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Nadine Dreser: „Statt Tierversuche zu machen, kann man auch würfeln“

Unsere Moderatorin Victoria Müller spricht mit führenden Wissenschaftlerinnen über Chancengleichheit in MINT-Berufen. Gästin dieser Folge ist Nadine Dreser, die im Bereich der Toxikologie Tierversuche für unnötig hält und alternative Forschungsmethoden entwickelt. 

Nadine Dreser ist Toxikologin an der Universität Konstanz. Neben ihrem Hauptforschungsschwerpunkt, der Neuronalentwicklung, ist ihr größtes Anliegen die Erforschung tierversuchsfreier Forschung. Für ihre tierversuchsfreie Testmethode zur Identifizierung entwicklungstoxischer Substanzen wurde sie im Jahr 2020 mit dem LUSH-Preis als Nachwuchsforscherin ausgezeichnet.

Für Mensch und Tier

Mit Hilfe von induzierten Stammzellen stellt das Forschungsprojekt von Nadine in vitro (im Reagenzglas) die frühe Neuronalentwicklung nach. Die Zellen bilden rosettenartige Strukturen, die das Neuralrohr des Embryos im Mutterleib darstellen. Wenn sich diese Rosetten-Strukturen ausbilden, ist das frühe Nervensystem gesund entwickelt.

Erforscht werden Substanzen, die die Entwicklung in diesem Zeitraum stören und zum Beispiel zu einem offenen Rückenmark führen können. Solche entwicklungstoxischen Substanzen bewirken in den Zellen, dass keine Rosetten mehr ausgebildet werden können (Quelle: Lush Prize).
Die von Nadine entwickelte Testmethode hilft, solche Substanzen zuverlässig zu identifizieren. Zusammen mit ähnlichen Testmethoden sollen lange Entwicklungsstudien mit Tierversuchen ersetzt werden.

Der „Goldstandard“

Tierversuche in der Wissenschaft sind bis heute Standard. Zu Forschungszwecken werden vorrangig Mäuse verwendet, aber auch Affen, Schafe oder Schweine leiden für den wissenschaftlichen Fortschritt. Doch warum wird der Verzicht auf Tierversuche noch immer als so schwierig angesehen?

„Das Grundproblem ist, dass der Tierversuch sich noch nie behaupten musste. Der war schon immer da und ist deswegen der Goldstandard. Und es ist schwierig, etwas zu ersetzen, was an sich schon eigentlich nicht funktioniert.“

Nadine Dreser

Der Goldstandard: Er meint das aktuell anerkannte Handeln bezüglich einer Krankheit – also der maßgebliche Standard. Ein Medikament darf in Deutschland in eine klinische Studie an Menschen übergehen, wenn der Test an Tieren erfolgreich war.
Doch das Tierversuchsmodell steht aus guten Gründen in der Kritik: Resultate lassen sich nicht automatisch auf den menschlichen Organismus übertragen. Sie können verfälscht oder gar unbrauchbar werden durch Umwelteinflüsse oder tierische Krankheiten, die beim Menschen nicht von Bedeutung sind. – Die Entwicklung tierversuchsfreier Forschungsmethoden ist also wichtiger denn je.

„Wenn man Entwicklungsprozesse studiert, kann man vielleicht nicht komplett auf Tierversuche verzichten. Aber in der Toxikologie, wo auch die meisten Tiere ,verschwendet‘ werden, kann man auf jeden Fall darauf verzichten.“

Nadine Dreser

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In dieser LAB GAP-Folge wird es außerdem darum gehen, warum es Frauen in der Wissenschaft, insbesondere im Fachbereich von Nadine, oft schwerer haben als Männer, warum Jane Goodall ihr großes Vorbild ist und was Nadine ihrem 14-jährigen Ich aus heutiger Perspektive zu sagen hätte.

„Wenn man eine Leidenschaft hat für etwas – und das ist in der Wissenschaft sehr wichtig – dann sollte man dieser Leidenschaft definitiv nachgehen.“

Nadine Dreser

LAB GAP mit Victoria Müller

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