Fotos: siehe Artikel

„Ein bisschen mehr Gelassenheit und weniger Selbstoptimierung tun uns gut“

Wie organisieren Menschen eigentlich ihre Arbeit? Wir haben vier Personen gefragt und spannende Antworten sowie Schreibtisch-Fotos zurückbekommen.

Hier geht’s zum zweiten Teil der Interviews.

Mit der Corona-Pandemie sind viele Menschen plötzlich ins Homeoffice gewechselt – seien es Arbeitnehmer*innen, deren Arbeitgeber*innen das Homeoffice vorher nicht ermöglicht hatten, Studierende, die nicht mehr in der Bibliothek arbeiten konnten oder freiberufliche Menschen, die vielleicht vorher in Co-Working-Räumen oder Cafés saßen.

Wie behalten Menschen in dieser Situation einen Überblick über ihre Aufgaben? Und wie stellen sie sicher, dass die Arbeit nicht ihr ganzes Leben einnimmt? Wir haben nachgefragt: bei der Journalistin Anna Dushime, bei Max Weiland und Cora Hamilton, den Gründer*innen der Talentagentur „wir sind uns*“ und bei der Autorin Asal Dardan.

Anna Dushime

Die Journalistin Anna Dushime arbeitet als Redaktionsleiterin für die Funk-Formate „Browser Ballett“ und „Aurel Original“ sowie als Kolumnistin für die „taz“. Im Podcast „Hart unfair“ spricht sie mit Ari Christmann und Yelda Türkmen über Popkultur und Politik und in „1000 erste Dates“ unterhält sie sich mit ihren Gäst*innen über abenteuerliche Verabredungen, große Gefühle und intime Begegnungen. 

Foto: Pako Quijada

Was liegt auf deinem Schreibtisch?

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„Mein Laptop, eine Anti-Tabak-Duftkerze, ein Aschenbecher, eine Vase mit Blumen, ein Notizblock, Taschentücher und Briefe, die ich dringend öffnen und sortieren sollte.“ 

Wie organisierst du dich selbst?

„Meine Termine organisieren mich. Ich hab nach 32 Jahren noch immer keine Ahnung, wie ich mich organisieren soll. Ich stehe auf und schaue in meinen Terminkalender und mache die Dinge, die anstehen.“

Führst du einen Kalender und wie sieht er aus? 

„Ich habe meinen privaten und professionellen Google-Kalender zusammengelegt. Die bunten Farben stressen mich manchmal zwar, aber das ist immer noch besser als der Stress eines vergessenen Termins.“

„Ich versuche einfach meine Dinge abzuarbeiten und nett zu mir selbst zu sein. Es ist immer noch eine Pandemie und wir haben genug Herausforderungen. Ein bisschen mehr Gelassenheit und weniger Selbstoptimierung tun uns gut.“

Anna Dushime

Hat Corona verändert, wie du dich selbst organisierst?

„Nicht wirklich. Ich war schon vorher eher der etwas chaotischere Typ und das hat sich mit Corona nicht verändert. Dazu kam jetzt, dass ich schlechter abschalten kann und ständig am Handy bin. Also keine sonderlich positiven Entwicklungen.“

Kannst du einen Tipp geben, damit die Selbstorganisation auch im Homeoffice klappt?

„Ich bin wirklich in keiner Position, um Tipps zur besseren Selbstorganisation zu geben. Ich führe neben meinem Terminkalender auch eine To-do-Liste – ganz oldschool auf einem Block. Ich versuche einfach meine Dinge abzuarbeiten und nett zu mir selbst zu sein. Es ist immer noch eine Pandemie und wir haben genug Herausforderungen. Ein bisschen mehr Gelassenheit und weniger Selbstoptimierung tun uns gut.“

Max Weiland und Cora Hamilton

Max Weiland und Cora Hamilton haben gemeinsam die LGBTQIA+-Talentagentur „Wir sind uns*“ gegründet. Cora ist Fotograf*in und Tätowierer*in, Max hat früher im Bereich Kunst und Performance gearbeitet. Die beiden setzen sich dafür ein, dass Menschen mit diversen Körpern, Personen, die keinen binären Geschlechter-Stereotypen entsprechen sowie Schwarze Personen, Indigene Menschen und Personen of Colour mehr Repräsentation in den Medien und der Modewelt finden.

Cora (links) und Max. Foto: Cora Hamilton

Was liegt auf euren Schreibtischen?

Cora: „Wir beide haben eigentlich immer etwas zu schreiben, ein Notizbuch, unser Handy und einen Kalender. Wir versuchen es uns dann noch schön zu machen mit ein paar Blumen oder Snacks.“

Max: „Und immer mal wieder besucht uns auch Katze Uschi, wenn sie findet, dass eine Pause und Streicheleinheiten angebracht sind.“

Max’ und Coras Arbeitsplatz. Foto: Cora Hamilton

Wie organisiert ihr euch selbst?

Max: „Wir nutzen gemeinsam Trello, um einen Überblick über die Projekte und Aufgaben zu haben. Jede*r hat dann noch seine eigenen To-do-Listen und Kalender. Wenn wir nicht gemeinsam arbeiten, sprechen wir meistens über WhatsApp oder telefonieren mehrmals am Tag.“

Cora: „Wichtig ist aber, dass wir bestimmte Regeln einhalten – wie zum Beispiel kein Worktalk vor 9 Uhr, außer es ist wichtig.“

Führt ihr Kalender und wie sehen sie aus? 

Max: „Wir haben online ein Kalendersystem, in dem wir unsere Termine, aber auch Shoots und Jobs vermerken. Wir beide haben aber auch ein gutes Gedächtnis und haben vieles dann auch im Kopf.“

Cora: „Gerade stehen in unserem Kalender hauptsächlich Zoom-Gespräche, Deadline-Erinnerungen und Jobs, aber auch die Geburtstage unserer Talente.“

Hat Corona verändert, wie ihr euch selbst organisiert?

Cora: „Schwer zu sagen, da wir die Agentur mitten in der Pandemie gestartet haben, kennen wir es gar nicht anders. Am Anfang war es schwer, eine Routine zu finden und sich nicht ablenken zu lassen. Jetzt geht es eher darum, dass wir nie wirklich abschalten können, da alles immer bei uns liegt – buchstäblich!“

Max: „Manchmal fehlt es uns, Arbeitsplatz und Zuhause räumlich voneinander zu trennen.“

Könnt ihr Tipps geben, damit die Selbstorganisation auch im Homeoffice klappt?

Max: „Es ist wichtig, Grenzen einzuhalten zwischen Arbeit und Privatem. Wir bauen uns unseren Arbeitsplatz jeden Morgen auf und dann abends wieder ab und legen unsere Unterlagen beiseite. Das schafft eine kleine Grenze. Das Email-Programm wird ab 19 Uhr auch am Computer ausgemacht.“

Cora: „Ich habe mir gesagt, dass ich während meines Arbeitstags nicht vom Sofa arbeite. Und ich versuche, Office Hours einzuhalten, damit das Ausruhen am Ende nicht zu kurz kommt.“

Max: „Wichtig ist auch, dass wir regelmäßig in Kontakt sind und unsere geteilten Kalender und Systeme immer aktuell halten.“

Asal Dardan

Die Autorin Asal Dardan veröffentlichte jüngst das Buch „Betrachtungen einer Barbarin“ – eine Essay-Sammlung, in der sie biografische Elemente mit machtkritischer Gesellschaftsanalyse verbindet. Sie ist außerdem als freie Autorin bei „Zeit Online“, der „FAZ“ und der „Berliner Zeitung“ tätig sowie als freie Redakteurin und Autorin beim Online-Magazin „was wäre wenn“.

Foto: Sarah Berger

Was liegt auf deinem Schreibtisch?

„Ich mag gern einen sauberen und aufgeräumten Schreibtisch, er darf aber nicht klinisch wirken.“

„Ich brauche immer Bücher um mich, die ich zum Denken und Schreiben nutze.“

Asal Dardan

„Ich blättere sehr oft in den Büchern auf meinem Schreibtisch, wenn ich nicht weiter weiß. Dann suche ich nach alten Markierungen oder Randnotizen und lasse meine Gedanken von ihnen leiten. Im Moment stehen auf meinem Schreibtisch noch viele der Bücher, die ich gelesen habe, während ich mein eigenes Buch schrieb. Darunter auch sehr viele zum NSU-Komplex. Ich hab meist etwas zum Schreiben neben mir liegen, weil ich zwar Texte nur tippen kann, aber kleine Gedanken und Stichworte trotzdem gern handschriftlich notiere. Außerdem immer Kaffee, Tee, Nüsse.“ 

Asals Schreibtisch. Foto: privat

Wie organisierst du dich selbst?

„Im Grunde war ich nie gut darin, mich selbst zu organisieren. Ich glaube auch, dass das etwas mit dem Schreiben zu tun hat, man kann sich nicht immer hinsetzen und losschreiben. Rumsitzen oder rumliegen und einen leeren Kopf haben gehört dazu, das muss man aushalten lernen. Ich halte das noch immer schwer aus, aber ich arbeite daran. Weil ich weiß, dass es notwendig ist und mir und meiner Arbeit letztendlich guttut. Mich organisiert vor allem mein Alltag mit zwei Kindern. Ich kann eben nur arbeiten oder etwas für mich tun, wenn ich nicht gerade etwas für sie oder mit ihnen tue. Seit ich Kinder habe, brauche ich diesen Druck von Deadlines nicht mehr. Ich weiß einfach, dass ich nur sehr wenig Zeit zur Verfügung habe und nutze sie dann auch.“

Hat Corona verändert, wie du dich selbst organisierst?

„Corona hat vor allem verändert, wie meine Tage aussehen. Ich habe weniger Zeit und Freiraum, weil der Lockdown bedeutet, dass ich nun auch übernehmen muss, was sonst durch die Schule und Kita meiner Kinder geleistet wird. Ich habe in dieser Zeit noch viel mehr gelernt, wichtige Dinge von unwichtigen Dingen zu unterscheiden. Und Corona hat mir noch einmal mehr gezeigt, dass unsere gesellschaftlichen Bedingungen zu sehr auf diese Art von Selbstorganisation aufbauen. Ich wünsche mir eine Gesellschaft, in der Menschen stärker und besser unterstützt werden und meine Existenz nicht davon abhängt, wie gut ich mich selbst und meine Familie organisieren kann.“

Kannst du einen Tipp geben, damit die Selbstorganisation auch im Homeoffice klappt?

„Ich gebe nicht gern Tipps, weil Menschen unterschiedlich sind. Das, was für mich funktioniert, muss nicht für andere funktionieren. Ich glaube aber, was für alle gleichermaßen wichtig sein kann, ist jeden Tag neu zu beginnen und Nachsicht mit sich selbst zu haben. Wenn man sich nicht komplett abstraft dafür, dass man auch mal unproduktiv war, kann man auch schneller wieder etwas schaffen. Übrigens glaube ich, dass wichtig an Selbstorganisation alles dazwischen ist, gute und leckere Sachen essen, mit lieben Freund*innen in Kontakt bleiben, auch mal etwas bloß aus Quatsch und Neigung tun oder lesen. Einfach sich vergewissern, dass man keine Maschine ist, dann kann man als Mensch ganz gut funktionieren.“

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