Lange stand nine-to-five für den drögen Alltagstrott im Job. Nun könnte sich das aber wieder ändern: Denn nur feste Arbeitszeiten garantieren auch feste Zeiten für alles, was unser Leben neben der Arbeit bereichert.
Dürfte ich bitte feste Arbeitszeiten haben?
Trister Alltag. Graues Einerlei. Starre Form ohne Platz für
Kreativität und Bedürfnisse. All das waren und sind Konnotationen, die man mit einem nine-to-five-Arbeitstag verbindet. Das war allerdings nicht immer so. Wie sich die Wahrnehmung des nine-to-five-Prinzips über die Jahrzehnte immer wieder
verändert hat und wie die unterschiedlichen Bewegungen in Arbeitswelt
und Gesellschaft eben auch ganz schnell verändern
können, was wir als Freiheit und was als Einengung betrachten, hat das
Atlantic Magazin in einem interessanten Stück über die Entwicklung der Arbeit in Amerika nachgezeichnet. Ein Stück, das nicht nur von Übersee, sondern von grundsätzlichen Wellenbewegungen in Gesellschaft und Arbeitswelt erzählt.
Zu Beginn: 9-to-5 als Befreiungsschlag
In den USA wurde die 40-Stunden-Woche Ende der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts eingeführt – und das war damals für Arbeiter in vielen Branchen eine Erleichterung. Endlich
war geregelt, was zuvor von Fall zu Fall unterschiedlich, manchmal gar Willkür war: die Länge des
Arbeitstages oder auch die Anzahl der freien Tage. Die 9-to-5-Regelung brachte also endlich die
Struktur und Verlässlichkeit, die viele herbeigesehnt hatten. In Deutschland waren wir damit übrigens schon früher dran – bereits 1918 hatte die Arbeiterbewegung den Acht-Stunden-Tag durchsetzen können. Zumindest vorerst: Ein Durchbruch.
In den 50er- und
60er-Jahren änderte sich die Stimmung in den USA aber bereits wieder. Die Hippie- und
Beatkultur flutete die (pop)kulturelle Landschaft und von Allen
Ginsberg bis zu Jack Kerouac wurde allerseits die Sinnlosigkeit der starren
Form angeprangert. Sie fühlten sich in ihrem Sein beschränkt, wollten endlich frei sein, sich entfalten können. Wollten am liebsten gar keinen Brotjob mehr, um
sich endlich ganz ihrer Kunst widmen zu können und sich persönlich weiterzuentwickeln, statt ihr Leben dem Wirtschaftskreislauf zu widmen.
Was Arbeitnehmer brauchen? Mehr Freiheiten!
Der Traum eines jeden Künstlers – und das nicht nur in
Amerika, auch im Paris der 60er-Jahre gab es Bewegungen, die sich gegen den
„Arbeitszwang“ auflehnten, sich gegen den Druck, das „Immer-schneller“
und „Immer-nur-für-den-Job“ aussprachen. Unter ihnen der Künstler Raoul Vaneigem,
der mit seinen Forderungen nach einer Revolution des täglichen Lebens und der Sprengung gesellschaftlicher Zwänge auch die Studentenbewegungen Ende der 60er-Jahre stark
beeinflusste.
All das kam irgendwann auch in der breiten Masse an. Immer
mehr Arbeitnehmer fühlten sich in der Enge des 9-to-5-Tages nicht mehr aufgehoben. Zu starr, zu gestern,
zu sicher, zu durchgetaktet. Also begann sich die Arbeitskultur in den 70er-Jahren zu verändern und insbesondere in der Kreativ-Branche boten Arbeitgeber
ihren Mitarbeitern immer mehr Freiheiten. Schnell änderte sich auch die Sprache
der CEOs, die sich nun Stärkung, Freiraum, Eigenständigkeit und das Netzwerken als
neues Credo auf die Fahne schrieben und sich einig wurden, dass nur so Großes entstehen kann.
Und dann kam mit der Freiheit auch die Angst
Doch die neue Freiheit kam nicht alleine. In den 80er-Jahren
wurde die Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt immer schwieriger. Aus sicheren Jobs wurde Gelegenheitsarbeit,
aus unbefristeten Verträgen befristete, dazu kamen schwankende Arbeitszeiten und eine fast
launenhafte Gehaltsmentalität. Das alles befeuert durch die Politik von
Ronald Reagan, der die Wirtschaft ermutigte, auf Zeitarbeiter zu setzen und versuchte, das Einstiegsgehalt für Berufsanfänger weiter nach unten zu drücken.
Angst kam auf. Und damit auch eine neue Arbeitswut. Lieber mehr geben, lieber
länger da sein, lieber zeigen, dass man selbst genau der Richtige für den Job
ist.
Auch in Deutschland nehmen seit Anfang der 1990er-Jahre befristete Stellen und Teilzeitarbeit rasant zu. Gerade für Berufsanfänger heißt das im Umkehrschluss oft: Mit der Angst vor dem sozialen Abstieg im Nacken so viel ackern, dass man sich möglichst unangreifbar und unentbehrlich macht.
Und heute?
Ein Acht-Stunden-Tag ist für viele heute eine Utopie, die durchschnittlich in Deutschland bei einer Vollzeitstelle geleisteten 42 Stunden die Woche ist in vielen Branchen kaum Alltag. Und so kommt in Zeiten steter Verfügbarkeit und vor allem dem Muss der steten Verfügbarkeit bei dem Gedanken an feste Zeiten vor allem eines in den Sinn:
Freiheit. Die Freiheit, das Leben jenseits der Arbeit planen und leben zu
können. Die Gewissheit, feste Zeiten ohne Druck und Müssen zu haben.
Ist Besserung in Sicht? Ja, wir bewegen uns zu freieren Arbeitsmodellen hin, bei denen fest zu leistende Arbeitsstunden oder die Präsenzkultur in den Hintergrund rücken, aber die dadurch gewonnene Freiheit darf eben nicht bedeuten, dass zwischen
Beruf und Privatleben irgendwann Grenzenlosigkeit herrscht. Und dafür muss eine Arbeitskultur entstehen, die nicht mehr von Kontrolle, sondern von Eigenverantwortung und einer gemeinsamen Aufgabe bestimmt wird.
Was sagt ihr? Ist das 9-to-5- Prinzip ein Luxus, den man sich zurückerkämpfen sollte oder aber hat die Idee einer fest definierten Tagesstruktur tatsächlich ausgedient?
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