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Wie das schlimmste Jahr meines Lebens zu meinem besten wurde

Meist sind es die schlechten Zeiten, die dich zu dem Menschen machen, der du bist. Dieser Text von Christina Wunder ist für alle, die manchmal denken es geht nicht mehr weiter. Denn es geht immer weiter. Und wie!

Dieser Moment, wenn alles zusammenbricht

Ich habe keine Ahnung, ob ich diesen Text jemals veröffentlichen werde. Vielleicht lieber nicht, weil er viel zu tief blicken lässt, weil er mich nackig macht, und verletzlich und verwundbar.

Vielleicht aber ja doch. Weil er Mut macht, weil er zeigt, dass es die härtesten und schlechtesten Zeiten sind, die einen am meisten weiterbringen und einen so sehr über sich hinauswachsen lassen, wie man es niemals für möglich gehalten hätte. Weil er zeigt, dass es immer weiter geht, auch wenn man denkt: das war’s jetzt. Das war’s – bis hierhin war ich immer so stark, aber jetzt kann ich keinen Schritt mehr tun, irgendwo ist halt eben auch mal Schluss.

Was mich antreibt, diesen Text trotzdem zu schreiben? Wahrscheinlich am ehesten die Tatsache, dass es endlich wieder bergauf geht. Ja, bergauf ist es zwar immer am anstrengendsten, aber dafür kommst du auch irgendwo da oben an und blickt zurück auf die abartige Steigung die du hinter dich gebracht hast; wie auf dem Sattel eines Fahrrads. Du trittst kraftvoll in die Pedale, mühst dich ab und schwitzt, aber das ist nicht schlimm, denn das Fahrrad bringt dich genau dort hin, wo du hin sollst: bergauf.

Na endlich, es darf auch mal wieder angenehm und schön sein, dieses Leben. Das Universum meint es gar nicht böse mit mir, es will doch eigentlich wirklich, wirklich von ganzem Herzen das Beste für mich. Ja, ich glaube es jetzt endlich auch. Ich habe verstanden.

Am Anfang sind da nur Schmerz und leere Worte

Anfang des Jahres war die kleine Welt, die ich mir mühsam zusammengehamstert habe, wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen. Die Eingeständnisse, die ich für ein gemeinsames Leben mit einer, wie ich dachte, verwandten Seele gemacht habe, wurden mir eiskalt und mit einer bis dato ungeahnten Brutalität zurück ins Gesicht geschmettert – und hinterließen mich mit Narben, die ich nicht zu flicken, und einem Schmerz, den ich weder zu lindern noch zu verbergen wusste.

Übersetzt heißt das, dass ich nach neun Jahren Beziehung, kurz vor einer bereits perfekt geplanten Hochzeit, und mit einem gemeinsam begonnenen Hausbau, sitzen gelassen wurde. Einfach so, von heute auf morgen und ohne Vorwarnung. Und das einzige, was sich noch wärmend auf meine Schultern legte – nein, sich nunmehr heiß und drückend immer enger um meinen Hals schloss – war die enorme Verantwortung, mit der ich nun alleingelassen dastand.

Und was bringen einem die vielen Worte der lieben Menschen, die es nur gut mit einem meinen, wenn sie sagen: du kommst da wieder raus, aus diesem Loch. Du wirst schon sehen, am Ende wird sich alles fügen. Du wirst glücklicher, stärker und besser sein, als noch vorher. Du wirst schon sehen.

Nichts bringen einem diese Worte. Rein. gar. nichts. Naja, bis…

Bis zu dem Tag, an dem sie sich bewahrheiten

Irgendwann, inmitten meines Schmerzes, habe ich trotzig beschlossen: dieser Kummer und diese Opferrolle – nein, das ist nichts für mich. Vielen Dank auch, aber ich nehme mein Leben jetzt wieder selbst in die Hand. Ich stehe auf, nehme die Hilfe an, die mir die liebenden Menschen um mich herum großzügig entgegenbringen, und hole mich da wieder raus. Mit aller Kraft.

Mit Hilfe meiner Freunde begrub ich meinen Schmerz in Liebe und Geborgenheit; mit Hilfe meines unglaublich loyalen Arbeitgebers holte ich mein benommenes Ich langsam in die Normalität zurück; und mit Hilfe meiner wundervollen Eltern baute ich dieses Mammutprojekt an Haus fertig, teilte es in verschiedene Parteien – und vermietete sie alle.

Strampeln ist anstrengend, aber es bringt dich bergauf

Anfang des Jahres war ich die Verlassene, heute bin ich – neben Vollzeitjob und Herzens-Blog, auch noch Bauherrin, Eigentümerin und Vermieterin. #LikeABoss ist gar kein Ausdruck für den Stolz, mit dem ich auf all das Geschaffte zurückblicke. Und all das, was noch vor mir liegt, erschreckt mich nicht mehr so sehr. Ich weiß nun, wozu ich fähig bin, wenn ich muss. Und wer die Menschen sind, die mir den Rücken stärken, wenn der Wind mir so unerbittlich entgegenbläst.

Ja, das Leben ist wie eine Fahrradfahrt. Wenn du bergauf willst, musst du strampeln und schwitzen. Aber im Umkehrschluss – und das ist doch das Tolle – heißt das nunmal auch: wenn du die Sache mit dem Strampeln richtig anstellst, geht es bergauf! Und am Ende stehst du da oben – mit feuchter Stirn, glühenden Wangen und stolzem Grinsen – und schaust auf das Tal herab, aus dem du dich gerade wie eine Löwin heraus gekämpft hast.

Die Leber wächst mit ihren Aufgaben

Es war der heftigste und langwierigste Stress meines gesamten bisherigen Lebens. Und auch wenn ich das, was mir widerfahren ist, niemandem wünsche, so bin ich doch dankbar dafür. Dankbar, dass es mich von dem Menschen gelöst hat, der doch so offensichtlich so schlecht für mich war, Dankbar, dass diese Zeit mich so wahnsinnig stark gemacht, so unglaublich viel weiter gebracht und so viel gelehrt hat.

Ich verhandle heute viel besser mit Auftragnehmern und Geschäftspartnern. Ich treffe heute mehr, weitreichendere und bessere Entscheidungen in kürzerer Zeit – weil ich muss. Ich lasse mich nicht aus der Fassung bringen, wenn scheinbar alles schief läuft, sondern bewahre stoische Ruhe; ich suche und finde Lösungen. Ich habe gelernt einzuschätzen, wem ich vertrauen, wen ich um Hilfe bitten und auf wen ich mich verlassen kann – und bei wem ich die Zügel lieber nicht aus der Hand gebe.

Ich habe gelernt, meinem Gegenüber freundlich, aber bestimmt zu vermitteln, dass ich zwar klein und jung aussehe, aber hier dennoch das Sagen habe. Ich scheue mich nicht, den Respekt einzufordern, den ich verdient habe.

Und was soll ich sagen – nahezu alle Kompetenzen, die ich in dieser harten Zeit erworben habe, schlagen sich auch positiv in meinem Berufsleben nieder.

Du hast es selbst in der Hand

Heute bin ich überzeugt: eine positive Einstellung und positive Gedanken ziehen positive Resultate an. Es wird alles ein bisschen besser, langsam aber sicher. Ich freue mich über die Hochs und bewerte die Tiefs nicht über, lasse mich von ihnen nicht allzu sehr aus der Bahn werfen. Ich marschiere weiter und lerne unterwegs, den Gegenwind als meinen treuen Begleiter anzunehmen. Und tatsächlich, ab und zu dreht sich der Wind und bläst mir kräftig in den Rücken, treibt mich an und unterstützt mich. Auf Regen folgt Sonne, das weiß ich heute.

Was als das schlimmste Jahr meines Lebens begann, ist heute, ein knappes halbes Jahr später, zu meinem bisher besten geworden.

Bis zu dem Tag sogar, an dem ich, komplett aus dem Blauen heraus, das Angebot für meinen absoluten Traumjob erhielt – und es annahm. Ich bin überzeugt: wie es ist, so soll es sein. Ich musste mich erst selbst vom Boden aufsammeln. Musste sehen, was ich alles schaffen kann, bevor ich den Neuanfang bekam, den ich so sehr brauchte:

Eine neue Stadt, eine neue Wohnung, ein neuer Job, eine neue Herausforderung.

Nächster Halt Brüssel also.

Ein Neuanfang in meiner neuen alten Lieblingsstadt.

Dieser Text von Christina Wunder ist zuerst auf Chapter One Mag erschienen. Wir freuen uns, dass wir ihn auch hier veröffentlichen dürfen.

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