freunden sind überall Fotos, die man sich ständig ansehen muss. „Hast du die Bilder von den beiden gesehen? Die haben schon wieder was gepostet!“ Und ich denke mir: „Nein danke, alleine die Vorstellung von ihren Turtelbildern bringt mich zum kotzen“.

Nach zwei Wochen hatte mein Ex dann selbst eine Neue und alle Versuche zu reden und die Beziehung zu reanimieren brachten nun endgültig nichts mehr. Ein Gespräch auf Augenhöhe war nicht mehr möglich, denn ungeachtet der Aufforderung, ich solle doch bitte ausziehen und ungeachtet dessen, dass er mir zwei Wochen vor der Trennung ins Gesicht sagte, er liebe mich, aber mein Leben und was ich so tue, interessiere ihn nicht, ändern nichts an dem Umstand, dass ich gegangen bin – und nicht er. Denn ich bin die  Schlussmacherin.

Es ist doch so: Eine leidende Partnern ist eine geachtete Partnerin

Er tröstet sich lieber mit einer neuen Frau und weint dann heimlich in seiner Stammkneipe, statt sich auszusprechen und zumindest Frieden zu schließen. In meinen Kopf geht so etwas nicht hinein. Dass mein Herz die Verletzungen, Kränkungen und die Einsamkeit der letzten Monate nicht mehr ertragen hat, spielte dabei keine Rolle. Ich bin eben für alle die Schlussmacherin und statt zu einfach zu gehen, hätte ich das in den Augen der Beobachter unserer Beziehung wohl ertragen müssen, wenn ich ihn wirklich geliebt hätte.

Noch heute, wo es keine preußischen Tugenden mehr gibt, scheint es sich so zu verhalten, dass eine leidende Partnerin eine honorable Partnerin ist, eine Selbstbestimmte aber nicht respektabel. Dabei habe ich, nachdem ich monatelang in der Beziehung alleine gekämpft habe, auch nach meinem Weggang meine letzten Kraftreserven gesammelt und es versucht, wieder zu richten. Mit eigenen Erinnerungen im Gepäck, an schöne Sommer und unsere jüngsten Errungenschaften; eine kleine Reise und unsere Wohnung ( ich war so Stolz darauf), doch all das traf nur auf Eiseskälte seinerseits.

Meine Notbremse war die Selbstliebe

Warum bin ich also gegangen, wenn ich diesen Mann doch noch liebe? Von fünf Jahren wohnten wir  eineinhalb Jahre zusammen in seiner Heimat. Ich ging viele Kompromisse zu seinen Gunsten ein, denn als Studentin war das von meiner Seite aus einfacher. Doch die Kompromisse wurden größer und größer. Ich akzeptierte, dass er bereits ein Kind hat und baute ein gutes Verhältnis auf, seine Eltern wurden wie meine eigenen. Meine Freunde und meine Familie sah ich dagegen aufgrund der Entfernung nur noch selten. Durch die ländlichere Gegend war es schwer Menschen zu finden, die mein Hobby teilten. Und als ich dann Anfang des Jahres in ein eher schlechtes Krankenhaus eingewiesen wurde und das als Angstpatientin, fühlte ich mich von ihm wie ein Klotz am Bein behandelt.

Mit Zukunftsplänen konnte er sich kaum auseinander setzten. „Mach erst einmal die Uni zu Ende“. Doch ich stand bereits kurz vor dem Abschluss, aber über Pläne wie ein neuer Wohnort, Kinder oder Heirat konnte er nicht reden, ohne darüber dumme Sprüche zu reißen. Ganz so, als hätte ich als Studentin kein Recht auf Zukunftspläne. Auch Reisen, oder wenigstens Kurztrips, fanden einfach nicht statt. Meine Notbremse war dann die Selbstliebe. Denn ungeachtet der tiefen Liebe die ich für diesen Mann empfunden habe, habe ich erkannt, dass jemand der mir guttut, mich pushen sollte und nicht zulassen darf, dass ich mich zu seinen Gunsten selbst vernachlässige.

Eine Beziehung ist ein Geben und Nehmen. Eine Beziehung sollte Glück verdoppeln und es nicht halbieren. Eine Beziehung ist nicht dazu da, um zu vereinsamen, sondern basiert auf gegenseitigem Rückhalt, so wie er und ich ihn uns geben konnten, als wir etwa unsere Großeltern gemeinsam beerdigen mussten. Doch irgendwann fehlte genau dieser Aspekt. Und wer monatelang alleine kämpft, verliert. Das musste ich bitter einsehen. Auch Nachrennen und „kämpfen“ haben hier keinen Sinn mehr gemacht. Denn am Ende bin ich immer eines: die Schlussmacherin, die keine Gefühle haben, nicht leiden und auch nicht trauern darf.

Die Einsicht kommt immer zu spät

Aber genau das tue ich eben. Tatsächlich tut es auch heute noch fast jeden Tag weh zu wissen, wie schön die gemeinsame Zeit mal war und dass er nie wieder Teil meiner Familie sein wird. Aber während der Beziehung war keine Einsicht da. Als ich ging, war keine Einsicht da, nur Unverständnis, wie plötzlich meine Entscheidung für ihn käme. Und die Einsicht ist auch jetzt nicht da. So weh wie ihm und mir der Anblick der neuen Partner tut – fünf Jahre sind nicht nach zwei Wochen verarbeitet und auch nach drei Monaten noch nicht Geschichte. Das ist sowohl mir als auch meinem neuen Partner bewusst und er hat Verständnis, da wir sehr ehrlich miteinander sind, während mein Ex das verdrängt und sich nicht mit diesen Gefühlen auseinandersetzt. Nun, seine Einsicht wird später kommen, wenn ich es geschafft habe, meinen Weg zu gehen und damit abgeschlossen habe. Und dann wird er wieder der sein, der nichts gelernt hat und verlassen wird, denn auch sie ist eine Schlussmacherin.

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