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Mary-Ann Kwong: „Zu viel Routine macht unglücklich“

Die Hamburgerin Mary-Ann Kwong ist Unternehmensberaterin in Frankfurt – und leitet nebenbei das älteste Chinarestaurant Hamburgs. Ein Gespräch über die Herausforderungen im Restaurantmanagement, ihre Mission in Sachen chinesische Küche und wie die Zusammenarbeit mit der Schwiegermutter funktioniert.

 

Unternehmensberaterin und Restaurantchefin

Mary-Ann
Kwong wurde in Hamburg geboren, wuchs in den USA mit einer deutschen  Nanny auf und hat in London und New York gearbeitet. Jetzt berät sie Banken im Bereich Risikomanagement und steigt am Freitagabend in Frankfurt ins Flugzeug in die Stadt ihres zweiten beruflichen Standbeins: das Dim Sum Haus, das älteste Chinarestaurant in Hamburg, das sie gemeinsam mit ihrem Mann Dennis führt. Wir haben Mary-Ann Kwong gefragt, was sie an den beiden Jobs reizt, was sie tut, wenn es doch alles zu viel wird und wie die Zusammenarbeit in einem Familienbetrieb funktioniert.

Sie
sind durch Ihren Mann zu Ihrem zweiten Job im Dim Sum Haus gekommen –
wie war Ihr Bezug zum Thema Kochen und speziell zur chinesischer
Küche, bevor Sie Ihren Mann kennen lernten? War das ohnehin eine
Leidenschaft von Ihnen oder haben Sie sich komplett in ein neues
Thema eingearbeitet?

Ich
habe mich schon vorher gern mit dem Thema beschäftigt, allerdings
eher aus der Perspektive des Konsumenten, ich habe oft und gern
chinesisch gegessen! Zuhause wurde bei uns gekocht schon immer, so wie es in
asiatischen Familien üblich ist, und natürlich eher
Hausmannskost und nicht so aufwendig wie im Restaurant. Ich bin damit
groß geworden, meinen Eltern beim Kochen zur Hand zu gehen. Es war
sogar Pflicht!“

Was
gefällt Ihnen besonders an Ihrem Job als Beraterin, und was an Ihrem Job im
Dim Sum Haus?

Als
Beraterin muss ich analytisch arbeiten, es geht besonders um
rechtliche und quantitative Themen, manchmal auch reichlich abstrakt!
Mich in ein anspruchsvolles Themengebiet einzuarbeiten und es zu
beherrschen und umzusetzen, ist dabei ein Erfolgserlebnis. Im Dim Sum
Haus steht natürlich die Arbeit am Gast im Vordergrund, gepaart mit
Einfühlungsvermögen und einem Gespür für dessen Bedürfnisse. Das
Feedback bei dieser Arbeit ist meist unmittelbar, ich erfahre meist
sofort, ob es jemandem geschmeckt hat oder nicht! Allerdings ist auch
Kreativität gefragt, bei der Gestaltung der Speisekarte, des
Gastraums, speziellen Aktionen. Besonders das Unternehmerische macht
mir Spaß. Wichtig ist mir auch, zu kommunizieren, dass die
traditionelle chinesische Küche in ihrer authentischen Form
unglaublich vielfältig und bereichernd und vielleicht noch etwas
verkannt ist. Das ist schon so etwas wie eine Mission.“

Was
genau sind Ihre Aufgaben im Dim Sum Haus, wie teilen Sie es sich mit
Ihrem Mann auf?

Ich
bin meist vor den Kulissen tätig, das heißt, ich kümmere mich um
den Gastraum, Service, Reservierungen und so weiter. Mein Mann ist
für den reibungslosen Ablauf und die Prozesse zuständig:
Produktionsabläufe, Qualitätskontrolle, Abstimmen mit den
Spezialköchen aus China, Auswahl der Köche in China, Einkauf von
technischer Ausstattung.“

Das
Dim Sum Haus ist das älteste Chinarestaurant Hamburgs – was hat
sich verändert, seit Sie und Ihr Mann die Führung übernommen
haben? Gab es etwas aufzufrischen, zu modernisieren? Oder ist es
Ihnen wichtig, die Tradition des Restaurants zu bewahren?

Die
Tradition ist uns sehr wichtig, besonders in der Küche. Dadurch,
dass wir immer wieder Köche bei uns einstellen, die wir vorher sehr
sorgfältig in China ausgewählt haben, wird das Ursprüngliche der
chinesischen Küche bei uns gewahrt. Leider wird es immer
schwieriger, entsprechend hoch qualifiziertes Personal zu bekommen.
Der Lebensstandard in China ist heute relativ hoch, so dass ein
Auslandsaufenthalt weniger attraktiv erscheint. Plus der enorme
Bürokratieaufwand, der nötig ist, um die entsprechenden Visa für
die Fachkräfte zu erhalten. Das wird immer umfangreicher. Das macht uns
als Traditionshaus die Arbeit nicht gerade einfach. Gleichzeitig
stellen wir uns jedoch aktuellen Herausforderungen und Ansprüchen
der Gäste. Wir wollten das Interior auffrischen, ohne dabei die alte
Seele des Ladens zu zerstören. Thai Cong, ein sehr gut mit uns befreundeter
Innenarchitekt, hat uns dabei geholfen. Er hat zum Beispiel die
Toiletten in leuchtendem Rotton modernisiert und den Gastraum mit
englischen Drachenmustertapeten ausgestattet. Das alles hat jedoch
immer noch einen Bezug zu unserer Geschichte. Das war uns
wichtig.“

Sie
betreiben das Restaurant als Familie – wie läuft die
Zusammenarbeit mit den Schwiegereltern? 

„Ich
habe unglaublich großes Glück mit meinen Schwiegereltern. Ich
denke jeder, der insbesondere meine Schwiegermutter kennt, kann
bestätigen, dass sie die liebste Person auf diesem Planeten ist. Sie
lassen uns machen, ohne sich zu sehr einzumischen, sind aber immer
als Unterstützung da. Ein Traum!“

Sie
sagten mal, Sie sehen die zwei Jobs nicht
als Belastung, sondern als bereichernde Herausforderung – was
machen Sie, wenn es dennoch Momente oder Phasen gibt, in denen es zu
viel wird? Wie regenerieren Sie, was hilft Ihnen dabei?

Wir
sind zum Glück in der komfortablen Situation, dass wir ein gutes
Team haben, das heißt wir können auch mal Urlaub nehmen. (lacht) Wir achten auf eine gute Work-Life-Balance und machen sehr oft
Kurztrips, Städtereisen et cetera. Wir kombinieren diese Reisen gern
mit dem Beruflichen und lassen uns weltweit kulinarisch
inspirieren…Ich bin davon überzeugt, dass zuviel Routine
unglücklich macht.“

In
Deutschland wird viel über die beruflich Situation von Frauen und
Männern diskutiert, erst vor ein paar Wochen wurde eine neue Studie
veröffentlicht, die wieder zum Ergebnis hat, dass gerade nach der
Familiengründung die meisten Paare wieder in klassische
Rollenverteilungen zurückfallen – Sie und Ihr Mann sind beide
beruflich voll engagiert – ist Ihnen das wichtig?

Ich
denke, dass ich berufstätig bin, ist etwas, das so
selbstverständlich ist, dass ich nie darüber nachgedacht habe. In
dieser Hinsicht bin ich wohl auch durch meine Mutter geprägt. Sie
hat acht Monate nach meiner Geburt bereits wieder Vollzeit als Ärztin gearbeitet – wie auch mein Vater gearbeitet – und seitdem nicht mehr damit aufgehört. (lacht) Insofern habe ich meine Berufstätigkeit nie als Wahl
begriffen oder in Frage gestellt. Bei meinem Mann ist es ähnlich,
auch seine Eltern mussten damals beide im Geschäft mit anpacken, so
dass sich die Frage nie gestellt hat. Ich kann jedoch auch nicht
sagen, ob eine klassische Rollenverteilung besser oder schlechter
ist, da ich es nie erlebt habe.“

In
einem früheren Interiew sagten Sie, dass Sie all das machen, um es
sich in der eigenen Komfortzone nicht zu gemütlich zu machen. Dass Sie gern Neues
ausprobieren, das Sie zum Umdenken zwingt. Können Sie uns das ein oder andere Beispiel aus dem Job nennen, wo Sie einen ungewohnten Weg gegangen sind oder der Ihnen eine neue Perspektive verschafft hat?

Es
fängt ja bei ganz kleinen Dingen an, wie zum Beispiel statt des
Taxis mal die S-Bahn zu nehmen. Im Job habe ich gemerkt, dass es oft
darum geht, sich etwas zu trauen. Zum Beispiel: Man traut sich im
Meeting, den Mund aufzumachen und seine Meinung zu vertreten, das
habe ich immer als unheimlich befreiend empfunden. Ins kalte Wasser
zu springen mit einer neuen Aufgabe oder in einer neuen Umgebung ist
sehr bereichernd. Als ich nach dem Studium nach New York gegangen bin
zu einer unbekannten Firma ohne Freunde und Familie und ohne eine
Wohnung, das ist so ein klassisches Beispiel. Früher hätte man gesagt,
der Mensch wächst an seinen Aufgaben, jetzt heißt es einfach
,Verlassen der Komfortzone’.“

Auf die Frage,
welches der wichtigste Rat sei, den Sie je bekommen haben, sagten Sie einmal: „Männer
sind ganz einfach gestrickt“. Das würden einige Männer sicher
anders sehen. Inwiefern hat Ihnen der Rat geholfen?

Das
kann man eigentlich auf fast alle Situationen übertragen (lacht).
Ich finde einfach, wir Frauen machen uns über alles mögliche
Gedanken, bevor wir etwas sagen oder tun. Männer sind da viel
instinktiver oder eben auch einfacher. Und leider fahren sie damit
eben auch im Job meistens sehr gut. Wenn es zum Beispiel um eine
Gehaltsforderung geht, dann verkaufen sich Frauen meist unter Wert.
Deswegen verdienen Frauen wahrscheinlich immer noch im Schnitt
weniger als Männer. Da kann man sich was abgucken von den Männern.
Die sind da die ersten, die ,hier’ schreien, auch wenn sie nicht
unbedingt mehr drauf haben. Ich habe damals bei meinem ersten Job im
ersten Gehaltsgespräch gleich die Karten auf den Tisch gelegt und
hatte Erfolg damit. Meine Chefin damals war schockiert. Und ich bin
auch in den folgenden Jahren nie von der Linie abgewichen.“

Gibt
es jemanden, der Sie im Lauf Ihrer Karriere begleitet hat, oder
jemanden, der Ihnen geholfen hat, Ihren Weg so zielstrebig zu
verfolgen, wie Sie es tun?

Mein
Mann hat mich immer bei allem unterstützt.“

Und
vielleicht noch e
in
kulinarischer Tipp: Gibt es ein besonders leckeres Gericht der
chinesischen Küche, das man womöglich nicht auf der Rechnung hat
und das unsere Leserinnen unbedingt mal probieren sollten?

Oh,
da kann ich einige nennen. Nach wie vor ist Pekingente ja mein
persönliches Highlight. Was nicht so bekannt ist, ist zum Beispiel
der gedämpfte Fisch, den gibt es bei uns im Ganzen mit Sojasauce,
und ist besonders gesund, da er schonend gegart wird und reich ist an
Omega-3-Fettsäuren. Oder gedämpfte Jakobsmuscheln. Beides
unglaublich lecker!“

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