Jörg Farys | Gesellschaftsbilder.de

Wie du online barrierefrei arbeitest

Viele Menschen haben sich inzwischen daran gewöhnt, vor allem online zu arbeiten. Vergessen wird jedoch oft, dass nicht jede*r automatisch online arbeiten kann. Welche Barrieren es gibt und wie sie abgebaut werden können.

Informationen in Einfacher Sprache:

  • Viele Menschen müssen während Corona von zuhause aus arbeiten. 
  • Wir erklären Programme für das gemeinsame Arbeiten im Internet. 
  • Blinde und taube Menschen erzählen von ihren Erfahrungen.
  • Auch eine Autistin erklärt, was für sie wichtig ist bei der Arbeit im Internet.

Drei Worte mit ,Ü‘ können Ursachen von schwieriger (Online)-Kommunikation sein: zu große Überforderung, fehlender Überblick oder eine fehlende Übersetzung. 

Weniger Überforderung online

Gerade Menschen höheren Alters oder jene mit einer Behinderung brauchen gelegentlich bei der Installation und Benutzung von Online-Tools Unterstützung, sowie regelmäßige Pausen. Im Prinzip sind Pausen nach 60 Minuten im Online-Meeting für alle Teilnehmenden sinnvoll, für eine bessere Konzentration und Zufriedenheit. Sogenannte „Breakout-Sessions“ – also zusätzliche Online-Räume zum Hauptraum des Online-Meetings – ermöglichen Arbeit in Kleingruppen. Über sogenannte „Energizer“ – kleine kreative oder sportliche Übungen – können ermüdete Teilnehmer*innen zu neuer Aufmerksamkeit stimuliert werden.

Mehr Überblick durch Online-Tools

Auch effektives Projektmanagement kann helfen, Mitarbeiter*innen eher zu fordern, statt zu überfordern: Klare Zuständigkeiten, kleine Aufgabenpakete und regelmäßiger Austausch verbessern die Zusammenarbeit. Da es gerade durch das Arbeiten von zuhause aus schwieriger ist, zu wissen, wer gerade was bis wann macht, können zahlreiche Online-Tools einen besseren Überblick verschaffen. Für blinde Mitarbeiter*innen sind vor allem die Apps von Online-Tools oft deutlich barrierefreier als die Browser-Versionen, die mit Screenreader, eine Vorlese-Anwendung für blinde Nutzer*innen, bedient werden. 

„Ich nutze bei vielen Online-Tools oft die App anstatt die Web-Version, weil die mehr auf Zugänglichkeit programmiert werden, um auch im App-Store zu landen. So ist beispielsweise die Google Docs-App für mich einfacher zu nutzen als die Web-Version.“

Marie Lampe, 21, FSJlerin

Auch bei einem Tool für die Planung von Aufgaben wie Trello ist die App barrierefreier. Wie auf einer echten Pinnwand können mit kleinen Karten Aufgabenlisten angelegt werden, etwa beschriftet als „geplant“, „bearbeitet“ und „erledigt“. 

„In der mobilen Version von Trello (iOS-App) funktioniert beispielsweise das Hin- und Herschalten zwischen den Listen sehr gut, sodass ich eine schnelle Übersicht über zu erledigenden Aufgaben habe. Ich kann verfolgen, welche Aufgaben bereits abgearbeitet wurden, selbst Aufgaben abhaken und neue zuteilen. 
Anders ist es mit der unübersichtlichen Browser-Version: Ich muss erst durch alle Aufgaben einer Liste durchscrollen, um die nächste zu sehen. Einige Buttons sind nicht beschriftet oder überhaupt nicht zu finden, z.B. kann ich Aufgaben auf einer Checkliste nicht abhaken.“

Marie Lampe, 21, FSJlerin

Bessere Übersetzung durch Barrierefreiheit 

Für Social-Media-Redaktionen eignen sich Planungstools wie Swat.io. Artikel, Fotos und Videos können im Voraus für alle Social Media Kanäle gleichzeitig geplant werden, so dass nicht jeder Social-Media-Kanal einzeln aufgerufen werden muss. Kommentare auf Posts („Tickets“) und statistische Daten wie Likes werden direkt mitgeliefert. Blinde Social Media Redakteur*innen stoßen jedoch teilweise an ihre Grenzen.

„Es gibt eine gute Übersicht bei den Posts. Auch das Erstellen eines Posts funktioniert über die Vorschau-Funktion bis auf ein paar Einschränkungen sehr gut. Die Tickets und Statistiken sind gut strukturiert und lesbar. 
Generell gibt es jedoch sehr viele Links und wenige Überschriften/ sonstige Navigationspunkte. Ich nutze meistens die Suchfunktion meines Screenreaders, um an bestimmte Punkte auf der Seite zu gelangen.“

Marie Lampe, 21, FSJlerin

Zudem gibt es bei vielen Online-Tools und Webseiten verschiedene Pop-ups, wie die für „Cookies akzeptieren“, Chatfenster vom Support oder „Newsletter abonnieren“, die den Lesefluss durch ihr plötzliches Auftauchen stören. Um barrierefrei auf Social Media zu kommunizieren, müssen beispielsweise Alternativtexte zu Bildern und Untertitel zu Videos hinzugefügt werden.

Die Alternativtexte können direkt bei Facebook, Twitter und Instagram (über die App) eingefügt werden, indem die hochgeladenen Bilder nachträglich bearbeitet werden. Alternativ kann eine Kurzbeschreibung unter den Posts hinzugefügt werden. Untertitel in Videos können durch professionelle Videobearbeitungsprogramme in die Videos „eingebrannt“ werden oder bei YouTube als getrennte Untertitel-Datei zusammen mit dem Video synchronisiert werden. Bei Podcasts bieten sich Transkripte an, um eine Übersetzung in Text zu gewährleisten. Ein prominentes Beispiel für die Erstellung von Skripten ist der Podcast mit dem Virologen Prof. Christian Drosten im NDR.

Gesprächsregeln im Online-Meeting

Überhaupt Video-Telefonie anzubieten, ist schon ein Schritt in Richtung Barrierefreiheit. Für kleine Gespräche sind WhatsApp, Skype oder Facetime denkbar, für größere Runden die klassischen Meeting-Tools. 

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Es hat sich herumgesprochen, dass sich jene, die gerade nicht sprechen, auf „stumm schalten“, damit es keine störenden Hintergeräusche gibt. Auch können Kopfhörer ein Echo-Geräusch verhindern. Darüber hinaus helfen Gesprächsregeln zum strukturierten Austausch, wie nacheinander melden oder eine ruhige Gesprächsführung. Auch muss vereinbart werden, Bilder und Grafiken für sehbehinderte und blinde Teilnehmende zu beschreiben.

Dschungel der Online-Meeting-Tools

Da es mittlerweile eine große Auswahl an Online-Meeting-Tools gibt, wird sich häufig nach den eigenen Vorlieben oder denen des Arbeitgebers für eines entschieden. Wer schon mit Google Services wie G Suite arbeitet, nutzt für seinen Jour fixe vielleicht Google Meet. So kann der Meet-Link auch direkt im Google Kalender integriert werden. Die Bedienung ist laut der blinden Nutzerin Marie selbsterklärend:

„Alle Buttons sind beschriftet und auch die entsprechenden Tastenkombinationen stehen daneben. Tastenkombinationen sind in Konferenzprogrammen ein wichtiges Feature, da ich so schnell das Mikro oder die Kamera ein- und ausschalten kann. 
Ich bekomme vom Screenreader ein direktes Feedback, z.B. wenn ich nicht mehr gemutet bin, jemand dem Anruf beitritt oder jemand etwas in den Chat schreibt. Auch bei deaktivierter Sprachausgabe kann ich alles auf der Braillezeile mitverfolgen.“

Marie Lampe, 21, FSJlerin

Die Möglichkeit, die Powerpoint-Präsentation des Kollegen mitzulesen über den Screenreader bietet Google Meet jedoch nicht. Das ist z.B. mit Microsoft Teams möglich, wie Nutzer Heiko erzählt. Skype ist für ihn eine Alternative, da der Dienst bei Windows per Tastatur gut nutzbar sei.

„Ich habe bisher mit Microsoft Teams, Skype, Zoom und Jitsi konferiert. Bei Jitsi mit Einschränkungen. Skype, Teams und Zoom sind tatsächlich sehr barrierefrei.“

Heiko Kunert, 44, Blinden- und Sehbehindertenverein Hamburg e.V.

Menschen, die vor allem auf gute Bildqualität angewiesen sind, wie gehörlose Menschen, nutzen gerne Zoom, so wie Nutzerin Katja.

„Bis jetzt bin ich vor allem mit Zoom bei Online-Sitzungen dabei gewesen und hatte immer eine konstante Bildübertragung ohne Ausfälle. Für mich als gehörlose Person ist eine gute Bildqualität wichtig, damit Mund & Mimik der Gebärdensprachdolmetschenden gut zu sehen sind. Bei einem Vortrag eines Rechtsanwalts – lautsprachlich – gab es dann eine schriftdolmetschende Begleitung parallel auf Livepad, die Teilnehmende im separaten Browser aufrufen konnten. Ich hatte dazu ein Tablet aufgestellt, während am PC Monitor der Zoom-Vortrag lief.”

Katja Fiebig, 50, selbständige Grafik-Designerin

Für kamerascheue Menschen ist Videotelefonie sicher eine Barriere und das ausgeschaltete Video sollte respektiert werden. Auch können autistische Menschen Probleme mit der Vielzahl der Videos haben, wie Studentin Alina erzählt:

„Die hohe Anzahl an Schaltflächen ist für mich schwer zu verarbeiten, zumal eine davon eine Videoübertragung der*s Redner*in ist, der sich ständig bewegt. Derzeit schaffe ich es, etwa 10-15 Minuten der Vorlesung zu folgen und mitzuschreiben, dann brauche ich eine längere Pause, da ich reizüberflutet bin. Die Akustik ist ebenfalls herausfordernd, da es zu viele Nebengeräusche gibt, als dass die vortragende Person verständlich zu hören ist. Schließe ich eine FM-Anlage an den PC an, bringt es nur marginale Verbesserung. Ich bin froh, dass die Programme eine Chat-Funktion haben, da ich mich nicht gut verbal beteiligen kann, da ich dabei die gleichen Probleme wie auch beim Telefonieren habe.”

Alina S. Kühnel, 29, Studentin

Die Chat-Funktion kann auch für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sowie eine größere Zahl von Teilnehmenden eine Alternative zur Video-Kommunikation sein.

Jedoch sollten Meeting-Tools öfters auf den Prüfstand gestellt werden, ob sie für bestimmte Events und Zielgruppen die richtigen sind. Denn auch hier entwickeln sich Tools weiter oder verändern ihre Services. So experimentieren einige Web-Anwendungen wie Skype und Zoom mit Live-Untertitelung oder versuchen die Apps zu verbessern. Hier lohnt es sich, stetig zu überprüfen, was aktuell möglich ist.

Barrieren abbauen – Untertitelung und Dolmetschung

Die meisten Meeting-Tools bieten noch keine Live-Untertitelung an. Mit Ausnahmen ist dies auf Englisch verfügbar, beispielsweise bei Zoom oder Hypersay. Darüber hinaus können geschickte Co-Moderator*innen die Live-Untertitelung parallel mitschreiben – oder es an geschulte Schriftdolmetscher*innen abgeben.

Wer sich für den Einsatz von Gebärdensprache entscheidet, kann Dolmetscher*innen für Gebärdensprache dazuschalten. Bei einer längeren Online-Veranstaltung sind mindestens zwei Dolmetscher*innen zu buchen. Diejenigen Teilnehmenden, die eine Übersetzung in Gebärdensprache benötigen, können sich das Video der Dolmetschenden oben anheften. 

Außerdem können Dolmetscher*innen für Leichte Sprache eingesetzt werden. Sie werden wie Dolmetscher*innen für Fremdsprachen über einen Kanal zugeschaltet. Bei Zoom beispielsweise muss vorher die Option „Dolmetscher*innen hinzufügen“ bestellt werden. Gute Erfahrungen wurden auch mit dem Online-Tool Big Blue Button gemacht.

Verbindung, Kosten, Datenschutz

Was wie selbstverständlich klingt, ist es leider nicht überall z.B. auf dem Land: eine gute Internetverbindung. Sie ist für eine barrierefreie Kommunikation essentiell, damit die Stimme gut hörbar und das Bild nicht verwackelt ist. Weitere Barrieren können eingeschränkte technische Funktionen sein, die durch bezahlte Versionen von Tools oder beschränkte Zahl der Teilnehmer*innen entstehen, sowie mit fehlender Systemkompatibilität zusammenhängen können (iOs versus Android, Browser versus App) oder Datenschutz-Bedenken.

Arbeitgeber*innen, Dozent*innen oder Teamleiter*innen müssen sich auch bei Online-Veranstaltungen Gedanken machen, wie diese so barrierefrei und inklusiv wie möglich ablaufen können. Es wäre wünschenswert, dass wir einen gemeinsamen Wissensschatz dazu aufbauen, um auch nach der Corona-Pandemie weiter die Möglichkeit anbieten zu können, Teilhabe online zu sichern.

Wer mehr erfahren möchte zur Gestaltung von inklusiven und barrierefreien Online-Workshops oder -Veranstaltungen, kann sich gerne an die SOZIALHELD*INNEN-Akademie wenden.

Der Originaltext von Lilian Masuhr ist bei unserer Kooperationspartnerin Die neue Norm erschienen. Hier könnt ihr Die neue Norm auf Facebook abonnieren.

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