Foto: Anna Scheffler

„Stress muss man aushalten können? Das sehe ich ganz anders!“

Wir alle sehnen uns nach einem stressfreien Alltag, in dem wir unsere Potentiale voll ausschöpfen und so unsere Leistungsfähigkeit steigern können – aber wie? Lisa Wennekes gibt Antworten.

Tschüss, Stress!

Das Thema Stress scheint allgegenwärtig. Und auch wenn die Grenze, an der das Maß endgültig voll ist, für jeden von uns sehr unterschiedlich sein kann, reden alle vor allem von einem: endlich weniger Stress zu haben. Aber wie soll das gehen?

Die Antwort auf die Frage und vor allem darauf, was hinter modernem Stress wirklich steht, weiß Lisa Wennekes. Sie berät Unternehmen und Organisationen mit deutsch-afrikanischen Businessprojekten in ihrer Kommunikation und Strategie und arbeitet parallel als Begleitende Kinesiologin und Bodyworks Coach. In Workshops und im Einzeltraining zeigt sie, wie wir unsere körpereigenen Mechanismen so einsetzen können, dass wir uns selbst aus der Stressfalle herausholen und unsere Potentiale nicht nur im Beruf, sondern auch im Alltag voll ausschöpfen können.

Im Interview hat sie mit uns darüber gesprochen, wie Stressabbau mit Bewegung zusammenhängt, ihr Kinesiologie-Übungen dabei helfen, das Stresslevel zu senken und wieso Frauen in der Wirtschaftsbranche stressanfälliger sind als Männer.

Alle reden über Stress. Was ist das wirklich und was geschieht dadurch in unserem Körper?

„Für mich ist dieser Stress, über den alle reden und der uns viele Probleme (sowohl körperlich, geistig als auch emotional) beschert, sehr eng mit dem heutigen ‚modernen Lifestyle’ und der ‚Knowledge Industrie’ verbunden. Denn diese haben über die letzten Jahrzehnte hinweg einen immer größeren Fokus auf unsere kognitiven Leistungen gelegt. Die Bewegung und unser Körper sind dabei immer weiter in den Hintergrund geraten. Das, was wir als Stress bezeichnen, ist in seinem Ursprung eigentlich eine natürliche Reaktion unseres Körpers. Dabei werden von unserem Körper intuitiv jahrtausendalte Mechanismen in Gang gesetzt, die unser Überleben sichern, wenn wir in gefährliche Situationen kommen wie damals beispielsweise die Flucht vor einem wilden Tier.

Um in einer solchen Situation zu überleben, muss unter anderem unsere gesamte Muskulatur angespannt werden und die Energie aus dem Vorderhirn, mit dem wir rational denken, hin zum Stammhirn gezogen werden, damit wir reflexartig reagieren können. Heutzutage bedeutet Überleben aber häufig etwas ganz anderes: Wenn wir vor unseren Kunden oder Arbeitgeber stehen und es darum geht, ob wir die Stelle oder das Projekt bekommen, das unser finanzielles Einkommen sichert, stehen wir uns selbst im Weg, wenn unser ganzer Körper angespannt ist. Es ist kontraproduktiv, wenn wir keinen klaren Gedanken fassen können, weil unsere gesamte Energie aus dem Vorderhirn ins Stammhirn gezogen wird. Letztlich kennt unser Körper eine solche Situation nicht und reagiert, als ob er etwas Lebensbedrohlichem gegenübersteht.

Erst wenn unser System die Bedrohung erfolgreich überstanden hat, kann unser Körper diese Mechanismen beenden – dies geschieht ganz zentral auch über Bewegung. Lockern wir unsere Muskeln, wird die Information an Körper und Gehirn gesendet, dass wir nun wieder in Sicherheit sind. Ein weiterer zentraler Mechanismus ist, dass wir uns ausruhen, um die großen Energieressourcen, die diese Reaktion von unserem Körper gefordert hat, wieder aufzufüllen. Der notwendigen Bewegung und Erholung räumen wir oft nicht genügend Platz ein. Folglich bleibt unser Körper häufig über Wochen, Monate und Jahre in einem Zustand, in dem die körperlichen Mechanismen so ablaufen, als würden wir noch immer in Lebensgefahr schweben, obwohl die eigentliche Gefahr schon längst vorbei ist.“

Woran erkenne ich, ob ich ‚einfach nur’ gestresst bin, oder schon unter einem Burnout leide?

„Ich spreche ungern von ‚einfach nur’ gestresst. Sobald wir wahrnehmen, dass wir gestresst sind – ob nun über sehr lange Zeiträume hinweg, phasenweise oder in bestimmten Situationen – sollten wir dies sehr ernst nehmen und genau hinschauen, was unser Körper braucht bzw. wie wir unser Leben organisieren können. In unserer Gesellschaft scheint es häufig erst dann gerechtfertigt zu sein eine Pause zu machen oder eine ausgeglichenere Lebensstruktur zu etablieren, wenn man ein Burnout hat. Die Vorstellung, dass man Stress bis zu einem bestimmten Level aushalten muss, vertrete ich nicht. Dieses ‚Aushalten’ ist für mich nur gerechtfertigt, wenn es wirklich um unser körperliches Überleben geht.“

Wie soll Kinesiologie da helfen? Was ist das eigentlich?

„Der Leiter eines Unternehmens, das wir vor kurzem darin beraten haben, wie die Kinesiologie für die Innovations- und Kreationsprozesse genutzt werden kann, sagte am Ende, dass Begleitende Kinesiologie nicht nur eine Methode, sondern vielmehr ein Lifestyle ist. Diese Tatsache ist sehr wichtig, denn häufig wird die Begleitende Kinesiologie (in der gecoacht wird) mit der therapeutischen oder medizinischen Kinesiologie verwechselt (in denen therapiert wird). Kinesiologie ist wörtlich die ‚Lehre der Bewegung’, wobei nicht nur die körperliche, sondern auch die innere, geistige Bewegung gemeint ist. Die Begleitende Kinesiologie ist darauf ausgerichtet, dass wir unseren Körper und unsere Stressreaktionen besser verstehen. Mit ihr lernen wir, unser (körpereigenes) Wissen wieder aktiv zu nutzen, um uns so über gezielte Bewegung ins Gleichgewicht zu bringen.

Durch gezielte Übungen können persönliche Stressmuster und (Denk-)Blockaden gelöst werden und so zum eigenen Gleichgewicht zurückgefunden werden. Die Bewegungsübungen, bei denen unser Körper aus der Anspannung in die Entspannung gebracht wird, sind einfach, kurz aber sehr effektiv und können sowohl im Arbeitsumfeld, als auch privat angewendet werden. So kann man sich auf Situationen, von denen wir wissen, dass sie stressig werden, auch auf körperlicher Ebene vorbereiten.“

Deine Mutter Renate Wennekes gilt als Kinesiologie-Pionierin, du bist von klein auf damit aufgewachsen. War dein Leben aus deiner Sicht entspannter als das deiner Freunde?

„Ha! Das ist eine gute Frage. Ich bin natürlich genau so häufig wie meine Schulfreunde, Kommilitonen und Kollegen in Situationen gekommen, in denen ich mit Stress reagiert habe. Denn Stress ist einfach menschlich. Ich hatte jedoch durch die Kinesiologie Vertrauen in mich und meinen Körper, dass es in Ordnung ist, Stress zu haben. Und ich hatte mit den Bewegungsübungen aus der Kinesiologie etwas an der Hand, mit dem ich mir von klein auf selber in vielen Stresssituationen helfen konnte.“

Inwiefern hilft die Kinesiologie dir persönlich dabei, dein Stresslevel zu senken?

„Die Bewegungsübungen der Kinesiologie sind speziell darauf ausgelegt, dass sie im modernen Alltag und Berufsleben durchgeführt werden können, um bestimmte Bereiche, die besonders gefordert sind, in Bewegung zu halten. Ich mache zum Beispiel viele Augenbewegungs-Übungen, wenn ich lange am Computerbildschirm arbeite um meine Augen zu entspannen oder mache kleine Übungen für meine Beine und Schultern, wenn ich lange sitze. Dadurch bleibe ich entspannter, kann den Überblick behalten, beiße mich nicht in Details fest und kann somit effektiver arbeiten.“

Auf deinem Blog fempreneurships.com bringst du deine Erfahrungen aus beiden Bereichen zusammen. Was macht feminines Business für dich so besonders?

„Der Blog ist für mich eine Art Forschungsreise was feminines Business bzw. feminine Wirtschaft bedeutet und wie dies praktisch aussehen kann. Besonders ist daran für mich, dass feminin nicht für Frauen steht, sondern für feminine Eigenschaften, die in Männern genau so zu finden sind wie in Frauen. Dabei ist feminines Business für mich grundsätzlich genauso besonders wie maskulines Business. Der Unterschied liegt aus meiner Sicht darin, dass feminines Business in unserer Wirtschaftsstruktur kaum gewertschätzt wird.

Wenn wir als Frauen in unserem Wirtschaftssystem Geld verdienen möchten, müssen wir dies zu einem großen Anteil mit unseren maskulinen Eigenschaften machen – als Business Shark. Denn Beiträge zur Gesellschaft, die wir mit unseren femininen Eigenschaften tätigen, werden oft als ‚Wohltätigkeitsverein’ abgeschrieben – sowohl von Männern als auch von uns Frauen selber. Da in uns Frauen die femininen Eigenschaften aber häufig einen größeren Anteil ausmachen, arbeiten wir, wenn es ums Geldverdienen geht, mit begrenzten Ressourcen. Weil wir nie unser gesamtes Potential einbringen können, müssen wir deshalb im Bereich der maskulinen Eigenschaften Überperformen, ‚um zu Überleben’ und mit den Männern mithalten zu können. Dies führt zu viel Stress und viel Anspannung, was viele Klientinnen zu mir führt. Auch hier nutze ich die Kinesiologie und Körperarbeit um meine Klientinnen und auch mich selber, immer wieder in die Entspannung zu bringen und zu schauen, was unser Körper eigentlich leisten kann, wo unsere Stärken liegen und wie wir mit diesen Stärken in der heutigen Zeit ‚wirtschaften’ können.“

Hinweis:

Die Begleitende Kinesiologie stellt keine Heilkunde dar und ist kein ausreichender Ersatz für medizinische oder psychotherapeutische Behandlungen. Sie ist als Gesundheits- und Lebensberatung zu verstehen und dient nicht der Behandlung und Heilung von Krankheiten.

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