Eine Studie nach der anderen beweist: Von wahrer Gleichberechtigung sind wir noch weit entfernt. Dennoch sind manche Menschen der Meinung, Feminismus sei unnötig. Wie soll man damit umgehen? Dieser Frage widmet sich Mirna Funk in ihrer Kolumne „Sag mal, Mirna“.
Ja, das mit der fehlenden Loyalität ist wirklich schade
Vor wenigen Wochen war ich zu einem Geschäftsessen mit einer sehr erfolgreichen Frau verabredet. Mitte 40, Mutter und verheiratet. Sie hatte sich hochgearbeitet, bis auf die C-Ebene, und war mittlerweile dort, wo viele Frauen gerne wären, auch wenn etliche Männer ihnen diese Ambitionen immer noch absprechen.
Wir machten ein bisschen Small-Talk, bestellten Getränke und das Essen, und als alles nach 15 Minuten auf dem Tisch stand, sagte sie zu mir: „Ich finde die Quote unnötig. Sexismus habe ich noch nie erlebt, sondern nur große Unterstützung von Männern erfahren. Das größte Problem sind die Frauen selbst. Sie stehen sich im Weg, sind illoyal und schaden sich gegenseitig.“ Ich starrte auf meinen Teller, rollte traurig die Pasta auf meine Gabel, verdrehte vor Erschöpfung die Augen, ohne dass sie es sehen konnte, und antwortete nur: „Ja, das mit der fehlenden Loyalität ist wirklich schade.“
Internalisierte Misogynie
Die Zeiten, in denen ich mich in einen direkten Schlagabtausch begeben habe, sind mittlerweile vorbei, auch wenn man das von mir anders erwarten würde. Längst habe ich verstanden, dass es hier um ihre persönliche Erfahrung geht. Wie könnte ich ihr diese absprechen? Wie könnte ich ihr während eines einstündigen Mittagessens verdeutlichen, dass sie die im System tief verankerte Misogynie längst verinnerlicht hat? Wie könnte ich ihr erklären, dass sie zu jener Frau geworden war, die sie so harsch kritisierte?
Wir leben in einer pluralistischen, transkulturellen Gesellschaft. Es gibt eine Vielzahl an Positionen, Meinungen, Perspektiven und Erfahrungen. Und das ist richtig so. Richtig ist auch, konträre Vorstellungen manchmal einfach stehen zu lassen, ohne den anderen belehren zu wollen. Und genau das tat ich an diesem Tag. Was ich aber auch tat, war, das gemeinsame Projekt, an dem wir miteinander hätten arbeiten sollen, noch am selben Abend abzusagen. Wissend darum, dass eine Zusammenarbeit mit einer Frau, die keine Notwendigkeit im Feminismus sieht, die die Quote ablehnt und selbst zu jener Illoyalität neigt, die sie kritisiert, für mich keine Zukunft hat.
Antifeminismus im Versteckten
Rückblickend hatte ich Glück. Ich hatte Glück, dass sie so offen war, dass sie keinen Hehl aus ihrem Antifeminismus machte und ich durch ihre Ehrlichkeit eine klare Entscheidung treffen konnte. Das passiert doch eher selten. Viel zu oft trifft man heute auf Männer und Frauen, die sich als modern, progressiv und offen verstehen, aber immer noch unbewusste Vorurteile in sich tragen, ohne diese jemals hinterfragt zu haben. Mit ihren internalisierten Rollenmustern bewegen sie sich im Alltag und Arbeitsleben, glauben aber fest daran, längst woanders zu sein. In der Zukunft nämlich. Dabei leben sie in der Vergangenheit.
Der Umgang mit ihnen ist Arbeit. Es ist Arbeit, keine Angst davor zu haben, als nervige Feministin verschrien zu werden, wenn du lediglich Ungerechtigkeiten aufzeigst. Es ist Arbeit, Männern immer wieder Mental Load und unbezahlte Care-Arbeit zu erklären. Es ist Arbeit, Frauen wirklich zu supporten und ihnen zu helfen, bis ganz nach oben zu kommen, obwohl ihnen Steine in den Weg gelegt werden. Es ist Arbeit, mit vermeintlich progressiven Männern zusammenzuarbeiten, die im Meeting völlig ungeniert auf deine Beine starren und dir keine drei Minuten zuhören können, ohne am Handy rumzuspielen. Es ist Arbeit, Männern ständig sagen zu müssen, dass sie dich nicht unterbrechen sollen. Es ist Arbeit, Frauen auszuhalten, die an den Lippen ihres Chefs kleben, aber dich keines Blickes würdigen, wenn du sprichst. Ich weiß. Aber wir müssen diese Arbeit machen, damit sich etwas verändert.
Mehr handeln
Wir können uns einfach von der Freundin lösen, die auf die Quote scheißt. Wir können uns für einen neuen Job bewerben, wenn der Chef ein Chauvinist ist und ihm das am letzten Tag einfach sagen. Wir können das Seminar wechseln, wenn der*die Professor*in irgendwas von fehlender Loyalität bei Frauen faselt, wir können Abstand zu unseren Familienmitgliedern suchen, wenn sie frauenverachtende Ansichten pflegen. Wir haben die Freiheit, zu gehen und uns mit jenen zu solidarisieren, die ihre internalisierte Misogynie hinterfragen und mit aller Kraft – vielleicht auch manchmal erfolglos – gegen sie ankämpfen.
Wie also mit Frauen, aber auch Männern umgehen, die sagen, Feminismus sei unnötig? Die von Kompetenz schwafeln, von bereinigten Pay Gaps, von der biologischen Ungerechtigkeit, dass Frauen Kinder kriegen können, von der Idiotie der Quote und der Absurdität von Sexismus: zuhören, durch Verhalten Position beziehen, gehen, ruhig widersprechen, Fakten aufzählen, aber nichts erwarten, sich mit anderen solidarisieren, traurig die Schultern heben und senken, und lächelnd verstehen, dass Fortschritt zwar seine Zeit braucht, er aber unaufhaltsam voranschreitet und jene verschlingen wird, die sich ihm widersetzen.