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„Eine Trennung muss vorbereitet werden, damit sie gut verläuft und es keine Verlierer*innen gibt“

Eine Trennung ist meist schmerzhaft – aber sie muss nicht respektlos verlaufen. Wie man das als Paar vermeidet, auch wenn die Gefühle überkochen, darüber hat die Paartherapeutin Nadja von Saldern ein Buch geschrieben. Wir haben mit ihr gesprochen.

Wie geht’s weiter, wenn es vorbei ist?

Eine Beziehung bedeutet immer viel Arbeit – aber auch wenn man dafür bereit ist, bedeutet das nicht, dass es nicht doch irgendwann zu einer Trennung kommt. Und die ist sicherlich immer eine schmerzhafte Erfahrung, weil sie mit dem Verlust eines (einst) geliebten Menschen einhergeht. Aber eines muss sie nicht sein: schmutzig und boshaft.

Wie eine respektvolle Trennung gelingen kann, welche Phasen jede Beziehung durchläuft und was man tun kann, wenn die Verletzungen doch übermächtig zu werden scheinen und die Masse an negativen Gefühlen sich den Weg nach außen bahnen, darüber haben wir mit der Paatherapeutin Nadja von Saldern gesprochen, die mit „Glücklich getrennt“ ein Buch über den achtsamen Umgang miteinander nach dem Ende einer Beziehung geschrieben hat.

Frau von Saldern, bevor sie Paartherapeutin und Mediatorin wurden, haben sie als Rechtsanwältin gearbeitet. Wie kam es dazu? War die Idee, lieber mit Menschen an ihren Problemen zu arbeiten, bevor es zu Anwält*innen geht? Also: Wenn noch etwas zu retten ist?

„Anwält*innen vertreten eine Partei. Meine Persönlichkeit passt dazu nicht. Ich bin ein vermittelnder Mensch und habe gerne psychologisch alle im Blick. Daher passt Mediation und Paartherapie viel besser zu mir. Anwält*innen sind natürlich enorm wichtig in unserer Gesellschaft, aber in Familiensachen habe ich zu oft erlebt, wie das anwaltliche Vorgehen zu enorm viel Streit und Eskalation führt, mit schlimmen langfristigen Folgen für den Geldbeutel und die Seelen der Familienmitglieder.“

Die Generation Y wird immer wieder als beziehungsunfähig beschrieben. Wie beobachten Sie das in ihrem Berufsalltag: Halten die Paare wirklich immer kürzer an einer Beziehung fest?

„Natürlich gibt es immer wieder Menschen, die ein Konsumverhalten auch in der Partner*innenschaft an den Tag legen und wie ein*e Verbraucher*in auch Partner*innen verbrauchen. Durch Tinder und Co. tauschen sie sehr schnell die fehlerhafte Ware aus. Sie sind so mit ihrem Leben beschäftigt, dass sie wenig in Beziehung investieren. Es gibt aber auch sehr, sehr viele Menschen, denen eine Beziehung extrem wichtig ist und die verstehen, was es für ein Glück ist, einen tollen Menschen gefunden zu haben. Sie tun sich mit einer Trennung sehr schwer und versuchen alles, um das zu verhindern. Nur leider beginnen sie mit der Investition in die Paarbeziehung oft zu spät.“

Sie schreiben in ihrem Buch: Das Gelingen oder Scheitern einer Beziehung folgt nach Mustern, die man gut benennen kann. Ist es wirklich so einfach?

„Es gibt meiner Ansicht nach fünf Phasen in einer Beziehung. Jede Phase hat ihre schönen Seiten und ihre Tücken. Wir müssen bereit sein, eine Phase loszulassen und in die nächste zu gehen. Zum Beispiel wird der Moment kommen, an dem wir die rosarote Brille absetzen und den*die Partner*in mit seinen*ihren unattraktiveren Seiten sehen. Für alle Phasen muss man Beziehungskompetenzen mitbringen, um sie zu schaffen. Daran fehlt es oft und es wird lieber in die Familie und den Job als in die Paarbeziehung investiert.“

Wenn es feste Muster gibt, über die man sich Wissen anlernen könnte  – warum sucht man sich dann manchmal eben doch den*die falsche Partner*in aus? Weil wir unsere Bedürfnisse und Wünsche doch nicht so gut kennen, wie wir manchmal denken? Oder weil wir in der Liebe besonders viele „blinde Flecken“ in Bezug auf uns und andere haben?

„Wir verlassen uns bei der Partner*innenwahl auf unser Bauchgefühl. Leider können wir uns aber in jemanden unsterblich verlieben, der*die für uns genau der*die Falsche ist. Wir müssen den Kopf mit dabeihaben, wenn wir uns auf eine so wichtige Entscheidung einlassen. Sie gehen auch keine berufliche Partner*innenschaft ein ohne eine hinreichende Prüfung. Dennoch braucht es auch viel Glück in einer langen Partner*innenschaft. Die blinden Flecken können wir nicht vermeiden. Aber wenn wir sie als Chance sehen, um bewusster zu werden und uns weiter zu entwickeln, dann sind blinde Flecken etwas Gutes. Den*die perfekte*n Partner*in gibt es ja eh nicht, nur den*die passende*n, mit dem*der man gemeinsam als Team zusammen einen langen schönen Weg geht.“

Welche Rolle spielen Kindheitserfahrungen beim Thema Beziehung oder auch beim Scheitern der Beziehung? Haben wir überhaupt eine Chance, den Prägungen der Kindheit zu entkommen beziehungsweise frei davon zu handeln?

„Kindheitserfahrungen spielen eine ganz große Rolle. Das, was wir gelernt und erfahren haben, bringen wir eins zu eins mit in unsere eigenen Beziehungen. Zum Beispiel wird ein verwöhntes Einzelkind die Beziehung herausfordern, weil es sich in der Paarbeziehung bedienen lässt. Dann muss der*die Partner*in vielleicht eine erziehende Rolle übernehmen und so beginnt gleich ein destruktives Muster. Das gleiche gilt auch für die tiefer einwirkenden psychischen Belastungen, wie nicht geliebt worden zu sein oder Missbrauchserfahrungen. Die Partner*innenschaft kann mir hier nur eingeschränkt helfen, sie kann nur die Muster aufzeigen. Heilen muss das jede*r für sich selbst. Wenn ich das aber weiß und bewusst damit umgehe, kann ich gegensteuern. Ich glaube daran, dass wir uns selbst bis ins hohe Alter ändern und erziehen können. Nur wir müssen es selbst machen. Der*die Partner*in kann da nur sehr eingeschränkt einwirken.“

Was ist eigentlich der häufigere Trennungsgrund? Ein handfester Streitpunkt beziehungsweise konkrete Probleme oder aber die Situation, in der man sagt: Wir haben uns einfach auseinandergelebt?

„Beides sind Symptome für die Trennung. Der Virus steckt tiefer und hat eine lange Geschichte. Oft ist ein gefestigter Streitpunkt ein Anfang der Trennung, weil man das Teamgefühl verliert. Es wird zum Gegeneinander und nicht ein Miteinander. Wenn ein Paar sich auseinandergelebt hat, dann sieht es leider sehr düster für den Fortbestand der Beziehung aus.“

Eine Trennung fühlt sich oft sehr schmerzhaft an und es gibt sicher kein Patent-Rezept, um über den Verlust hinweggetröstet zu werden. Aber in Ihrem Buch geht es vor allem auch darum, wie man es schaffen kann, während und nach der Trennung respektvoll miteinander umzugehen. Was ist dafür denn der erste Schritt?

„Der erste Schritt besteht in der Herausforderung, die Trennung gut hinzubekommen. Wenn das in Würde und mit Respekt gelingt, das Paar also alles gut auseinanderdividieren kann, dann ist der Weg frei für eine konstruktive Verarbeitung der Trennung und den Blick nach vorne. Der Titel des Buches könnte daher heißen: Trennung geglückt.“

Im Moment oder auch der Phase einer Trennung sind Gefühle akut und ist man ja auch viel mit sich selbst beschäftigt – wie schafft man es trotzdem, bereits in der frühen Phase einer Trennung an ein gegenseitiges Verzeihen denken zu können, ohne sich selbst und die eigenen Gefühle zurückzustellen?

„Das ist eine sehr gute Frage. Das, was mir im Leben passiert, hat mit mir zu tun! Ich muss es verarbeiten. So wie auch bei dem Tod eines nahen Verwandten. Wut, Trauer und Ärger sind normal und ganz wichtig für die Verarbeitung. Aber man muss sich leider zurückhalten und darf diese Gefühle nicht destruktiv auf den*die Auslöser*in der Gefühle werfen. Es hilft auch zu wissen, was für Eskalationsstufen es gibt, und was man tun kann, um positiv gegenzusteuern. Ein kleiner Tipp: Die Wut in Gedanken mal so richtig rauszulassen, ohne dass der*die andere es merkt. Das kann Wunder wirken.“

Sie schreiben auch darüber, warum Eltern nach einer Trennung oft denken, sie hätten die Bedürfnisse ihrer Kinder im Blick, aber häufig vor allem ihre eigenen Gefühle/Gedanken auf die Kinder projizieren. Können Sie ein Beispiel dafür geben?

„Da gibt es sehr viele Beispiele. Etwa wenn die Mutter sagt: ,Unsere Tochter will nicht bei dir schlafen. Sie fühlt sich bei dir nicht wohl. Du schaust zu viel ins Handy, wenn sie bei dir ist.‘ Damit sagt die Mutter, was sie selbst gestört hat. Oder der Vater sagt: ,Unser Sohn mag deine*n neue*n Partner*in überhaupt nicht. Er will nicht, dass er*sie bei dir ist, wenn er da ist. Er spürt genau, was für ein schlimmer Mensch das ist.‘ So kann der Vater seine Wut auf die neue Beziehung ausdrücken. Er macht dem Kind dadurch aber seine neue Welt bei der Mutter kaputt.“

Den klassischen Rosenkrieg will ja eigentlich kein getrenntes Paar – denn das ist vor enorm anstrengend und häufig noch verletzender als die Trennung selbst. Und doch bahnt sich der eben in vielen Fällen an. Warum? Weil wir versuchen, irgendwie die Verantwortung für ein Beziehungsende von uns zu schieben? Oder sind es Rachegedanken? Welcher Teil in uns springt da an?

„Sie haben Recht, keiner will den Rosenkrieg. Einen großen Beitrag hat die anwaltliche Vertretung einer Partei. Man rutscht dann unmerklich in den Krieg. Zudem ist es sehr schwierig, sich seine eigenen Anteile anzusehen. Dann schaut man lieber auf den anderen. So kann man von sich ablenken. Ein ganz menschlicher Mechanismus, der hier aber zu langfristigen Schmerzen führen kann. Zudem werden ja die Probleme, die das Paar hat, durch die Trennung noch verstärkt. Das heißt sie arbeiten sich hier weiter an den ungelösten Themen ab. Das kann sehr schnell zu Streit führen.“

Sie geben auch Tipps dafür, wie man den Wunsch einer Trennung anspricht – sowohl beim Partner/der Partnerin als auch gegenüber Kindern. Was ist denn dabei das Wichtigste – und was wirklich ungünstig? Die berüchtigte SMS?

„Meiner Meinung nach gehört zu einer gut verlaufenden Trennung unbedingt eine gut vorbereitete Trennung. Gehe ich einfach weg, ohne den*die andere*n im Boot zu haben, lasse ich eine*n Verlierer*in übrig, der*die nach Ausgleich strebt und dann in den Kampf geht. Also frühzeitig über die eigenen Gedanken und Gefühle sprechen. Worauf wir vorbereitet sind, können wir leichter schaffen.“

Nadja von Saldern: „Glücklich getrennt: Wie wir achtsam miteinander umgehen, wenn die Liebe endet“, Ullstein Verlag, Dezember 2018, 256 Seiten, 15 Euro.

 

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