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Wie mich mein Wunsch nach einer gleichberechtigten Vaterrolle den Job gekostet hat

Unser Community-Autor wollte das leben, wofür die so genannten „modernen Väter“ gefeiert werden: Viel Zeit mit dem eigenen Kind verbringen und sich die Erziehung mit seiner Partnerin gleichberechtigt teilen. Bei seinen Chefs stieß das auf Unverständnis.

Der will sich ums Kind kümmern?

„Wenn du das so siehst, sehen wir keine Zukunft für dich in diesem Unternehmen.“  Eigentlich war ich auf diesen Satz vorbereitet. Trotzdem überraschte mich, dass er dann so klar ausgesprochen wurde. Vier Wochen später war ich arbeitslos. Weil ich fest entschlossen war, die Erziehung meiner Tochter zu 50 Prozent zu übernehmen.

Spulen wir zurück. Anfang des Jahres wurde meine Freundin schwanger. Es war ein Wunschkind. In die Freude mischte sich aber auch Verunsicherung. In mir nagte vor allem die Frage, wie mein Arbeitgeber das Ganze aufnehmen würde. Ich arbeitete in einem Berliner Start-Up und ganz klischeehaft wurden dort 50-oder 60-Stunden die Woche abgerissen. Gleichzeitig war für mich klar: Ich will mich genauso um die Kindererziehung kümmern wie meine Freundin. Wir wollen uns die Erziehung partnerschaftlich teilen: 50/50. Das ist mit Schwangerschaft und Stillen schon schwer genug durchzuziehen. Aber auf keinen Fall wollte ich Zeit für beziehungsweise mit meinem Kind opfern, um die 20. Überstunde zu machen.

Als ich meinen Chefs mitgeteilt habe, dass ich und meine Freundin ein Kind erwarten, fiel ihre Reaktion äußerst verhalten aus. Glückwünsche hatte ich auch nicht erwartet. Nachfragen zu Elternzeit oder ähnlichem kamen nicht und ich war darüber auch erstmal nicht unglücklich. Eigentlich hätten da schon meine Alarmglocken schrillen sollen.

Wie modern war unsere Unternehmenskultur wirklich?

Wovor hatte ich Angst? Denn mir wurde ja immer gesagt, dass das Unternehmen in Aufgaben und nicht in Zeit rechnet und dass flexible Arbeitszeiten überhaupt kein Problem seien. Außerdem hatte ich mir ein gutes Standing erarbeitet. Mein Feedback war durchweg positiv.  Die Geschäftsführung hatte mir sogar eine Gesellschafter-Position in Aussicht gestellt. Aber Fakt war eben auch, dass es bis dato nur Flexibilität in eine Richtung (nach oben) gegeben hatte und das klischeehafte Bonmot der „Extra-Meile“ immer wieder bemüht wurde.

Meine Lust, über das Thema Elternzeit zu sprechen, hielt sich also in Grenzen. Aber es half ja alles nichts. Ich suchte also das Gespräch mit meinen Chefs und erklärte, dass ich mir die Elternzeit und auch die anschließende Erziehung mit meiner Freundin teilen würde. Die überraschende Antwort: „Ok, das passt. Danke für die Info“. Wow, ich hatte die Jungs vielleicht doch unterschätzt?

Im Sommer wurden meine Elternzeitpläne konkreter. Ich wusste, dass ich die Hälfte der 14 Monate, die einem Paar zur Verfügung stehen, wenn es die „Elternzeit Vollzeit“ in Anspruch nehmen will, machen würde. Ab März sollte es losgehen. Obwohl es noch ein Dreivierteljahr bis zum Beginn meiner Elternzeit dauern sollte, regte ich bei meinen Chefs an, schon einmal nach einer Vertretung für die sieben Monate zu suchen. Und ganz plötzlich war es vorbei mit der Flexibilität.

Vom Top-Mitarbeiter zum Problemfall

Alles war auf einmal ein Problem. Die sieben Monate Elternzeit seien ja doch eine wirklich lange Ausfallzeit. Und, dass ich danach nicht sicher auf eine 100-Prozent-Stelle zurückkommen wollte und ab der Geburt eher 40-45 Stunden arbeiten wollte, wäre mit der Übernahme von Verantwortung nicht so wirklich vereinbar. Sie meinten, dass sie sich darüber noch einmal Gedanken machen müssten und wir vereinbarten ein Gespräch zwei Wochen später.

Als dieses Gespräch anstand, ging es erstmal gar nicht um Kindererziehung und Elternzeit. Stattdessen wurde erst einmal meine bisherige Leistung kritisiert. Ich würde keine Initiative mehr zeigen und zu sehr auf die Arbeitsstunden achten. Die Kritik hörte ich zum ersten Mal. Danach baten sie mich, noch einmal zu skizzieren, wie ich mir die Aufteilung der Kindererziehung mit meiner Freundin vorstelle. Ich müsste ja nicht 50/50 mit meiner Freundin teilen. Ein bisschen weniger wäre ja auch ok, so meine Chefs. Für mich aber kam für mich nicht in Frage.

Als ich ihnen noch einmal deutlich machte, wie wichtig es mir sei, für mein Kind da zu sein und gleichberechtigt als Eltern zu leben, kam dieser Satz, der mich sprachlos machte:

„Wenn du das so siehst, sehen wir keine Zukunft für dich in diesem Unternehmen.“

Ihr Angebot sah so aus: Sie wollten es mir „leicht“ machen und boten an, dass ich noch bis zur Geburt des Kindes meinen Job weiterzumachen könnte.  Aus meiner Sicht war das kein Entgegenkommen. Ich wusste zudem, dass es schlicht noch keinen Ersatz für mich gab. Was der Geschäftsführung noch wichtig zu betonen war: Der Grund, dass es nicht weitergehe, sei nicht die Elternzeit, sondern meine abnehmende Leistung.

Bauchgefühl gegen Kontostand

Es war eine beschissene Situation. Ich wollte am liebsten sofort weg von der Firma. Niemand sollte von seinem Arbeitgeber so unter Druck gesetzt werden. Aber so einfach war das nicht. Wenn ich sofort kündigen würde, würde ich nicht nur drei Monate lang kein Arbeitslosengeld bekommen, auch mein Elterngeld würde sich entsprechend verringern. Ich würde doppelt Geld verlieren. Die Wahrscheinlichkeit, einen Job bis zum Beginn meiner Elternzeit in neun Monaten zu finden, standen auch nicht gerade gut. Wer stellt schon jemanden ein, der nach der Einarbeitung erst einmal sieben Monate fehlt?

Auf der anderen Seite war ich auch in einer sehr privilegierten Situation. Nicht nur hatte ich in den Jahren davor einiges an Geld sparen können, ich hatte mir auch ein recht stabiles Netzwerk aufgebaut, das ich nutzen könnte, um zumindest nach der Elternzeit halbwegs schnell wieder einen Job zu bekommen. Gerade jemand, der es so leicht hat wie ich, sollte in so einem Fall konsequent sein, dachte ich mir.

Trotzdem fiel mir die Entscheidung verdammt schwer. Aber nach einigen schlaflosen Nächten und diversen Absprachen mit meiner Freundin traf ich einen Entschluss. Zum Entsetzen meiner Chefs habe ich zum nächstmöglichen Termin gekündigt. Und ich gebe zu, es fühlte sich extrem gut an.

Zwischen Wickelkommode und Zukunftsangst

In den Tagen und Wochen danach passierte etwas, was ich nicht erwartet hatte. Das Feedback aus meinem Umfeld war ohne Ausnahme positiv, geradezu euphorisch. Von meiner linksversifften Gutmenschen-Filterblase hatte ich das erwartet. Aber auch in meinem weiteren Netzwerk, in dem sich Vertriebler*innen, Unternehmer*innen, Berater*innen und Investmentbanker*innen tummeln, waren die Leute begeistert. Menschen, die ich kaum kannte, kamen auf mich zu, um mir zu gratulieren. Egal ob Mann oder Frau, reich oder arm, alt oder jung, liberal oder konservativ – alle fanden es gut. Sagt irgendwie auch was darüber, was sich die Menschen von der Arbeitswelt wünschen.

Was ich mich bei all den Rückmeldungen fragte: Würde eine Frau auch ausschließlich positive Rückmeldung auf so eine Entscheidung bekommen? Gefreut hat es mich trotzdem und es bestärkt mich auch jetzt noch. Man fühlt sich schon wie so ein kleiner Pionier.

Seit meiner Kündigung befinde ich mich gewissermaßen in „Vaterschutz“. Denn bei allem positivem Feedback, das ich bekommen habe: Einstellen wollte mich für das nächste Jahr erstmal niemand. Momentan hangele ich mich durch kleinere Freelancer-Projekte. Natürlich verunsichert mich dieser Status. Vielleicht wird mir meine Entscheidung tatsächlich als mangelnder Karrierewille ausgelegt. Privat findet man es wohl gut, wenn jemand bei der Familie konsequent bleibt, aber im professionellen Kontext wollen die meisten scheinbar doch etwas anderes. Dabei will ich ja überhaupt nicht mein komplettes Leben der Kindererziehung widmen. Ich will einfach nur gerecht mit meiner Freundin teilen.

Nehmt die Signale ernst

Zum Glück gibt es mittlerweile genug Beispiele von Firmen, die Themen wie Vereinbarkeit ernst nehmen und davon erwiesenermaßen auch wirtschaftlich profitieren, weil es Mitarbeiter*innen zufriedener macht und motiviert. Meine Freundin hatte zum Beispiel bei ihrem Arbeitgeber überhaupt kein Thema mit der Elternzeit, im Gegenteil.

Entsprechend versuche ich gerade, die Zeit zu genießen und um ehrlich zu sein, ist das auch nicht schwer. Stressfrei Beistellbett, Wickelkommode & Co. einkaufen zu können und beim Geburtsvorbereitungskurs dabei zu sein, anstatt noch irgendwelche Reports zu schreiben ist ein Luxus, den andere so nicht haben, und das ist mir auch bewusst. Ich mache also das Beste aus meiner Erwerbslosigkeit.

Wenn ich noch einmal vor die Wahl gestellt werden würde, ich würde alles wieder genauso machen. Mit einem Unterschied: In Zukunft würde ich die Frühwarnzeichen im Unternehmen ernster nehmen. Denn die gab es. Nicht umsonst hatte ich Bedenken, meine Elternzeit anzusprechen. An verschiedenen Punkten hatte ich mich dazu entschlossen, nicht so genau hinzusehen anstatt mir echte Gedanken zu machen. Ich hatte mich auf Aussagen der CEOs und „Mission Statements“ verlassen, anstatt wirklich die Augen aufzumachen. Also, schaut sehr genau hin – ich hoffe, ich habe aus meiner Erfahrung gelernt.

Titelbild: Depositphotos

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