eine Frau in einem gelben Pullover sieht geekelt aus
Pexels | Andrea Piacquadio

Alles nur Knopfsache? – Mein Leben mit Koumpounophobie

Ängste gibt es viele: Die Angst vor Spinnen, vor Clowns oder vor dem 5-Meter-Brett. Unsere Autorin Amal Schütz hat Angst vor Knöpfen. Wie sie sich ihrer Phobie im Alltag stellt, was das mit ihren Beziehungen macht und wieso sie dem Ganzen mit Humor begegnen kann, erfahrt ihr hier. 

Hiermit spreche ich eine Trigger-Warnung für andere Koumpounophobiker aus, die sich schon von dem Wort getriggert fühlen, denn es wird in diesem Text noch oft vorkommen.

Bei der sogenannten Koumpounophobie, also der Angst vor Knöpfen, handelt es sich nicht nur um eine sehr seltene Phobie, sondern auch um eine Phobie vor etwas, das sich in unserer Gesellschaft kaum umgehen lässt. Betroffene empfinden dabei meist Unbehagen und Ekel beim Anblick von Knöpfen. Die kleinen löchrigen Dinger sind einfach überall: an Hosen, Shirts, Jacken, Taschen oder Arbeitsuniformen. Knöpfe halten buchstäblich unsere Gesellschaft zusammen. Da frage ich mich natürlich: Kann das nicht auch ein Reißverschluss tun? 

Die Phobie kann sogar Übelkeit oder zwanghaftes Waschen nach einem Hautkontakt zur Folge haben. Den genauen Ursprung kenne ich, wie viele andere Betroffene, nicht. Oft wird vermutet, dass eine dramatische Erfahrung wie das Verschlucken eines Knopfes dahinter steckt. Aber wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Tausende Kleinkinder zufällig Knöpfe schlucken und sich danach vor Polohemden ekeln?

Dass etwas nicht stimmte, merkte zunächst gar nicht ich selbst, sondern meine Eltern. Wann immer ich als Kind etwas mit Knöpfen tragen sollte, bekam ich einen Ausraster. Als ich schließlich in der Lage war, meine eigenen Wünsche und Anmerkungen zu äußern, nahm ich meine Mutter beiseite und erklärte ihr, dass ich sie sehr lieb habe, aber die Hütte abreiße, wenn ich noch ein einziges Mal ein kleines rosa Polo mit Blümchenknöpfen tragen muss. 

Sozialleben mit der Angst vor Polohemden

Ich sage Freund*innen und Bekannten in der Regel nichts von meiner Phobie, weil ich Angst habe, sie könnten denken, dass ich sie eklig finde, wenn sie etwas mit Knöpfen tragen. Dabei muss man sich gar nicht schlecht fühlen, wenn man unwissentlich eine Phobie triggert, die klingt, als hätte ich sie mir gerade spontan ausgedacht. 

Meine Verlobte ist glücklicherweise sehr unterstützend. Im Gegensatz zu mir scheint es ihr überhaupt nicht unangenehm zu sein, andere mit meiner Phobie zu konfrontieren. Letztens waren wir bei unseren Nachbar*innen zum Essen eingeladen. Ich war an diesem Tag noch bei der Arbeit, als sie unseren Nachbarn zufällig im Flur traf – IM POLOHEMD! Der kleine Smalltalk auf dem Hausflur endet mit einem freudigen „Bis später!“ und dem liebevoll abwertenden Hinweis: „Aber zieh bitte was anderes an, Amal wird schlecht, wenn sie DAS sieht!“. 

Für unseren Nachbarn war es anscheinend völlig okay, sich umziehen, es war gar nicht nötig zu erklären, dass ich nicht Meryl Streep in „Der Teufel Trägt Prada“ bin, sondern eine tatsächliche Phobie habe, die es mir unmöglich macht, beim Anblick seines Outfits in Frieden zu essen. 

Meine Verlobte rettet mich oft auf diese Weise. Manchmal erzählt sie es mir nicht einmal, so normal ist es für sie geworden, Fashion Police zu spielen. Aber bis wir uns blind verstanden, gab es auch einige Hürden zu überwinden. Zusammenziehen war eine davon: 

Als ich damals eine ihrer Kisten mit der Aufschrift „Shirts“ öffnete, traf es mich völlig unvorbereitet, ein schwarzweißes Polo. Es lag einfach da und grinste mich an: blanker Hohn. Zum Glück realisierte sie schnell, was los war und ließ es verschwinden – im Altkleidercontainer. Der Schreck sitzt mir bis heute in den Knochen. Mittlerweile hasst sie Knöpfe allerdings genauso sehr wie ich. Sie sagt immer: „Dein Feind ist auch mein Feind.“ DAS ist wahre Liebe

Was mich vor dem totalen sozialen Abstieg bewahrt, ist mein Frontallappen, weil dort das logische Denken entsteht.“

Meint sie das ernst? Was genau ist denn so schlimm an Knöpfen? Gibt es das wirklich? – Ich kann gut verstehen, wenn sich diese Fragen beim Lesen einstellen. Ich bin aber nicht die einzige, die diese Meinung über Knöpfe teilt. Mein wohl bekanntester Leidensgenosse war Apple-Gründer Steve Jobs, was vielleicht auch seine Leidenschaft für Rollkragenpullover erklärt…
Um ein besseres Verständnis für mein persönliches Ekel-Ranking zu bekommen, habe ich hier die Mild-To-Worst Kleidungsstücke mit Knöpfen aufgelistet! Durch meine Recherche in Foren und Communitys konnte ich feststellen, dass sich meine Eindrücke mit denen der meisten Knopf-Phobiker*innen decken. 

5. Ganz hinten auf der Liste befinden sich Kleidungsstücke wie Hosen, Jeans, Mäntel und Jacken. Die sind okay, ich benutze sie auch selbst, denn sie sind kein Phobie-Trigger für mich. Das hat einerseits den Grund, dass die Knöpfe an Jeans oder Hosen oft keine typische Knopfform haben, andererseits daran, dass das Kleidungsstück ohne sie nicht funktionieren würde. So lässt sich ein Mantel oder eine Jacke zum Beispiel vollständig öffnen oder schließen, was für mich die Nutzung von Knöpfen legitimiert. Was mich vor dem totalen sozialen Abstieg bewahrt, ist also mein Frontallappen, weil dort das logische Denken entsteht. 

4. Etwas weniger legitim sind Hemden. Da greift zwar das gleiche Prinzip wie bei den Jacken, allerdings ist der Stoff dünner, was meine Phobie aus mir unerklärlichen Gründen stärker triggert. Aber auch damit konnte ich im Laufe der Zeit lernen umzugehen. Sonst hätte ich mich von Gala-Abenden, Abschlussbällen oder Hochzeiten für immer verabschieden müssen. 

3. Auf Platz 3 und damit im Rennen um den Bronze-Ekel-Preis sind Polopullover. Mal ehrlich: Warum gibt es so etwas überhaupt? War den ominösen Designern ein einfacher Pulli nicht aufregend genug? Mussten sie ihm ihre persönliche Geschmacksverirrung aufdrücken? 

2. Silber geht an: POLOHEMDEN! Auf dem zweiten Platz sind Polos angesiedelt, weil sie alles vereinen, was mich triggert: unnötige Knöpfe, Jersey, Krägen, bunte Farben ohne System und die typischen Golfer-Jungs, die sie tragen würden. Gäbe es bei EDITION F ein Arbeits-Polo, hätte dieser Artikel wohl nie das Licht der Welt erblickt – Danke an dieser Stelle auch an unser Merch-Team, für die knopfphobiker*innenfreundlichen Shirts.

1. Die Spitze des Eisbergs der triggernden Kleidungsstücke sind unnötige Sachen mit Knopf-Leisten. Hier versammeln  sich die Stoffe, aus denen meine persönlichen Albträume gemacht sind. Beispielsweise ein Shirt, mit durchschnittlichem Halsausschnitt, wo jeder Kopf problemlos durchkommt, aber irgendein „Designer“ sich dachte: Da fehlt ein bisschen Pepp!. Vermutlich gibt es diese Phobie seit genau diesem verhängnisvollen Augenblick in der Modegeschichte, als man sich dachte, dass die Dinger nicht nur praktisch, sondern auch noch total dekorativ sein könnten. Ein dunkler, dunkler Tag für alle Knopfphobiker*innen. Ich spreche hier nicht von Babypullis mit Druckknöpfen, ich spreche von einem schieren Hemdchen, das man nicht öffnen muss, um hineinzuschlüpfen – also die Lieblingsshirts meiner Mutter und meiner Schwester in den 00er-Jahren. Falls ihr kein Bild vor Augen habt, diese Shirts nennen sich „Serafino“ oder auch „Henley Shirt“. Ich habe meine Verlobte diese Begriffe googeln lassen, denn stellt euch vor, mein Handy hätte diese Google Suche zum Anlass genommen, mir ähnliche Anzeigen, basierend auf meinen Interessen, unterzujubeln – der Horror! 

Ich hoffe, es lesen viele meiner Freund*innen und Bekannten diesen Artikel und können dann besser verstehen, wie es mir und anderen Betroffenen geht. Und trotzdem bitte ich euch: Triggert mich! Solange ihr euch in euren Klamotten wohlfühlt. Denn das ist ja wohl die Hauptsache.  

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