Nicht ohne meine Hebamme! – Die Serie „Push“ zeigt, was Geburt alles sein kann

Zu früh einsetzende Wehen, geplatzte Fruchtblasen, Stillprobleme. Für die Hebammen Anna, Nalan und Greta ist kein Tag berechenbar. Die neue Serie „PUSH“ (ZDFneo) erzählt in sechs Folgen von ihrem Klinikalltag. Begleitet wurden die Dreharbeiten von der Hebamme Christiane Hammerl, die wir zum Interview trafen.

Auf dem Bildschirm sehe ich eine Frau, die seit über 20 Stunden in den Wehen liegt. Die Gebärende gibt alles. Aber die Werte des Kindes werden schlechter. Hebamme und Ärztin teilen der Mutter mit, dass eine Sektio (Kaiserschnitt) nicht zu verhindern ist. Die Hebamme streichelt die Frau, redet leise mit ihr. Ich merke plötzlich, wie mir beim Zusehen die Tränen kommen. Zum einen bin ich zurückversetzt in die Zeit der Geburt meines ersten Kindes. Zum anderen bin ich erleichtert. Denn das, was ich hier sehe, habe ich so im deutschen Fernsehen noch nie gesehen.

Push“, heißt die neue Serie, die ab 8. März bei ZDFneo ausgestrahlt wird. Im Zentrum der Serie stehen die Hebammen Nalan (Mariam Hage), Anna (Anna Schudt) und Greta (Lydia Lehmann), die mit den ständigen Herausforderungen von Geburtskomplikationen umgehen müssen. Die erfahrene Anna ist immer für alle da, selbst das Ende ihrer Ehe steht im Schatten ihres Jobs. Nalan ist Mitte 30, sie hat mit einer ganz anderen Herausforderung zu tun: Jeden Tag begleitet sie hingebungsvoll den Moment der Geburt, während sie sich selbst sehnlichst ein Kind wünscht. Und Greta, die Hebammenstudentin, möchte so viel wie möglich von ihren Kolleg*innen lernen, hinterfragt dabei aber auch das System.

Die Drehbuchautorin Luisa Hardenberg blickte beim ersten Pitch der Serie im Jahr 2019 zunächst in ratlose Gesichter der vornehmlich männlichen Zuhörer. Für diese sei es kaum vorstellbar, wie man aus dem Thema eine Serie mit mehreren Folgen entwickeln könne. „Sinngemäß hieß es: Was willst du nach ein, zwei Geburten noch erzählen? Dieses Unwissen darüber, wie umfangreich die Erfahrungswelt von Frauen ist, die Kinder bekommen oder – ob gewollt oder ungewollt – keine Kinder bekommen, hat mich nur noch mehr darin bestärkt, eine Serie wie ,Push‘ zu erzählen“, so Luisa Hardenberg.

Begleitung der Dreharbeiten

Hebamme Christiane Hammerl. Sie begleitete die Dreharbeiten für die Serie PUSH, die ab dem 8. März bei ZDFneo zu sehen ist. | Foto: Juliane Dunkel

Die selbstständige Beleghebamme Christiane Hammerl (s. Bild) stand der Autorin Luisa Hardenberg schon in einem frühen Stadium des Drehbuches zur Seite. Später begleitete sie die Dreharbeiten, über die sie uns im Interview mehr erzählt. Was Christiane vor allem gegen den Strich geht, ist die ständige Bewertung von Körpern, Schwangerschaften, Geburten und Geburtsverläufen: „Ich erlebe oft, dass Frauen gefragt werden: Und, hast du es mit oder ohne PDA (Abk. für Periduralanästhesie: Verfahren zur Schmerztherapie während der Geburt) gemacht? Als würdest du dafür irgendein Diplom kriegen. Dabei ist es doch wunderbar, dass es das in der heutigen Zeit gibt! Genauso ist es mit der Bauchgeburt. Warum muss alles immerzu bewertet werden?“

Christiane Hammerl sitzt mir gegenüber im Redaktionsbüro. Sie hat genau eine Stunde, dann muss sie ins Krankenhaus zu einer Geburt. Sie ist ein ausgesprochen positiver Mensch, spricht sehr bestimmt, sehr klar. Seit 20 Jahren arbeitet sie in diesem Beruf, hatte vorher bereits die Ausbildung zur Krankenschwester absolviert. Seit 2020 ist ein Studium notwendig, um Hebamme oder Entbindungspfleger zu werden. Christiane Hammerl betreut mittlerweile auch Hebammenstudent*innen.

„Ich erlebe oft, dass Frauen gefragt werden: Und, hast du es mit oder ohne PDA gemacht? Als würdest du dafür irgendein Diplom kriegen. Warum muss alles immerzu bewertet werden?“

Christiane Hammerl

Liebe Christiane, klammern wir die weniger glamourösen Momente rund um das Schwangersein und die Geburt gesellschaftlich noch immer zu sehr aus?

„Ja, ganz sicher sogar. Es ist herausfordernd für schwangere Frauen, sich auf die Geburt vorzubereiten, da jede Schwangerschaft und Geburt einzigartig sind. Pro Monat begleite ich etwa fünf Geburten, das heißt, im Schnitt eine pro Woche. Obwohl ich die Frauen vorher intensiv kennenlerne, kann es immer völlig anders kommen als erwartet. Das wird in der Serie ,Push‘ gut dargestellt. Da gibt es zum Beispiel eine Frau namens Nora, die ein viertes Kind per Kaiserschnitt bekommen möchte. Kurz vor dem Termin meldet sie sich mit Ängsten, weil sie das Baby nicht mehr so stark spürt. Die Szene zeigt, dass auch bei einem geplanten Kaiserschnitt unerwartete Dinge passieren, wie das Platzen der Fruchtblase oder frühzeitige Wehen, die Sorgen oder Bedenken auslösen können. Die Serie verdeutlicht sehr gut, wie wichtig in solchen Situationen die Hebamme ist.“

Du hast als Beraterin die Dreharbeiten von „Push“ begleitet. Wie sah das konkret aus?

„Während Luisa Hardenberg das Drehbuch schrieb, stellte sie mir Fragen: Was waren ganz besondere Geburten, die du miterlebt hast? Oder auch: Wie reagierst du, wenn dich eine Frau anruft und sagt, sie habe einen Blasensprung? Luisa hat mich mehrmals durch meinen Berufsalltag begleitet. Als das Drehbuch fertig war, habe ich es nach und nach gelesen und Anmerkungen dazu gemacht. Später war ich während der Dreharbeiten vor Ort, habe den Schauspieler*innen zum Beispiel gezeigt, wie man eine Blutdruckmanschette anlegt oder wie man Wehen veratmet; manche haben (noch) kein Kind, bei anderen ist es zu lange her. Ich habe darauf geachtet, dass es sich möglichst realistisch anhört und anfühlt. Für eine Szene habe ich mir eine echte Plazenta ,ausgeliehen‘ (siehe Bild).“

Kurz nach der Geburt: Anna Koch (Anna Schudt, l.) zeigt der Hebammenstudentin Greta Malinger (Lydia Lehmann, r.) sowie den frischgebackenen Eltern die Plazenta. Foto: Richard Kranzin | ZDFneo

In der Serie vertreten die drei Protagonistinnen auch drei Generationen. Sie gehen ganz unterschiedlich mit ihren jeweiligen Situationen um. Erkennst du in deiner eigenen Lebenswirklichkeit anhand dieser Generationen, wie sich der Hebammenberuf verändert?

„Auf jeden Fall. Ich bin ja zudem noch Praxisanleiterin, also kooperiere mit verschiedenen Unis, viele Studierende laufen bei mir mit, so wie Greta bei Anna in der Serie immer mitläuft. Die um die 20-jährigen haben doch noch mal eine andere Work-Life-Balance. Da merke ich mit meinen 45 Jahren: Oh ja, stimmt! Ich kann ja auch einfach mal sagen, Samstag ist mein Handy aus. Was in meinem Fall wegen der Rufbereitschaft nicht geht, aber ich kann von ihnen schon nochmal viel lernen. Und ich muss auch sagen: Die älteren, festangestellten Kolleginnen – und mit älter meine ich jetzt, die in den nächsten fünf Jahren in Rente gehen – die können auch einfach nicht mehr. Der andauernde Schichtdienst ist extrem anstrengend.“

Hebamme Christiane Hammerl kurz nach einer Geburt. Foto: Ariane Anger

Hat dich der Job auch schon an den Rand deiner Kräfte gebracht?

„Ich sag es mal so: Selbst wenn ich im Lotto gewinnen würde – und ich spiele kein Lotto – dann würde ich trotzdem so weiterarbeiten, wie ich das jetzt mache, weil ich es total gern mache. Aber ich evaluiere für mich schon immer wieder neu: Wie viele Frauen pro Monat nehme ich an? Oder ich schränke meinen Kreis ein: Ich selbst wohne in Berlin-Pankow, bin in Friedrichshain in der Klinik und die Praxis ist in Mitte, und ich schaue, dass die Frauen, die ich annehme, in diesem Dreieck wohnen. Es war für mich wichtig, andere Bedingungen zu schaffen.“

In Folge 2 von „Push“ sagt die Ärztin zur Anwältin diesen Satz: „Der Spagat zwischen der bestmöglichen Behandlung und wirtschaftlichem Druck, der kann einen wahnsinnig machen.“ – Wie gehst du damit um?

„Wichtig ist mir zu sagen, dass es bei uns im Klinikum niemanden gibt, der bei der Besprechung am Morgen sagt: So, Leute, heute brauchen wir drei Kaiserschnitte, weil Geld, Geld, Geld. Gar nicht. Wir versuchen alles, was möglich ist, damit natürlich geboren werden kann. Das Problem ist, dass es zu wenig Hebammen gibt.

Bei mir ist es so: Ich zahle eine relativ hohe Haftpflichtversicherung, damit ich Geburtsbetreuungen anbieten kann. Dadurch, dass ich einige Wochen für die einzelnen Paare rufbereit bin, also drei Wochen vor dem Termin, fünf Wochen nach dem Termin, kann ich nicht einfach sagen: Ich fahre jetzt spontan nach Hamburg oder gehe am Samstagabend ins Theater und mach das Handy aus. Ich muss ununterbrochen rufbereit sein. Deswegen nehme ich eine höhere Summe Rufbereitschaftspauschale. Da erlebe ich einen Spagat, denn diese 1.200 Euro kann auch nicht jede*r einfach mal so stemmen. Zugleich möchte ich es am liebsten allen Familien ermöglichen, eine Beleghebamme zu haben.“

„Die angestellten Beleghebammen in den Kliniken müssen eine bessere Vergütung bekommen!“

Christiane Hammerl

Zu viel Arbeit, zu wenig Personal: Das Gesundheitssystem hat aktuell nicht den besten Ruf. Was muss sich aus deiner Perspektive dringend ändern?

„Was sich unbedingt ändern muss ist, dass die angestellten Hebammen in den Kliniken eine bessere Vergütung bekommen. Nur so kann man sie zurücklocken in die Klinik. Zum zweiten ist wichtig, dass es noch andere Arbeitszeitmodelle gibt. Dass es möglich ist zu sagen: Ich arbeite achtmal im Monat à zwölf Stunden, das kriege ich besser gestemmt als andauernd Nachtdienst zu machen. Das muss flexibler gehen.

Und auch die freiberuflichen Hebammen brauchen zeitgleich eine bessere Vergütung, was die Nachbetreuung, also die Wochenbettbetreuung angeht. Das ist bisher nur diese eine Pauschale von 38 Euro, egal, wie lang ich bei der Frau bin, ob zehn Minuten oder 1,5 Stunden, die ich bei der Frau sitze, weil sie mir von der traurigen Geburt erzählt oder weil es massive Stillprobleme gibt. Hier muss es einfach eine andere Vergütung geben.

Zur Erklärung: In der Schwangerschaft können wir die Frauen ja auch sehen, und da kann ich halbstündlich abrechnen. Wenn ich einen Termin habe für eine halbe Stunde, dann bekomme ich das Geld für die halbe Stunde. Und so müsste man das auch in der Wochenbettbetreuung abrechnen können, dadurch würde das Ganze für viele attraktiver werden.“

Lea (Malaya Stern Takeda, l.) und Mustafah (Eugene Boateng, r.) sind gerade Eltern geworden. Ihr Baby konnte ohne große Komplikationen durch eine vaginale Geburt zur Welt kommen – und das, obwohl Babys in Beckenendlage meist per Kaiserschnitt geholt werden. Foto: Richard Kranzin | ZDFneo

Unterschätzt die Politik die Notwendigkeit der emotionalen Versorgung der Frauen?

„Absolut. Es bräuchte viel mehr empathische Begleitung im Kreißsaal. Eine befreundete Oberärztin sagt zu mir: ,Christiane, du hast so eine gute Statistik. Du bist die ganze Zeit für deine Frauen da und das ist so wichtig.’ – Sie bezog sich darauf, dass ich relativ wenig sekundäre Kaierschnitte habe, die sich unter der Geburt ergeben. Ich glaube, manchmal braucht es gar nicht so sehr die Hebamme, die mit Räucherstäbchen herumwirbelt. Da zu sein für die Gebärenden – das ist wichtig. Der Frau immer wieder zu sagen, wo sie gerade steht. Denn natürlich: Wenn du die ganze Zeit allein mit deinem*r Partner*in im Kreißsaal bist – das ist einfach befremdlich, da verkrampfen viele.“

Es gibt rund um Geburten oft viele Stimmen, die mitreden. Die Frauenärztin, die Ärzt*innen im Krankenhaus, Partner*innen, Freund*innen. Wie ist es möglich, da bei sich zu bleiben und das Gefühl zum eigenen Körper nicht zu verlieren?

„Wichtig ist, dass die schwangere Person Vertrauen in sich und ihren Körper hat. Natürlich versuchen Schwangere gern, bei Instagram oder TikTok zu lesen und gewisse Ratschläge zu befolgen: Dann trinke ich diesen Tee, dann esse ich Leinsamen und sechs Datteln am Tag und dann wird alles gut! Das ist alles so sehr im Außen. Ich muss bei mir bleiben und die Frage beantworten: Was brauche ich? Bin ich bereit dazu oder habe ich eine Person dabei, eine Beleghebamme oder eine Doula, die mich bestärkt?

„Ich glaube, manchmal braucht es gar nicht so sehr die Hebamme, die mit Räucherstäbchen herumwirbelt. Da zu sein für die Gebärenden –das ist wichtig.“

Christiane Hammerl
Dr. Charlotte Mohn (Katia Fellin, r.) führt den Kaiserschnitt von Nalans Patientin durch. Nachdem das Fruchtwasser schon grün war, musste die Ärztin eine schnelle Entscheidung treffen. Foto: Richard Kranzin | ZDFneo

Das ganze Thema ist von Anfang an immer sehr auf Verbote ausgerichtet. Sobald man schwanger ist, heißt es: keine Salami mehr, keine rohen Eier, dies nicht, das nicht, und dann ist man verunsichert und fragt sich: Was darf ich denn überhaupt noch? Besser ist es, wenn man erst mal auf das Positive schaut. Was hilft mir? Das kann eine eiweißreichere Ernährung sein, mehr Pflanzen, Bohnen und Linsen. Ich glaube, es ist auch gut, wenn Schwangere Yoga oder Pilates machen oder Schwimmen gehen. Wenn sie etwas für sich selbst tun.“

Ich habe nach der Geburt meines ersten Kindes eher schlechte Erfahrungen gemacht. Als das Stillen nicht klappte, wurde mir gesagt, dass ich eventuell nicht genug Liebe für mein Kind empfinde.

„Es ist super wichtig, in solchen Situationen niemals in einen Vorwurf reinzugehen. In dem Moment muss man schauen: Was brauchst du? Was ist dir jetzt wichtig? Neulich sagte eine Frau, bei der das Stillen nicht sofort klappte: Ich glaube, meine Brustwarzen sind zu klein. In solchen Fällen sage ich immer: Dein Baby kennt nur deine Brüste, es kennt nur deine Brustwarzen. Das denkt sich jetzt nicht: Oh, Zimmernummer 7 ist nicht ganz so toll, ich würde lieber da drüben mal trinken. Es muss sich erst mal eingrooven. Und das braucht einfach Zeit und Geduld. Und ich glaube, Geduld ist etwas, was uns allen so ein bisschen fehlt.“

Von links: Anna (Anna Schudt), Nalan (Mariam Hage), Greta (Lydia Lehmann), Foto: Richard Kranzin | ZDFneo

Am Ende der letzten Folge gibt es diese schöne Szene in „Push“: Die drei Hebammen sitzen auf dem Dach der Klinik. Greta, die gerade eine Geburt begleitet hat, ist vollkommen fasziniert. Und dann fragt sie: „Wird das irgendwann normal?“ Anna und Nalan lächeln und schütteln den Kopf. Schließt du dich an?

„Ja, auf jeden Fall. Jede Geburt ist einzigartig und besonders. Klar, wenn um 3 Uhr nachts das Telefon klingelt, denk ich mir schon: Warum nicht um 7 Uhr… Aber wenn ich dann nach der Geburt Mutter und Kind auf die Wochenbettstation verlegt habe und im Anschluss etwas ganz Profanes machen muss – noch zum Supermarkt oder zum Bäcker – dann stehe ich so da und würde am liebsten laut ausrufen: ,Hey Leute, um 6.23 Uhr wurde die Barbara geboren und es war total schön und die Frau hat das toll gemacht.’ Dieses Gefühl geht gar nicht weg.“

Was wünschst du dir, wie „Push“ bei den Zuschauer*innen ankommt?

„Ich hoffe sehr, dass viele junge Frauen das sehen und sagen: Den Beruf der Hebamme kann ich mir auch für mich vorstellen. Außerdem würde ich mir wünschen, dass manche Frauen, die unterschiedliche Geburtserfahrungen gemacht haben, sich diese Serie anschauen und auch ein Stück weit Frieden damit finden. Und dass die Serie auch Personen, die demnächst in die Geburt gehen, auf ihrem Weg bestärkt.“

„Push“ bei ZDFneo

Ihr könnt „Push“ ab sofort in der ZDF Mediathek sehen – oder aber ab dem 10. März 2024, immer sonntags, in einer Doppelfolge bei ZDFneo.

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