Ich bin ein Mann und hatte keine Ahnung vom modernen Feminismus. Erst als ich verstanden habe, dass er alternativlos ist, stellte ich die richtigen Fragen.
Ist Feminismus mehr als Femen?
Feministinnen, das sind doch die nackten Frauen in den Kirchen, Femen mit schwarzer Farbe über die Brüste geschmiert, die, die erst rumschreien und dann abgeführt werden.
So dachte ich noch vor etwas über einem Jahr. Es fiel mir leicht, mich über diese Frauen lustig zu machen, als ich so in meinem Trott steckte, mein von vielen Denkgewohnheiten geprägtes Leben lebte und nicht wirklich in der Pflicht war, dieses hinterfragen zu müssen. So denkt man eben, wenn man in ländlichen Regionen aufwächst, das Wort Feministin zweimal im Jahr in den Nachrichten hört – und ein Mann ist. Die irren Weiber, sollen sie doch die Straßen stürmen, was kümmert mich das?
Heute denke ich anders. Es sollte mich kümmern. Es sollte uns alle kümmern. Feministinnen sind die Speerspitze von etwas sehr viel Größerem, das auch und vor allem uns Männer betrifft – und die Femen-Aktivistinnen sind nur eine sehr extreme Ausprägung davon. Wir sollten endlich versuchen, den Feminismus an sich zu verstehen.
Wie ein Gefängnisausbruch
Mit Denkgewohnheiten ist das ja so eine Sache. Haben wir eine, ist sie wie ein Gefängnis, in das man leicht hineinkommt, aber schwer hinaus. Um alte Denkmuster verlassen zu können, müssen wir in ein anderes Umfeld kommen, brauchen wir neue, starke Begegnungen, die uns zum Nachdenken inspirieren. In meinem Fall war das mein Umzug aus dem schwäbischen Dorf nach Berlin, der neue Job, die neuen Kolleginnen.
Hier wurde ich erstmals ziemlich frontal mit politischem Feminismus konfrontiert. Durch den Feminismusbegriff wird ein riesiges Spektrum abgedeckt, das man unmöglich durchblicken kann. Plötzlich brütete ich nachts über den Ursprüngen der Frauenrechtsbewegungen, las über die ersten Feministinnen wie Hubertine Auclert, schmökerte Werke von feministischen Theoretikerinnen, Betty Friedan, Rebecca Walker, schaute gezielt Dokumentationen über Feminismus, befragte meine Freundin nach ihren Erfahrungen und bat meine Kolleginnen nach aktuellen Texten darüber. So kam ich kürzlich an die aufrüttelnden Bücher der Autorin Laurie Penny.
Himmel, das Thema ist verdammt komplex. Aber zumindest habe ich endlich begriffen, wie wichtig der Feminismus für uns ist.
Feministische Theorie und der Hass der Männer
Der moderne Feminismus zielt in allererster Linie darauf ab, dass alle Menschen gleichberechtigt auf diesem Planeten leben können. Alle. Das will ich, und das sollte man wollen, wenn man ein moralischer Mensch ist. Abgesehen davon ist das für mich nur logisch: Während ich meine Stimme als Antirassist dagegen erhebe, dass Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe diskriminiert werden, kann ich auf der anderen Seite nicht die Augen davor verschließen, dass 50 Prozent der Weltbevölkerung systematisch kleingehalten wird.
Daran ist nicht der Mann an sich schuld, das männlich geprägte System ist es. Das hat verschiedene Ursprünge, dazu später mehr. Die Konsequenzen jedenfalls erleben Frauen in meinem Umfeld – nicht alle immer gleich intensiv – heute täglich. Es fängt mit vermeintlichen Kleinigkeiten an, nennen wir es beim Namen: Alltags-Sexismus. Damit, dass wir Frauen grundsätzlich mit anderen Augen sehen als Männer, das Äußere zählt bei ihnen immer etwas mehr als das Innere. Damit, dass wir sie im Alltag verharmlosen, unterschätzen, ihnen öfter ins Wort fallen als den Männern, mit denen wir uns unterhalten.
Ungleiche Chancen
Es geht damit weiter, dass Frauen im Job noch immer nicht die gleichen Chancen haben wie Männer, dass sie krassere Hürden nehmen müssen und dennoch niedriger bezahlt werden und sich in manchen Büros Sprüche über ihr Äußeres drücken lassen müssen: „Hach Süße, lass mal die Erwachsenen ran.“ Dieses Gedankengut gipfelt mitunter in sexueller Nötigung, Ausbeutung und Gewalt – und das häufiger, als vielen Männern bewusst sein dürfte. In lüsternen und respektlosen Kommentaren gegenüber Frauen, ob sie nun gedacht oder ausgesprochen werden. Darin, dass Männer nicht akzeptieren können oder wollen, was ein Nein ist.
40 Prozent der Frauen in Deutschland haben seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Vierzig Prozent. Das ist fast die Hälfte aller deutschen Frauen. Diese Probleme werden von vielen Männern allzu oft abgetan und belächelt.
Das alles entschieden abzulehnen ist für mich alternativlos. Alleine schon deshalb, weil ich nicht möchte, dass Menschen in einer Welt heranwachsen, in der solche Dynamiken abgehen. Wem das als Mann beim Lesen dieser Zeilen ähnlich geht, der ist schon auf dem besten Weg dahin, ein Feminist zu werden.
Vier Gründe, warum viele Männer immer noch nicht raffen, was Feminismus bedeutet
Weil ich ein wirklich großes Verständnis für Männer habe, die noch nicht verstanden haben, wie relevant der Feminismus ist – ich hab‘ ja selbst ewig gebraucht –, will ich nachfolgend zeigen, warum es vielen Männern so schwer fällt, die feministische Botschaft zu begreifen und sie diese falsch interpretieren. Das liegt meiner Ansicht nach auch an einem großen Problem, mit dem der Feminismus als Bewegung konfrontiert ist: Sie ist immer noch zu unsichtbar und konnte die (männliche) Gesellschaft bisher noch nicht genügend aufreiben. Aus mehreren Gründen, hier eine unvollständige Liste.
Erstens: Die breite Öffentlichkeit ist falsch über den Feminismus informiert
Die Nachrichtenmedien, meine Branche, berichtet über etwas, wenn es eine Neuigkeit ist oder ein sogenannter Aufreger. Ich muss zur Erklärung etwas ausholen. Seit meiner Jugend habe ich mich in meiner Heimat antirassistisch engagiert. Wie oft wir in diesen linken Kreisen darüber gestritten haben, welches Maß an Unruhestiftung denn nun angebracht ist, kann ich nicht mehr zählen. Die einen haben genug von Analysen und langsamen Wandel, sie wollen ihn jetzt, zur Not auch gewaltsam. Aber: Nichts ist ein schönerer Aufreger für die Lokalpresse, als die bösen schwarztragenden Linken, die auf der Demo wieder mit der Polizei aneinander geraten sind. Der Gedanke hinter der Demo? Der Zweck? Warum da überhaupt Menschen auf die Straße gingen? Das wird zur Hintergrundinfo. Ich möchte hier weder meinen Berufsstand noch die linke Bewegung abstrafen, ich sage nur, dass der Hase nun mal so läuft.
Was das mit dem Feminismus zu tun hat? Den Feminismus als Bewegung kann man gut mit der antirassistischen Bewegung vergleichen. Auch die feministische Bewegung besteht aus vielen Strömungen, darunter auch extrem radikale. Es gibt Feministinnen, die transfeindlich sind, und es gibt Feministinnen, die öffentlich #KillAllMen propagieren – auch wenn das das Gegenteil ist, für das sich Feministinnen heute einsetzen. Dass der Feminismus im Grundsatz das gleichberechtigte Leben aller anstrebt, kann durch solche Entartungen leider leicht vergessen werden. In der Folge wurde die Idee in der Öffentlichkeit langsam verzerrt.
Auch wenn ich die verstehen kann, die schlichtweg genug von der Beschissenheit der Dinge haben, und ihrer Wut darüber freien Lauf lassen, bin ich trotzdem der Überzeugung, dass nur Kompromisse und ein fairer Umgang zum Ziel führen. Wegen dieser ganz simplen Logik: Immer, wenn eine Gegenbewegung vermeintlich zu extrem wird, zu bedrohlich, zu verrückt, konzentrieren wir uns oft auf eine Minderheit. So geht die eigentlich wichtige Idee der Bewegung verschütt. Bis eine Gesellschaft versteht, braucht es Zeit. Viel Zeit. Menschen sind träge und unsere Gedanken sind es auch.
Zweitens: Männer unterschätzen Feminismus, weil sie nicht wissen, was Patriarchat wirklich bedeutet
Es bedeutet nicht Männerherrschaft, sondern Väterherrschaft. Es geht nicht darum, dass alle Männer über alle Frauen herrschen, sondern dass einige wenige Männer über alle anderen Frauen und Männer herrschen. Diese wenigen Männer haben das Patriarchat über Jahrhunderte kultiviert, es gängig und zur Norm gemacht, in der wir alle aufwachsen, der wir alle uns fügen, in allem Denken und Tun, im Kindergarten, in der Schule, bei der Arbeit, in der Familie. Als sei es gottgegeben, dass die einen über die anderen bestimmen und dass die, die bestimmen, Männer sind.
Noch mal: Das wird seit dem 17. Jahrhundert so gelebt. Da kann heute nicht einfach kurz ein Vögelchen vorbeifliegen, ihnen eine neue Wahrheit über strukturelle Diskriminierung der Frauen zwitschern und denken, sie würden das glauben. Da kann eine Femen-Aktivistin in der Glotze nicht einfach den Herbert in Beimerstetten erleuchten, der es eben nicht anders beigebracht und vorgelebt bekommen hat, als dass er arbeiten geht, seine Frau ebenfalls und trotzdem danach in der Küche allein das Schnitzel klopft. Wer sein Leben lang in die Kirche ging, wird nicht nur deshalb damit aufhören, weil irgendjemand ihm sagt, dass sie ihn systematisch ausnimmt. Das ist mit dem Kapitalismus dasselbe. Erst wer mal Dreck gefressen hat, erkennt, dass ein System krankt.
Apropos Kapitalismus: Wer diesen in seiner jetzigen Form kritisiert, hat etwas mit modernen Feministinnen gemeinsam. Viele der Probleme, die ich oben beschrieb, sind auch mit der Art verwurzelt, wie wir arbeiten und Besitz definieren. Es gibt ja auch ganze Branchen, die auf der sexuellen Ausbeutung von Frauen basieren. Ich muss wohl nicht benennen, welche.
Drittens: Männer blenden aus, dass auch sie unter diesem System leiden
Weil ein Indianer ja keinen Schmerz kennt, müssen wir Männer uns immer ganz besonders hart geben. Männer müssen immer die Starken sein, die, die nicht auch mal wanken dürfen.
Das fängt früh an. Als ich jünger war, vielleicht gerade in der achten Klasse, musste ich mich vor meinen männlichen Freunden dafür rechtfertigen, warum ich Destiny’s Child höre. Das ist Mädchenmusik, sagten sie mir, und fragten mich, ob ich denn ein Mädchen sein will. Ich wurde von Frauen, mit denen ich ein Date hatte, belächelt, wenn ich sagte, dass ich bei emotionalen Filmen auch mal weine. „Du bist ja voll das Mädchen“. Mädchen, das war eine gängige Beleidigung. Einem Mann kann man damit besonders weh tun, weil man ihm seine Männlichkeit dadurch abspricht, also alles, was er sein muss, um respektiert zu sein.
Auf Partys, da musste ich mich in meiner Jugend immer als Eroberer geben, so wurde das erwartet. Ein Mann gilt erst dann als Mann, wenn er erfolgreich ist. Und wenn man Frauen abschleppt, dann gilt das als erfolgreich. Es ist unglaublich, wie lange ich diesen Hirnfurz nachplapperte, dass Männer und Frauen keine echte Freundschaft aufbauen können, weil sicher das Bett in die Quere kommen werde. Ich habe das so lange so kommuniziert, bis ich wirklich dachte, das sei so und das müsse so sein. Und ich lebte danach. Erobern Ja, Verständnis und Freundschaft Nein.
Männer müssen sich genauso wie Frauen in ein Rollenbild fügen, das sie so vielleicht gar nicht für sich wollen. Sie werden von der patriarchischen Gesellschaft geformt. Sie erleben also mehr oder weniger dasselbe wie Frauen, mit der Ausnahme, dass sie eben keiner sexuellen Ausbeutung und Gewalt ausgeliefert sind, zumindest nicht in diesem Ausmaß. Aber viele Männer sehen das nicht oder wollen es nicht sehen. Das würde ja als Schwäche gelten – wer unter diesem Druck leidet und mehr über die Gründe erfahren möchte, dem empfehle ich das Kapitel „Verlorene Jungs“ in Laurie Pennys Buch „Unsagbare Dinge“.
Viertens: Die wenigsten Männer wollen wahrhaben, dass auch sie sich sexistisch verhalten
Das ist mehr als verständlich, schließlich werden wir Männer dadurch angreifbar in unserem Sein. So werden die moralischen Grundsätze gescannt, unter denen wir vorgeben zu handeln. Auch ich wollte das nicht wahrhaben, obwohl es wahr ist.
Ich habe in der Vergangenheit schlecht über Frauen gesprochen, hinter ihrem Rücken. Ich habe anzügliche Witze über sie gemacht und sie reduziert. Ich habe mich über Frauen mit kurzen Haaren lustig gemacht, ihnen ihre Weiblichkeit abgesprochen. Ich dachte, es verschaffe mir irgendeinen absurden Respekt unter meinen männlichen Freunden, wenn ich über Frauen lästere, nachdem ich mit ihnen in der Kiste war.
Und es war auch so, dafür bekam ich Schulterklopfer, eine Bro-Fist, ein Lachen. Für uns war das ganz normal. In der Schulzeit war das am Schlimmsten. Danach nahm es zwar ab, aber diese Art des versteckten Sexismus fand statt – teilweise tut er das immer noch. Er schlummert ganz unbewusst in vielen von uns. Es ist bemerkenswert einfach, einen sexistischen Spruch abzulassen, eine Frau in ihrer Abwesenheit kurz Schlampe zu nennen, wenn man unter seinen Jungs bierselig in der Kneipe hängt und nicht darüber nachzudenken, was man gerade eigentlich gesagt hat – und was das mit dem Frauenbild macht, wenn alle das tun. Penny schreibt in ihrem Buch „Fleischmarkt“, dass Frauen in jungen Jahren mitunter eine panische Angst davor entwickeln, für andere als Schlampe zu gelten. Mich wundert das nicht.
Die bittere Wahrheit ist, ich kenne kaum Männer, die sich noch nie sexistisch über Frauen geäußert haben. Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass jeder, der das hier liest, das schon einmal auf die ein oder andere Weise unter Freunden getan hat. Für diejenigen, auf die das zutrifft: Das sollte der beste Grund für euch sein, darüber nachzudenken, warum das so ist. Und warum nie jemand von uns auf die Idee kam, das zu unterbinden.
Sechs praktische Tipps von Mann zu Mann, den Feminismus voranzubringen
Es gab innerhalb des Feminismus immer wieder Diskussionen darüber, ob Männer überhaupt Feministen sein können oder besser: den Feminismus unterstützen. Für die Frauen, mit denen ich mich bisher darüber unterhielt und für mich steht das aber außer Frage, weshalb ich das jetzt frech mit Ja beantworte. Ich muss nicht Opfer von Rassismus sein, um dagegen anzukämpfen. Ich muss nicht schwul sein, um für die LGBT-Community einzustehen. Ich muss auch kein Baum sein, um den Umweltschutz zu unterstützen. Und ich muss keine frauenfeindliche Diskriminierung durchlebt haben, um das für meine weiblichen Mitmenschen nicht zu wollen. Die Frage ist daher nicht ob, sondern wie.
Stellen wir uns diese patriarchalen Denkgefüge in unseren Köpfen mal wie eine mittelalterliche Burg mit meterdicken Steinmauern vor. Es braucht starke, mächtige Geschütze, um da durchzudringen. Und wenig ist wirkmächtiger als die aufrichtige Selbstreflexion. Genau da kommen wir Männer beim Feminismus ins Spiel. Da müssen wir ansetzen, da beginnt die echte Unterstützung.
Ich musste bei der Lektüre feministischer Theorie regelmäßig auflachen, mir an den Kopf fassen, ja verdammt, ich musste sogar weinen. Wie konnte ich das nur übersehen? Wie konnte ich so blind sein? Mein früheres Ich hat mich einerseits angewidert, aber andererseits habe ich auch erkannt, dass ich vieles nicht getan habe, weil ich es so wollte und so geboren wurde, sondern weil unser System das begünstigt. Aber nur selbst beichten und sich verzeihen genügt nicht – wir müssen dafür sorgen, dass andere Männer und Jungen nicht dieselben Fehler begehen. Denn die Leidtragenden in diesem Spiel sind Frauen.
Das Patriarchat in seiner heutigen Form basiert auf Eroberung, Macht und Erniedrigung. Das sind Attribute, die ich für mein Leben nicht brauche. In Wahrheit braucht sie niemand. Glücklicherweise kann man da ausbrechen, wenn man es wirklich möchte. Mit wenigen Änderungen im Denken und Alltag ist schon viel gewonnen.
Abschließend kommen hier ein paar simple Handlungstipps von mir und den Feministinnen in unserer Redaktion für Männer, die den Feminismus unterstützen wollen.
- Werdet sensibler für das Thema Sexismus und Feminismus, hinterfragt eure Denk- und Verhaltensweisen. Ihr müsst nicht sofort auf die Straße stürmen, kleine Schritte tun es auch. Lest etwas darüber, hört nächstes Mal genauer hin, wenn jemand das F-Wort verwendet. Und wenn Frauen künftig sagen, etwas sei sexistisch, glaubt ihnen. Macht nicht den Fehler, körperliche Unterschiede von Frauen und Männern mit kulturell bedingten Unterschieden zu verwechseln. Und falls jemand künftig sagt, Feminist*innen seien alles unzufriedene Unbeglückte, dann erklärt ihnen ruhig und sachlich, dass sie Blödsinn erzählen.
- Unterstützt die Frauen in eurer Umgebung – emotional und körperlich. In der Beziehung kann das bedeuten, dass ihr euch mit eurer Partnerin darüber austauscht, wie Gleichberechtigung für euch beide aussehen kann. Vielleicht übernehmt ihr künftig 50 Prozent der emotionalen Arbeit in der Beziehung und unterstützt euer familiäres Umfeld mehr. Übernehmt mindestens 50 Prozent der Hausarbeit, wenn ihr zusammen wohnt. Beteiligt euch bei der Verhütung. Nicht nur finanziell, sondern begleitet eure Freundin zum Arzt, wenn sie sich das wünscht. Ihr schlaft schließlich miteinander.
- Gebt Frauen Raum – emotional und körperlich. Achtet darauf, wie viel Raum ihr in eurem Alltag einnehmt und tretet dort kürzer, wo ihr merkt, dass die Frauen in eurer Umgebung zu kurz kommen.
- Schreitet ein, wenn ihr Sexismus bemerkt, vor allem im eigenen Umfeld. Wenn ein Kumpel einen sexistischen Spruch ablässt, dann schweigt nicht länger, sondern macht ihn darauf aufmerksam. Eine echte Freundschaft wird das aushalten. Prangert Sexismus künftig laut und offen an.
- Behaltet Kommentare über Frauen künftig für euch. Wenn euch eine Frau gefällt, ist das schön und gut, aber es ist keine Einladung, sie das mit einem platten Spruch wissen zu lassen. Dafür gibt es andere Wege. Beurteilt Frauen nicht von oben herab nach ihren Äußerlichkeiten, auch nicht mit Freunden.
- Sucht euch weibliche Vorbilder. Wenn ihr euch fragt, welche Vorbilder aus Popkultur, Film oder Musik ihr habt, werdet ihr feststellen, dass die meisten davon männlich sind. Sucht gezielt nach Schauspielerinnen, Musikerinnen und Künstlerinnen, deren Arbeit euch gefällt. Werdet offen für all die inspirierenden Frauen und lernt zu schätzen, was sie auf dieser Welt alles für unsere Gesellschaft leisten. Erzählt in Gesprächen öfter von den Frauen in eurer Umgebung.
Ein riesiges Privileg
Ich bin weiß, männlich und in einem der reichsten Ländern des Westens aufgewachsen. Ich genieße damit ein riesiges Privileg, das unfassbar viele Menschen so nicht haben. Ich habe nie mit systematischer Ausgrenzung zu kämpfen gehabt. Ich habe nie die Ohnmacht gespürt, die viele Frauen verspüren müssen, wenn ihnen ungefragt an den Po gegrapscht wird. Ich wurde auch nie wegen meiner Hautfarbe, Herkunft oder Sexualität diskriminiert. Gerade weil ich all das nie durchmachen musste, fühle ich mich als Mensch in der Verantwortung, dass meine Mitmenschen das nie wieder durchmachen müssen. Der moderne Feminismus steht genau dafür ein.
Schreiben wir bei ze.tt über diese Missstände oder überhaupt über Feminismus, wird das als Genderwahnsinn betitelt, meine Kolleginnen werden mit Hass zugekotzt, als Feminazis beschimpft. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Frauen sprechen an, dass Frauen in der Gesellschaft degradiert werden und werden dafür degradiert. Viele Männer fühlen sich tatsächlich dadurch angegriffen, dass Frauen Ungerechtigkeiten nicht länger akzeptieren wollen. Ja, viele Männer fühlen sich schon alleine dadurch angegriffen, dass eine Frau überhaupt ihre Stimme erhebt. Das wiederum kann ich nicht akzeptieren.
Der Knoten ist geplatzt
Das neue Lebensumfeld war der Auslöser, es ließ einen Knoten platzen und immense Denkfehler auflösen. Es weckte ein Feuer in mir: Der Feminismus ist für mich keine Idee, er ist für mich auch keine Bewegung. Der Feminismus ist für mich eine Geisteshaltung.
Ich weiß, dass ich als Mann der größte Profiteur dieses patriarchalen Systems bin, was nicht heißt, dass ich dessen negative Eigenschaften nicht ablehnen kann. Ich arbeite an mir, versuche, weniger Raum einzunehmen und gleichzeitig offen gegen Sexismus anzukämpfen, unter anderem mit Texten wie diesem. Ich bringe mich in meiner Partnerschaft mehr ein und suche mir ganz gezielt weibliche Vorbilder, die mich inspirieren. Darunter sind meine Kolleginnen hier, die die feministische Fahne hochhalten und immer wieder gegen den Hass anschreiben.
Und meine alten Heldinnen im Hip-Hop, Missy, Lauren, mit deren Texten ich mich intensiver befasse als vorher. Ich habe sogar wieder angefangen, Destiny’s Child zu hören.
Das alles klingt nicht nach viel. Aber es ist ein Anfang.
Ihr könnt das auch.
Der Originaltext von Till Eckert ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.
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