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Viel zu arbeiten macht Väter glücklicher als Kindererziehung – aber haben sie es je wirklich ausprobiert?

Väter sind zufriedener, wenn sie viel arbeiten und Mütter brauchen für ihr Lebensglück nicht unbedingt eine Erwerbsarbeit– das sind die Ergebnisse einer Studie der Universität Marburg. Müssen wir uns also nicht länger um Gleichstellung bemühen?

 

Eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie? Quatsch, ist doch alles prima so!

Wie lassen sich Familie und Beruf für Mütter und Väter endlich besser vereinbaren und wie sich die Erwerbsarbeit in Familien deutlicher auf zwei Schultern verteilen? Das sind Fragen, die sich auf gleichstellungspolitischer Ebene immer wieder gestellt werden. Aber ist das überhaupt notwendig? Eine repräsentative Studie der Universität Marburg, die Ende Juni 2018 veröffentlicht wurde, legt nahe, dass es das möglicherweise nicht mehr braucht – zumindest nicht für den Durchschnitt. Denn ein Ergebnis dieser Studie ist, dass Väter besonders zufrieden sind, wenn sie 50 Stunden die Woche arbeiten. Büro macht glücklich. Und auch bei Frauen steigt den Forschungsergebnissen zufolge die Zufriedenheit, wenn ihre Partner bis zu 50 Stunden in ihrem Beruf arbeiten. Ob die Frauen selbst hingegen viel oder wenig arbeiten, das beeinflusst ihr Wohlgefühl der Studie nach kaum. Zwar haben andere Studien für Deutschland ergeben, dass Frauen gern mehr arbeiten würden – einen Effekt auf die Zufriedenheit hat die Stundenanzahl aber erst einmal nicht. Wozu also am traditionellen Familienbild rütteln?

Was zunächst danach klingt, als seien diese Ergebnisse versehentlich einige Jahrzehnte zu spät veröffentlicht worden und außerdem von den heutigen Vätern ein eher deprimierendes Bild zeichnet, erklärt der Autor der Studie, Soziologe Martin Schröder, im Interview mit der Zeit so: Die Mehrarbeit würde sich nicht durch ökonomische Faktoren oder die reine Arbeitszeit positiv auswirken, sondern eher durch traditionelle Rollenbilder, also dass sich Männer wohler fühlten, wenn sie in der Rolle des Versorgers seien. Es sei leichter, so zu leben wie der Großteil der Menschen, sich nicht gegen Stereotype zu stemmen und nicht permanent hinterfragt zu werden. Die dicke Überraschung: Es ist unbequem gegen den Status Quo zu handeln. Das heißt aber nicht, dass der Status Quo die beste aller Möglichkeiten ist.

Statt auf das Symptom zu starren, sollten wir an die Ursachen ran

Statt nun also alle gleichstellungspolitischen Fortschritte der vergangenen Jahre zu hinterfragen oder gar fallenzulassen, wäre es wohl sehr viel fruchtbarer, nicht das Symptom, sondern die Ursache für diese Ergebnisse zu betrachten. Denn warum entsteht denn für Väter durch ein Mehr an Arbeit mehr Zufriedenheit als durch Erziehungsarbeit? Und ebenso: Wieso senkt eine Führungsposition in Vollzeit bei einigen Frauen eben diese? Denn auch darauf geht der Soziologe im Interview zur Studie ein. Er sagt: Männer sollten jetzt nicht Top-Positionen „verdrängt werden, denn: „Auch andere empirische Untersuchungen zeigen, dass Frauen in Managementpositionen weniger zufrieden als Männer sind. Und umgekehrt sind die Männer unzufriedener, wenn sie kürzer arbeiten und zu Hause bei ihren Kindern bleiben.“ Doch daraus zu schließen, dass Unzufriedenheit bzw. Zufriedenheit direkt vom Job ausgeht, würde an der Oberfläche komplexer Zusammenhänge kratzen, die Frauen eben oft erschweren, im Beruf aufzugehen, und Männer für sich zur wenig Wertschätzung aus Care-Arbeit ableiten können.

Denn was wir eben auch wissen, ist, dass der Wille zu einer erfüllenden Aufgabe im Beruf genau wie der Wunsch, die eigenen Kinder zu begleiten,  geschlechtsunabhängig vorhanden ist. Warum das eine mit dem anderen oft nur schwierig zusammengeht, ist vor allem ein strukturelles Problem. Denn wenn Mütter nach wie vor mehrheitlich für die Care-Arbeit und den Haushalt zuständig sind (ganz unabhängig davon, ob sie eine Erwerbsarbeit haben oder nicht) und Vereinbarkeit von Job und Familie vor allem als ein Thema gehandelt wird, das Mütter betrifft, muss sich das auf Zufriedenheit in einem 40- und mehr Stundenjob auswirken, da jede*r hier scheitern muss. Vereinbarkeitsprobleme sind eine selbsterfüllende Prophezeiung.

Natürlich wirkt es sich auf Zufriedenheit aus, wenn in den meisten Unternehmen immer noch eine Kultur herrscht, die Präsenz mehr honoriert als Leistung, und Mütter, die Aufgaben im Home-Office erledigen, dafür weniger wertschätzt als Menschen, die sich im Büro zeigen. Und ebenso beeinflusst der Rabenmutter-Mythos nach wie vor Mütter, die viel arbeiten sowie es Männer beeinflusst, dass sie in Teilzeit als Weicheier gelten, die unter dem Pantoffel ihrer Partnerin stehen. Solange also Führungsebenen eine Männer- und Kindererziehung eine Frauendomäne sind, werden diese Vorurteile so bleiben – und eine Gesellschaft produzieren, in der die meisten so leben.

Geschlechterdomänen lassen sich durch mehr Wahlmöglichkeiten auflösen

Diese Geschlechterdomänen werden nicht allein dadurch aufgelöst, indem jede*r einzeln*e immer wieder traditionelle Rollenbilder hinterfragt, sondern indem auch konkrete Reformen in der Arbeitswelt greifen – das eine geht nicht ohne das andere. Da sich gesellschaftliche Rollenbilder nur langsam wandeln, können hier Veränderungen in der Arbeitswelt wichtige Impulse setzen, die es möglich machen, typische Geschlechterrollen überführen in mehr Vielfalt.  Wenn etwa die 40-Stunden-Woche abgeschafft und sich eine 30- oder gar 25-Stunden-Woche als Vollzeitarbeit – bei gleicher Bezahlung – durchsetzen würde, könnten Männer weiterhin ihr Wohlgefühl aus einer vollen Stelle und dem Label „Leistungsträger“ ziehen, und sich dennoch mehr in der Care-Arbeit einbringen und sich an diese Doppelrolle gewöhnen. Und Mütter, die sich aufgrund von persönlichen Entscheidungen oder aber durch den Mangel an Betreuungsmöglichkeiten (auch aufgrund der mangelnden Unterstützung durch ihre Partner), für weniger Arbeitsstunden entschieden haben, würden den Nachteilen entkommen, die Teilzeit-Stellen immer noch mit sich bringen: Altersarmut und weniger Karriere-Möglichkeiten. Win-Win für alle!

Denkbar wäre auch, das 40-Stunden-Modell beizubehalten, aber Care-Arbeit endlich mit mehr als ein paar lächerlichen Rentenpunkten zu entlohnen. Und, jetzt wird es richtig ambitioniert: Es wäre sogar beides denkbar – eine Verringerung der Erwerbsarbeit und eine faire Entlohnung der Care-Arbeit – was eine Situation schaffen würde, in der jede*r frei ist, sein Leben so zu gestalten, wie es individuell am besten für die eigene Familie ist.

Wertschätzung ist das Zauberwort

Generell lässt es sich natürlich gut verstehen, dass Männer lieber zur Arbeit gehen als zuhause zu bleiben, wenn man sich etwa die Wertschätzung anschaut, die Müttern zuhause für ihre Arbeit entgegen gebracht wird: Von Kindern kommt sie nicht oder selten, weil Kinder eben Kinder sind und von der Gesellschaft wird die Leistung, die mit der Care-Arbeit erbracht wird, im Alltag eher gering bewertet. Das bisschen Haushalt! Ganz im Gegensatz zum ideellen Wert, der bei jeder Gelegenheit hervorgeholt wird. Das kann extrem frustrierend sein – ganz besonders, wenn sich dazu noch die Geringschätzung gesellt, die „Hausmännern“ gerne entgegengebracht wird. Aber auch das ließe sich gesellschaftlich lösen – was übrigens auch für Mütter schön wäre, die mit diesem Frust schon sehr lange leben müssen. Dafür braucht es sicherlich Zeit, aber vor allem auch erst einmal den Willen. Auch den von Männern, damit zu leben, dass gesellschaftlicher Wandeln nicht gemütlich ist und er nur geschieht, wenn sie einen Teil des Frusts auf ihre Schultern laden.

Grundsätzlich gilt aber: Ein Männerbild, das vor allem auf dem des Versorgers basiert, ist ebenso fragil wie jenes einer Frau, die sich vor allem über ihr Muttersein definiert. Denn wir alle sind mehr als die brüchigen Stereotype, in denen wir uns  gemeinhin bewegen sollen – haben mehr und individuellere Bedürfnisse, als diese einlösen dürfen. Die Chance daraus auszubrechen, in dem es mehr Wahlmöglichkeiten für alle und viele unterschiedliche Familien- und Lebensmodelle gäbe, kommt nicht nur denen zugute, die traditionelle Geschlechterrollen schon jetzt nicht glücklich machen.  

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