Leider kein Witz, manche Menschen nutzen den humorvollen Umgang unserer Autorin mit ihren Schwächen als Einladung, sie zu erniedrigen. Lachen als Geste der Demütigung? Was Humor über Machtverhältnisse sagen kann.
Sagen wir mal, wir treffen uns auf der Straße. Wir begrüßen uns mit Mindestabstand, winken dabei vielleicht und dann wird es still. Nur noch Straßengeräusche sind zu hören, Autos, die an uns vorbeiziehen. Wir beide sagen keinen Ton und starren uns eine halbe Minute an. Ist das unangenehm für dich zu lesen? Dann geht es dir wie mir.
Deswegen kommt es mit mir meist gar nicht erst zu so einer Stille. Konversationen übernehme ich oft in vorauseilendem Gehorsam. Ich plappere jetzt auch nicht, aber ziehe immer wieder Anknüpfungspunkte aus der viel zu kleinen Jeanstasche und halte sie meinem Gegenüber hin. Als würde ich das Spannungsfeld, in das ich mich begebe, schon telepathisch vorab erspüren, finde ich meist in Bruchteilen von Sekunden einen treffsicheren Anknüpfungspunkt: Einen Witz über mich selbst.
Witze für das Wohlgefühl der anderen
So ein Witz über mich kann im Prinzip alles sein: Meine Erscheinung, meine Gewohnheiten, meine Person. Komme ich zum Beispiel zu einem (virtuellen) Treffen mit Bekannten oder Arbeitskolleg*innen, erzähle ich vielleicht irgendetwas Lustiges in Bezug auf meine Frisur. So etwas wie: „Ich weiß, meine Haare sehen nicht so aus, als hätte ich viel Zeit aufgewendet, aber tatsächlich wäre ich deswegen fast zu spät gekommen.“
Oder ich erzähle, wie ich mich auf dem Weg zur Toilette mit dem Pulloverärmel in der Türklinke verfangen habe. Manche schmunzeln, einige erkennen sich in dem Witz vielleicht wieder, alle fühlen sich wohl. Glaube ich dann zumindest. Dass sich alle wohlfühlen, ist mir auch wichtig, denn aus irgendeinem Grund bin ich der Überzeugung, dass jeder Raum – auch ein virtueller – den ich betrete, in meiner Verantwortung liegt. Bloß niemanden unwohl fühlen lassen – und wenn ich mich dabei selbst mit einem Witze-Mobil über den Haufen fahren muss. Immerhin haben die anderen dann was zu gucken, während ich zerquetscht unter meinem eigenen Kalauer-Koloss liege. SOS, LOL.
„Aus irgendeinem Grund bin ich der Überzeugung, dass jeder Raum – auch ein virtueller – den ich betrete, in meiner Verantwortung liegt. Bloß niemanden unwohl fühlen lassen – und wenn ich mich dabei selbst mit einem Witze-Mobil über den Haufen fahren muss.“
Für meine selbst-entwertenden Witze habe ich keine singuläre Erklärung. Ich vermute, es ist ein Mosaik aus mehreren Absichten: Zum einen will ich mit meinem Witz sofort (vermeintliche) Defizite offenlegen. Im Sinne von: Lieber mache ich es, bevor es jemand anderes tut. Zum anderen stelle ich mit Witzen über mich hoffnungsvoll Nähe zum Gegenüber her. Natürlich will ich auch einfach gemocht werden. Bestimmt mache ich mich damit auch ein Stück weit klein, weil ich das als Frau so gelernt habe: Bloß nie zu viel Raum einnehmen.
Der Eisbrecher
Mit einem Witz über mich ducke ich mich erst mal, setze mich in die Ecke des Gesprächsraumes und halte die Hände in die Luft. Als würde ich sagen: „Ich komme in Frieden und mit Pointen in der Jeanstasche!“ Vor allem aber ist humorvoller Umgang mit mir und der Umwelt Teil meiner Persönlichkeit. Deswegen habe ich meine Witzeleien bisher auch nicht als Problem wahrgenommen. So war das eben: Ich kam irgendwo hin, machte einen Witz über mich, manche lachten, das Eis war gebrochen.
Warum jetzt also dieser Text? Weil ich durch meine Verhaltensweise eine Beobachtung gemacht habe: Einige Menschen scheinen meine Witzeleien nämlich als Einladung zu verstehen, sich ab da über mich lustig machen zu dürfen. Und so wurde öfter mal aus: „Ich finde dich lustig, Yasmin!“ schnell: „Du bist lächerlich.“
Okay, mit „Menschen“ meine ich primär Männer. Aber natürlich nicht alle. Ich meine die, von denen ich vermute, dass sie in irgendeiner Form Macht demonstrieren wollen. Denn wer über wen wann und wie lacht, sagt viel über den sozialen Kontext und die herrschenden Machtstrukturen aus. Über sich selbst zu lachen, ist empowernd, weil man sich über seine eigenen Begrenzungen erheben kann. Aber eben auch nur, wenn das Gegenüber das nicht als Gelegenheit nutzt, zu demütigen. Diese vermeintlich witzigen Demütigungsversuche sind für mich die Punchlines des Patriarchats. Und die hauen richtig rein und treffen oft unter der Gürtellinie.
Wer zuletzt lacht
Vor allem – in meinen Augen narzisstische – Männer nahmen mir schon öfter mein Witze-Narrativ aus der Hand und wollten mir damit eine überziehen. Mittels angeblicher Scherze versuchten sie, die jeweiligen Machtpositionen klarzumachen. Als würden sie damit fragen wollen: „Na? Wer lacht hier zuletzt?“
Kann man jetzt übertrieben finden oder ein zu großes Bild, das ich da aufmache. Aber patriarchale Strukturen kommen nicht nur in großen Kontexten, sondern auch in vielen kleinen, leisen Zwischentönen daher. Und diese Zwischentöne sind für mich in letzter Zeit immer lauter geworden.
Ich gebe hier mal ein Beispiel aus einer meiner vergangenen beruflichen Stationen. Ich war gerade neu angestellt und hatte von einem bestimmten Computer-Programm keine Ahnung. Also machte ich einen kurzen Witz über meine Ahnungslosigkeit, über den einige leicht schmunzelten. So weit, so normal. Dann sagte ein Kollege: „Aber du weißt schon, wie ein Computer überhaupt funktioniert, ja?“ und schnaufte verächtlich-lächelnd und schaute zu den Kolleg*innen. Dann fragte er, ob ich überhaupt richtig angestellt sei und was von meinem Beruf verstünde, so von wegen: Nicht, dass es da eine Verwechslung gäbe. Hehehe. Lustig! Nur: Ich fand das keinen Brüller, sondern habe mich kleingemacht gefühlt.
Eine Frage des Respekts
Kein Wunder: Der damalige Kollege wollte nicht mit mir lachen, er wollte sich über mich lustig machen. Und sich so über mich stellen. Wie dieser Kollege auf meinen Witz reagierte, offenbarte eine tieferliegende Ebene: Nämlich, dass er mich nicht respektierte. Und das äußerte sich in zahllosen anderen Verhaltensweisen. Immer wieder machte er abfällige Bemerkungen, suchte Konfrontation oder stellte sich quer.
Als ich mal einen Satz akustisch (!) von ihm nicht verstanden hatte, verschränkte er entsetzt die Arme vor der Brust und wollte sich partout nicht wiederholen. Das war überraschend für mich, da er sich sonst sehr gern reden hörte und Kolleg*innen ständig unterbrach. Meine damalige Chefin musste schließlich nach einigen Minuten Schweigen einschreiten und den Satz für mich wiederholen. Nach ein paar weiteren unangenehmen Situationen sagten mir Vorgesetzte, der Kollege müsse „bei Laune gehalten“ werden, ich solle seine Bemerkungen nicht persönlich nehmen, so sei er mit allen. Sein schlechtes Verhalten wurde also weiter gefördert, ich hingegen sollte mich und meine Grenzen unterordnen.
Dass sich einige Kolleg*innen und Vorgesetzte mit dem Verhalten dieses ehemaligen Kollegen abgefunden hatten, ist die eine Sache. Das kann jede*r für sich entscheiden. Aber ich habe seinen Umgang und vor allem den Umgang der Vorgesetzten damit sehr ernst genommen und dort nach wenigen Wochen wieder gekündigt. Das kann sich nicht jede*r leisten. Umso wichtiger ist es mir, diese vergangene Situation hier einmal sichtbar zu machen – wenn sie es schon nicht in meinem LinkedIn-Profil ist. Glücklicherweise arbeite ich jetzt mit sehr emphatischen, reflektierten und lustigen Menschen zusammen, wo so etwas nie vorkommen würde.
Stereotype statt Humor?
Ich bin sehr wahrscheinlich nicht die Einzige, der solche Situationen den letzten Nerv rauben. Mit scheinbar harmlosen, „witzigen“ Repliken auf meine Scherze werden schnell problematische Gesamtsituationen sichtbar. Wie und worüber du lachst, zeigt, wie du zu mir stehst, vermute ich.
Ich habe eine Expertin gefragt, ob ich mit dieser Vermutung recht haben könnte. Dr. Tabea Scheel ist Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Europa-Universität in Flensburg. Sie beschäftigt sich sehr viel mit der Rolle von Humor im Arbeitskontext.
Tabea Scheel schreibt mir: „Frauen haben eine Tendenz, Humor verbindend zu benutzen, Männer eher als Konkurrent. Daher tendieren Frauen eher zu selbstabwertendem Humor (über sich selbst lustig machen, damit andere mich mögen), Männer nutzen mehr aggressiven Humor als Frauen (Humor auf Kosten anderer, um sich selbst besser zu fühlen).“
„Frauen tendieren eher zu selbstabwertendem Humor (über sich selbst lustig machen, damit andere mich mögen), Männer nutzen mehr aggressiven Humor als Frauen (Humor auf Kosten anderer, um sich selbst besser zu fühlen).“
Tabea Scheel
Tabea Scheel meint, das an sich sei erstmal normal, wenn man so will: „Wenn Sie als Frau also Witze auf eigene Kosten machen (,stereotyp‘), reagiert der Mann stereotyp, indem er nochmal ,draufhaut‘. Fazit: Als Person mit niedrigerem Status (z.B. Frau) möglichst wenig selbstabwertenden Humor verwenden“, schreibt sie. Am Ende ihres Satzes steht ein Smiley.
Frauen mit Humor haben schlechtere Karrierechancen
Verdammt. Bin ich also selbst schuld? Aber gar keine Witze machen, um nicht stereotype, entwertende Reaktionen darauf hervorzurufen, würde mir auch schwerfallen. In solchen Momenten merke ich, wie es zu dem gesellschaftlichen Bild der ernsten, knallharten Karrierefrau kommen konnte. Bei Mitmenschen, die Scherze als Einladung zum Demütigen nehmen, gibt es einfach nichts zu lachen. Ernst genommen zu werden, ist da harte Arbeit.
Muss das denn so sein? Rein wissenschaftlich betrachtet offenbar schon. In einer Studie von 2019 haben Forscher der Universität in Arizona nämlich herausgefunden, dass Frauen mit Humor schlechtere Karrierechancen haben als Männer. Die Testpersonen bewerteten den Humor von Männern als fördernd und positiv, den von Frauen eher als störend. Tabea Scheel schreibt mir dazu, dass die Studie sehr gut gemacht sei und zeige, wie Rollenstereotype in der Arbeitswelt nach wie vor funktionieren.
„Während die Arbeitswelt für Männer als ,natürliches Habitat‘ betrachtet und Humor nur als Untermalung ihrer Selbstsicherheit und Kompetenz gewertet wird“, schreibt Tabea Scheel, „müssen Frauen sich – auch hierzulande – immer noch rechtfertigen, wenn sie Führungsansprüche geltend machen.“ Humor werde da als Unsicherheit interpretiert und untergrabe die Glaubwürdigkeit. Tabea Scheel wünscht sich persönlich „viel mehr Frauen in Führungspositionen und das möglichst humorvoll.“
Das fände ich auch gut. Aber ich höre einige beim Lesen dieses Textes schon empört fragen: „Ja, wie soll man denn darauf reagieren? Worauf soll ich denn noch alles achten? Du fängst doch mit den Witzen über dich an, Yasmin! Dann darf ich das doch auch!“
Schwächen offenlegen
Klar. Die Frage ist nur: Warum willst du das? Wenn ich über meine Frisur lache, wirkt das doch ganz anders, als wenn du das machst. Welche Absicht hast du? Willst du mit mir lachen oder schwingst du die stachelige Witzekeule, um mich mit einer patriarchalen Punchline zu erschlagen? Wie reagierst du auf vermeintliche Schwächen, die ich durch meine Scherze offenlege?
Zwischenmenschlicher Humor braucht – wie alle sozialen Interaktionen – Feingefühl, Reflexion und auch Grenzen. Klar können diese Grenzen auch unabsichtlich überschritten werden, bestimmt habe auch ich schon mal einen unsensiblen Witz gemacht, der mir heute leidtun würde. Darum geht es mir hier nicht. Es geht mir um die Intention einer Interaktion. Mitlachen: Muss sein. Auslachen: Lass sein.
Miteinander lachen
Ich möchte auch nicht, dass wir unnatürlich miteinander umgehen oder sich jetzt Menschen ständig fragen, ob sie einen Witz bei mir machen können. Natürlich könnt ihr Witze machen! Ich fange sogar an! Aber lustig und lächerlich sind nicht dasselbe. Ich bin (manchmal) witzig – aber keine Witzfigur. Dass ich humorvoll mit mir und meinen Schwächen umgehe, ist kein Grund, mich schwach fühlen zu lassen. Ich glaube an eine Gesellschaft, die empathisch auf Zwischentöne achtet. Sich ernst nimmt, wo es sein muss und miteinander lacht, wo es geht.
„Dass ich humorvoll mit mir und meinen Schwächen umgehe, ist kein Grund, mich schwach fühlen zu lassen.“
Und jeder Mensch, der mit mir lacht, statt auf eine Gelegenheit wartet, mich klein zu machen, hat einen Platz in meinem Herzen sicher. Endlich kann ich mal den Humoristen Loriot zitieren in einem Text. In einer Szene seines Films „Pappa Ante Portas“ sagt der Schauspieler Hans Peter Korff nämlich: „Über das Missgeschick eines Menschen spottet man nicht! Aber wenn es einen Anlass zum Scherzen gibt, schmunzle ich gern einmal!“
„Ich glaube an eine Gesellschaft, die empathisch auch auf Zwischentöne achtet. Sich ernst nimmt, wo es sein muss und miteinander lacht, wo es geht.“
Was ist dein Anlass?