„Die Menstruation kann die Antwort auf Probleme und Schmerzen sein“

Kund*in
Theblood
Autor*in
EDITION F studio
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Isabelle Guenou und Miriam Santer sind die beiden Gründerinnen von Theblood. Sie schließen mit ihrer Idee eine Datenlücke, die im Hinblick auf die Menstruation noch immer besteht: Sie analysieren Menstruationsblut und erstellen gezielte Gesundheitsreports für die Nutzer*innen. Wir trafen die beiden zum Interview.

Theblood kümmert sich um einen Bereich, der bislang noch weitestgehend unerforscht war. Menstruationsblut wird auf verschiedene Parameter wie Hormone, Vitamine, Spurenelemente wie Zink oder Eisen untersucht. Ziel sei es, so die Gründerinnen, die persönlichen Gesundheitswerte im Laufe der Zeit spielerisch zu verbessern und einen gesünderen Lebensstil zu entwickeln.

Theblood Gründerin Isabelle Guenou. Foto: Theblood

Die Gründerin Isabelle Guenou hatte beim GRACE Summer Accelerator 2021 teilgenommen und den Grace Demo Day gewonnen. Ihre Vision – “Die Menstruation, die meistens nur nervt, kann so viel mehr. Sie kann die Antwort auf Probleme und Schmerzen sein und uns dabei helfen, mehr über den menstruierenden Körper zu lernen. Let’s Close the Gender Data Gap together.” – überzeugte die gesamte Grace-Jury. 

Wie kam die Idee für Theblood zustande? Was habt ihr beide vorher gemacht und wie habt ihr euch gefunden?

Miriam: „Wir haben uns im Masterstudium in Berlin vor einigen Jahren kennengelernt, dort ist tatsächlich auch die allererste Start-up-Idee entstanden. In einer Ideation Class haben wir an Konzepten zu Tampons mit Nahrungsergänzungsmitteln recherchiert. Isabelle hat die Idee von Theblood dann noch eine Weile mit sich herumgetragen und erste Pläne ausgearbeitet.“

Isabelle: „Als ehemalige Leistungssportlerin musste ich früh lernen, wie wichtig es ist, körperliche Höchstleistungen zu erzielen. Der individuelle Zyklus bei Sportlerinnen wird im Leistungssport aber oft vergessen. Die Menstruation existiert dort nicht. So entstand ein besonderer Bezug zum Thema Menstruation schon in frühen Jahren. Nach meinen ersten Ausarbeitungen wollte ich Miriam unbedingt als Mitgründerin. Sie war von der ersten Sekunde an begeistert. Das Konzept haben wir dann zusammen ausgearbeitet.“

This is a man’s world. Richtig oder falsch?

Miriam: „Nope! Könnte ,man‘ natürlich meinen und liegt ja tatsächlich auch sehr nahe. Wir sehen das aber mit anderen Augen. Wahr ist leider, dass unsere Welt größtenteils noch immer sehr männerdominiert ist – die Zukunft allerdings gehört uns allen. Wir sind super dankbar für alle Frauen, die bisher dafür gekämpft haben, das zu ändern und Frauen in der Welt eine Stimme zu geben. Hier sympathisieren wir nicht nur, weil wir eben auch zwei Gründerinnen sind. Mit unserer sehr weiblichen Thematik stoßen wir – auch in der Start-up Branche – noch immer auf Barrieren, die wir überwinden müssen. Der Anteil an Gründerinnen stieg im Jahr 2020 immerhin auf 15,7 Prozent und es gibt auch zunehmend mehr Investorinnen. Was wir definitiv feststellen ist, dass die FemTech Community hier großartig und dahingehend definitiv a women‘s world ist.“

„Die FemTech Community ist großartig und definitiv a women‘s world!“

Miriam Santer

Isabelle: „Das Bewusstsein dafür, dass Frauen in Forschung und Medizin oft vergessen wurden, ist noch nicht weit verbreitet. Wir wollen mit unserer Arbeit einen Teil dazu beitragen, die Gender Data Gap zu schließen. Der Global-Gender-Gap-Bericht des Weltwirtschaftsforums (WEF), der seit 2006 erhoben wird und Daten aus 156 Ländern einbezieht, analysiert jedes Jahr die Ungleichbehandlungen von Männern und Frauen. Demnach kann es wohl noch 53 bis 195 Jahre dauern bis zur Gleichbehandlung. Es tut sich einiges. Doch unserer Meinung nach nicht genug. Wir werden diesen Prozess etwas beschleunigen.“

„Alle Geschlechter profitieren davon, wenn sie gleiche Teilhabe besitzen.“ Foto: Theblood

Caroline Criado-Perez, die das Buch „Unsichtbare Frauen“ geschrieben hat, sagte in einem Interview: „Alles wurde für Männer entwickelt, egal ob Autos, Telefone, öffentliche Verkehrssysteme oder Stadtgebiete. Viele Dinge funktionieren deshalb für Frauen nicht besonders gut. Sie berücksichtigen den weiblichen Körper nicht.“ – Wie bewertet ihr diese Sätze? Und: Macht euch das wütend?

Miriam: „Wütend macht es mich nicht, ich denke mir eher: Wow, endlich sagt es mal jemand! Das Buch ist großartig, es ist ein Sammelsurium aus spannenden Fakten, die uns aus der Seele sprechen. Jahrelang stand der Mann im Mittelpunkt, nicht nur in der Familie, der Politik oder bei Finanzen, sondern auch in der Forschung und der Medizin. Wir sehen uns nun damit konfrontiert, dass einfach ein ziemlich großer und wichtiger Teil vergessen wurde. Wir müssen diese Ungerechtigkeit ausgleichen, in dem wir weg von generischer zu spezifischer Forschung gehen.“

„Alle Geschlechter profitieren davon, wenn sie gleiche Teilhabe besitzen und von Forschung, Medizin, Politik etc. berücksichtigt werden.“

Isabelle Guenou

Isabelle: „100 Prozent Zustimmung! Wenn wir Investor*innen eine Buchempfehlung geben, dann ist es diese. Denn solch eine immense Wissenslücke bietet auch Potenziale. Zudem ist die viel relevantere Frage: Wie schaffen wir es, diese langjährige Wissenslücke aufzuarbeiten? Es ist so viel nachhaltiger, wenn wir nicht nur die Frauen darauf aufmerksam machen. Alle haben einen Vorteil, wenn der Mensch spezifischer betrachtet wird. Alle Geschlechter profitieren davon, wenn sie gleiche Teilhabe besitzen und von Forschung, Medizin, Politik etc. berücksichtigt werden.“

Die Gendermedizinerin Elisabeth Zemp erklärte 2017 im Interview mit der „Zeit“: „In der medizinischen Forschung hat man lange mit einem Ein-Mensch-Modell gearbeitet, einem männlichen. Die Frau war, wenn, dann die Abweichung davon.“ Welchen Stellenwert hat der weibliche Körper in unserer Gesellschaft?

Isabelle: „Wir müssen spezifischer denken! Das generische Maskulinum zeigt sich ja nicht nur in der Sprache, viele Bereiche gehören reformiert und individualisiert. Aus unserer Sicht sollte das Individuum im Vordergrund stehen und nicht das Geschlecht.“

Miriam: „Wenn wir das nicht ändern, wird es einen Punkt geben, an dem wir nicht mehr vorankommen, keinen Fortschritt mehr erzielen, weil einfach 50 Prozent der Gesellschaft außer Acht gelassen werden. Wir sprechen mit unserem Produkt daher auch nicht gezielt Frauen an, sondern Menschen, die menstruieren.“

Seid ihr persönlich schon einmal mit der Gender Data Gap in Berührung gekommen, zum Beispiel durch ein gesundheitliches Problem oder den Wunsch nach Hilfe, die es dann nicht gab?

Miriam: „Durch unsere persönliche Erfahrung mit Endometriose und Ovarialzysten kennen wir die Problematik nur zu gut. Wir haben beide viele Jahre damit verbracht herauszufinden, was los ist, um schlussendlich richtige Diagnosen zu bekommen.“

Isabelle: „Endometriose ist eine der häufigsten Unterleibs-Erkrankungen bei Frauen. Laut des Robert-Koch-Instituts leidet eine von zehn Frauen an Endometriose. Mit etwa zwei Millionen Erkrankten und jährlich 40.000 Neudiagnosen ist Endometriose damit in der Gruppe der von Endometriose Betroffenen doppelt so häufig vertreten wie Typ-2 Diabtes. Und trotzdem dauert der Weg bis zur Diagnose im Durchschnitt ganze vier bis elf Jahre! Die chronische Krankheit kann vorkommen, ohne dass eine Frau davon etwas spürt. Schmerzen während der Menstruation und Ibuprofen schlucken sind für viele völlig normal. Zudem werden leider oft Frauen beim Gynäkolog*innenbesuch nicht ernst genommen.“

„Es kann doch nicht sein, dass auf jede Studie zu PMS fünf Studien zu Erektionsstörungen beim Mann kommen.“

Miriam Santer

Miriam: „Leider gibt es bis heute keine wissenschaftlich etablierte Methode für eine Früherkennung außer eine Operation. Das wollen wir ändern. Es kann doch nicht sein, dass auf jede Studie zu PMS fünf Studien zu Erektionsstörungen beim Mann kommen, oder? Dabei betrifft Letzteres knapp zehn Prozent. Im Vergleich dazu sind 20 bis 45 Prozent der menstruierenden Frauen mit PMS konfrontiert. Wir wissen also signifikant mehr über etwas, das deutlich weniger Menschen betrifft.“

„Wir müssen lernen zuzuhören und den Zugang zu Wissen ermöglichen.“ Foto: Theblood

Wenn ihr euch in eurem Umfeld so umhört: Habt ihr den Eindruck, dass den Leuten dieser Missstand der Gender Data Gap im Bewusstsein ist?

Isabelle: „Nach der Gender Pay Gap, die den meisten ein Begriff ist, fällt nun öfter auch die Gender Data Gap auf. Strukturelle Benachteiligungen sind so fest etabliert, dass sie vielen Menschen gar nicht auffallen. Selbst ich halte mir nicht jeden Tag vor Augen, dass beispielsweise mein Handy, welches ich täglich benutze, nicht für meine weibliche Hand konzipiert ist. Viele annehmlich geschlechtsneutrale Produkte, wie eben Smartphones, orientieren sich an männlichen Testpersonen, sprich am Prototyp Mann. So werden seit Jahrhunderten überwiegend Daten von Männern für Männer erhoben. Das ist die ausschlaggebende Grundlage einer riesigen Wissenslücke!“

„Seit Jahrhunderten werden überwiegend Daten von Männern für Männer erhoben. Das ist die ausschlaggebende Grundlage einer riesigen Wissenslücke.“

Isabelle Guenou

Miriam: „Als Berliner Gründerinnen befinden wir uns natürlich auch in einer gewissen Blase und müssen stets festhalten und reflektieren, dass das Bewusstsein außerhalb unser Horizontes ein anderes ist. Dank der aktuellen Berichterstattung und der vielen Initiativen wird es besser, aber es dauert natürlich seine Zeit.“

Was muss passieren, damit der weibliche Körper auch in der Medizin mitgedacht wird – und was möchtet ihr mit eurem Unternehmen dazu beitragen?

Miriam: „Wir müssen lernen zuzuhören und den Zugang zu Wissen ermöglichen. Kreativ sein und die Möglichkeiten nutzen, die vorhanden sind. Warum hat sich bisher kaum jemand Menstruationsblut angesehen? Wir wissen, dass es Parameter gibt, die vergleichbar sind mit den Ergebnissen aus Analysen in venösem Blut. Klar, die Menstruation war und ist teilweise immer noch schambehaftet, aber das ist für die Wissenschaft keine Ausrede.“

„Wir haben große Wissenslücken und häufig keine adäquate Behandlung für viele Probleme mit dem Zyklus.“

Isabelle Guenou

Isabelle: „Wir geben jeden Monat eine wertvolle, wichtige Probe ab, die bisher einfach im Müll gelandet ist. Wir haben große Wissenslücken und häufig keine adäquate Behandlung für viele Probleme mit dem Zyklus. Das lässt sich doch verknüpfen. Wir geben der Blutung einen übergeordneten Sinn – für ein gesünderes Leben und Fortschritte in der Wissenschaft!“

Wie würdet ihr die Vision von Theblood beschreiben?

Isabelle: „Unsere Vision ist groß, wir wollen Wissen generieren und Bewusstsein schaffen an Stellen, wo es jetzt noch fehlt. Wir sind inspiriert von der Wissenschaft, verführt von Achtsamkeit und wollen tatsächliche Innovationen an den Markt bringen. Theblood fördert die Qualität des bewussten Lebens und die Wertschätzung der Menstruation. Wir haben es uns zur Mission gemacht, bestimmten Menschen mehr Selbstbestimmung zu geben – und das sind leider auch noch im Jahr 2021 immer noch die Frauen. Natürlich möchten wir, dass unsere Produkte in Zukunft fließend in den Alltag integriert und in jedem Haushalt zu finden sind.“

„Wir wollen Wissenschaft und Innovation zusammenbringen und mit hohem Anspruch an Design und Kommunikation verbinden.“

Miriam Santer

Miriam: „Ziel ist es schon, eine Art eigenen Campus zu haben, ein eigenes Office mit internem Labor. An diesem Ort wollen wir Wissenschaft und Innovation zusammenbringen und mit hohem Anspruch an Design und Kommunikation verbinden. Dabei wollen wir nicht über unsere Mitarbeiter*innen bestimmen und ihnen die Arbeitsweisen vorgeben, sondern engagierte, interessierte Teammitglieder herausfordern und inspirieren. Jeder soll auf individuelle Weise bestmöglich zum Wachstum beitragen.“

Welche Zukunft wünscht ihr euch? Die Welt in fünf bis zehn Jahren – wie sieht die im besten Fall aus? Seid gerne utopisch und übergeschnappt.

Isabelle: „Ganz wichtig ist, dass geschlechterspezifische Medizin zum Standard wird. Frauen müssen in Entscheidungsprozesse in Medizin, Forschung, Politik und Wirtschaft gleichermaßen eingebunden werden. Wir brauchen eine signifikante Präsenz von Frauen in klinischen Studien und müssen auch unsere Technologien dahingehend anpassen. AI und KI sollen ohne Vorurteile und Ressentiments programmiert sein, denn auch die Software muss auf Gleichberechtigung ausgelegt sein. Wir brauchen auch hier eine gewissen ethische Sensibilität, besonders bei der Datenerhebung.“

Miriam: „Fünf Jahre sind schneller vorbei als gedacht! In der Zukunft sind wir die Pioniere im FemTech Bereich mit einem Focus auf Equality in Technology. Mit unterschiedlichen Methoden können Krankheiten wie Endometriose oder PCOS frühzeitig erkannt werden und den Frauen somit viel Leidenszeit erspart bleiben. Frauen bekommen monatlich ihre individuelle Zyklus-Beratung in Hinblick auf Ernährung und Lebensweise und auch Verhütung und Schwangerschaft sind keine komplizierten Themen mehr – das wäre doch was!“

Vielen Dank, Isabelle und Miriam.

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