Endlich selbstständig! Dann kann ich jetzt jeden Tag im Pyjama von der Couch aus arbeiten! Warum das keine gute Idee ist, wieso Routinen vielleicht doch gar nicht so schlecht sind und was sie sonst noch so in sieben Monaten Home Office gelernt hat, erzählt Jana Zieseniß.
Büro oder Home Office: Wo bin ich produktiver?
Sieben Monate arbeite ich nun schon im Homeoffice. Sieben Monate voller Hochs und Tiefs. Sieben Monate Trial and Error. An manchen Tagen liebe ich es, an manchen Tagen hasse ich es. Ich glaube, man muss das Arbeiten von zu Hause erstmal für eine Weile ausprobiert haben, um zu merken, ob es zu einem passt oder nicht. Um festzustellen, ob man alleine produktiver arbeiten kann als im Büro oder umgekehrt.
Auch wenn ich insgesamt ein sehr kommunikativer Mensch bin und den Austausch mit meinen Kollegen sehr zu schätzen wusste (und auch ein bisschen vermisse), würde ich dennoch nach den sieben Monaten ein positives Fazit ziehen.
Sieben Monate Home Office: (M)ein Fazit
Insgesamt würde ich sagen, dass ich schneller und produktiver arbeite. Definitiv mehr als damals im Büro. Und wenn es mal nicht so gut läuft, mache ich eben einfach mal einen Tag frei. Dafür gibt es auch nur selten richtige Wochenenden. Aber das Beste ist: Seit ich selbstständig bin und im Home Office arbeite, habe ich mich noch nicht ein einziges Mal vor dem Montag gegrault. Eigentlich gehe ich jede Woche mit super viel Bock und Elan an – was natürlich auch daran liegt, dass ich an dem arbeite, was ich liebe und viel für eigene Projekte tue. Besonders jetzt, wo ich sehe, dass mein Business langsam Fahrt aufnimmt, bin ich motiviert wie nie.
Das war aber natürlich nicht immer so. Produktivität im Home Office setzt – gerade wenn mal keine Deadline näher rückt – ein großes Maß an Disziplin und Zeitmanagement voraus. Auch wenn ich bis heute noch nicht die perfekte Organisation für mich gefunden habe (gibt es die überhaupt?), merke ich schon, dass mich gewisse Dinge in meinem Tagesablauf positiv beeinflussen. Und das sind vor allem die berüchtigten Routinen, die sonst ja eher mit einem negativen Image zu kämpfen haben. Wie oft hört man: „Brich aus aus der Routine“. Dabei bin ich mir sicher, dass jeder Mensch, auch der von unterwegs arbeitende, bestimmte Routinen in seinem Arbeitsalltag braucht, um einen klaren Kopf zu behalten und produktiv zu arbeiten.
Als Bürotiere haben wir viele dieser Routinen bereits mit dem Arbeitsvertrag besiegelt. Jeden Tag wartet der Weg ins Büro, der gleiche Arbeitsbeginn, die Mittagspause und der Feierabend auf einen. Und wenn ich ehrlich bin, habe ich das nach Jahren Selbstorganisation in der Uni und anschließender freiberuflicher Tätigkeit – ja, ich war schonmal selbstständig und wusste, worauf ich mich einlassen würde – auch sehr zu schätzen gewusst und gebraucht. Es stellte sich eben nicht die Frage, ob man jetzt aufstehen oder sich noch einmal im Bett umdrehen sollte und dafür abends länger arbeitet. Schließlich tickt die Uhr unaufhaltsam und der Arbeitsbeginn rückt näher. Genauso wenig stellt sich die Frage nach dem Feierabend: Ist die Arbeit zum Feierabend erledigt oder stehen keine dringenden Termine an, kann man nach Hause gehen.
Und am Wochenende? Dann ist Wochenende, und da nehmen wir vor Sonntagabend keine Unterlagen in die Hand. Jedenfalls sollte das so sein. An sich ist das mit den Routinen eine feine Sache. Doof nur, wenn man so wie ich eine Fernbeziehung geführt hat und auch am Freitag nie vor fünf das Büro verlassen durfte. Doof nur, wenn die Chefin keine Home Office Tage akzeptiert, auch wenn ich meine Arbeit an einigen Tagen bequem von zu Hause aus hätte erledigen können. Und doof auch, wenn die Einladung zur Recherchereise nach Mauritius in den Blog-Posteingang flattert und man eben nicht einfach in den Flieger steigen kann. (Ja, ich musste sie damals absagen.)
Ja, die Selbstständigkeit hat schon ihre Vorteile, auch wenn der eigene Feierabend noch lange nicht dem der anderen entspricht und auch die Wochenenden selten arbeitsfrei bleiben. Und man sich seine Routinen eben selbst finden und antrainieren muss.
Scheiß auf Morgenroutine!? Oder doch nicht?
Dabei fängt es schon mit dem Aufstehen an. Von sieben bis zehn Uhr habe ich in den vergangenen Monaten so ziemlich alles ausprobiert, was den Arbeitsbeginn angeht. Dabei haben sich sowohl ein zu früher als auch ein zu später Start als nicht ideal herausgestellt. Stehe ich zu früh auf, bin ich nach zwei bis drei Stunden arbeiten oft so müde, dass ich gar nichts mehr auf die Reihe bekomme. Fange ich zu spät an, geht der Tag meist auch trödelig weiter. Witzigerweise hat sich hier meine alte Bürozeit als optimal herausgestellt. Fange ich um neun Uhr an, fühle ich mich generell über den ganzen Tag am fittesten.
Ein weiteres Trial and Error habe ich bezüglich der Morgenroutine hinter mir. Natürlich könnte ich um viertel vor Neun aufstehen und mich im Pyjama mit Kaffeetasse und Müslischale bewaffnet an den Schreibtisch setzen und meine Arbeit um neun beginnen. Und ja, das hab ich auch ein paar Mal so gemacht. Aber dass es hinsichtlich der Produktivität nicht so sinnvoll sein kann, ist auf den ersten Blick schon klar. Erst der Weg zur Arbeit, das Anziehen und Fertigmachen suggerieren unserem Körper, dass er vom Nacht- in den Tagmodus umstellen soll. Das Ergebnis wenn das wegfällt: Unser Kreislauf kommt gerade in den dunklen Wintermonaten nicht richtig in Schwung.
Besser ist es, jeden Tag mit ein wenig Bewegung zu starten. Ich schreibe bewusst „wenig“, denn zu viel Sport am Morgen ist auch wieder kontraproduktiv, weil unser Körper dann schlicht und einfach schon zu kaputt ist, um sich voller Elan in die Arbeit zu stürzen. Gerade an den Tagen, an denen ich nicht so fit war, haben mich meine morgendlichen Joggingrunden von fünf bis zehn Kilometern total geplättet und ich hätte eigentlich gleich wieder ins Bett gehen können.
Daher ist es am besten, wenn wir uns für 15 bis 30 Minuten moderat bewegen und damit quasi den „Weg der Arbeit“ nachempfinden. Das kann entweder ein kurzer Spaziergang sein oder, was ich gerade ausprobiere, eine Runde Yoga – was mir gerade im Winter sehr viel leichter fällt, als mich morgens aus dem Haus zu quälen. Danach bin ich nicht völlig kaputt, aber mein Körper wach und bereit für den Tag. Und selbst wenn ich es wegen eines möglichen hohen Arbeitspensums nicht mehr zum Sport schaffen sollte, hab ich wenigstens ein bisschen Sport gemacht.
Übrigens: Wer das mit dem Yoga mal ausprobieren möchte, dem kann ich die „30 Tage Challenge“ von „Yoga with Adriene“ nur ans Herz legen. Jeden Tag wartet eine andere Einheit auf einen und so wird es mir auch bei täglicher Praxis nicht langweilig. Mein Plan ist es, mir nach den 30 Tagen die Lieblingslektionen für mein tägliches Morgenritual herauszupicken.
Nach dem Yoga wartet die heiße Dusche und ein gesundes Frühstück auf mich, das ich mir schmecken lasse, während ich die Neuigkeiten in meinem YouTube-Feed ansehe. Ich weiß, es wäre wohl besser, sich nur auf das Essen zu konzentrieren, aber so nutze ich die Zeit, um auf dem Laufenden zu bleiben, ohne mich gleich richtig in die Arbeit zu stürzen.
Mittagspause!
Zwischen 9 und 13 Uhr versuche ich dann konzentriert die wichtigsten Aufgaben des Tages zu erledigen. Da das allerdings meist länger dauert, als ich denke, oder ich im Flow die Zeit einfach schlichtweg vergesse, erinnert mich meist erst gegen 14 oder 15 Uhr mein Magen an die längst überfällige Mittagspause. Und hier beginnt meist das Drama.
Da die To-do-Liste für den Nachmittag meist nicht kürzer ist, schmiere ich mir oft schnell ein Brot, das ich während des Arbeitens esse. Stattdessen wäre es sinnvoll, sich etwas Gesundes zu kochen und/oder nach dem Essen zumindest eine kurze Runde spazierenzugehen. Aber weil ich mich momentan voll auf die Implementierung meiner Morgenroutine konzentriere – um eben nicht im Pyjama vor dem Laptop auf der Couch zu sitzen – nehme ich das erstmal so in Kauf und gelobe, mich später um das Problem zu kümmern. Das ist übrigens auch ein wichtiger Tipp: Ich nehme mir immer nur kleine Veränderungen vor, die ich dann auch wirklich einhalten kann, statt mein Leben von heute auf morgen komplett umzukrempeln.
Feierabend und Wochenenden
Im Optimalfall macht man (sowohl im Büro als auch im Homeoffice) dann Feierabend, wenn die Aufgaben für den Tag erledigt sind. Das klappt jedoch (bei mir) nur in den seltensten Fällen. Entweder ich bin schon ziemlich früh fertig (und fühle mich noch zu fit, um mit der Arbeit aufzuhören) oder, was öfter vorkommt, hab ich mir mal wieder zu viel vorgenommen, was ich an einem Tag kaum erledigen kann. Und ruckzuck ist es schon 21 Uhr und man sitzt immer noch am Schreibtisch. Hier hat es sich bewährt, nach einer Art Stechuhr zu arbeiten und genau zu notieren, wie lange man für was gearbeitet hat. Im Prinzip kann man sich wie im Büro Jobnummern für die einzelnen Projekte anlegen. Das erleichtert auch das Monitoring und die Abrechnung ungemein.
Hat man dann ein bestimmtes Zeitziel am Tag oder in der Woche erreicht, kann man (wenn es die Projekte zulassen) einfach Feierabend machen. Ich finde es zum Beispiel auch hilfreich, sich eine minimale und maximale Wochenstundenanzahl festzulegen. Hat man die schon am Donnerstag erreicht, könnte man bereits am Freitag das Wochenende einläuten. Hat man nicht so viel geschafft, steht auch am Wochenende noch Arbeit an. Das sollte ich vielleicht auch mal selbst einführen!
Und unterwegs?
Unterwegs sind solche Routinen natürlich noch viel schwerer einzuhalten als zu Hause. Dennoch sind sie meiner Meinung nach umso wichtiger. Ich habe zum Beispiel die letzten zwei Tage vom Haus meiner Eltern aus gearbeitet. Viel zu schnell jedoch verfällt man auf Reisen in eine Art Urlaubsmodus, und mir fällt es dann schwer, produktiv zu sein. Aber selbst heute, wo ich die meiste Zeit meiner Arbeitszeit im Zug verbringe, bemühe ich mich, meine Routinen einzuhalten. Mein Yoga habe ich heute morgen gleich nach dem Aufstehen erledigt, dann gepackt und mich fertiggemacht, um noch vor dem Mittag zwei Stunden produktiv an meinem Buch zu schreiben.
Da ich auf meiner Fahrt drei Mal umsteigen muss, arbeite ich den Nachmittag über in einer Art Zug-Pomodoro-Technik. Sprich: Ich habe meine To-do’s in kleine Häppchen verpackt, die ich in der kurzen Zeit in den einzelnen Zügen erledigen kann. Die Umstiege zwischendrin eignen sich prima als Pausen, in denen ich sogar noch ein bisschen Bewegung bekomme und frische Luft. Wenn mein Zug heute Abend um 19:30 Uhr angekommen ist, ist Feierabend! Wie man sieht, kann man auch unterwegs ein bisschen Routine einhalten.
Ist man auf Reisen und möchte auch noch was von seiner Umgebung haben, dann empfehle ich die tägliche Routine bis zum Mittag beizubehalten und dann am Nachmittag zu Erkundungstouren aufzubrechen. So schafft man zumindest die dringlichsten Projekte und hat noch genug Zeit, das Reiseziel zu erkunden.
Dieser Artikel erschien zuerst auf Chapter One Mag, dem Blog von Christina Wunder und Jana Zieseniß. Wir freuen uns, ihn auch hier veröffentlichen zu können .
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