Was viele von uns in Deutschland noch mühsam verhandeln müssen, ist für die Niederländer seit Juli 2015 Rechtsanspruch: Arbeit im Home Office. Jeder Arbeitnehmer hat Recht darauf. Wäre das nicht auch etwas für uns?
Home Office schafft Raum für alle
Das Kind ist krank, man selbst aber fit, man will endlich mal wieder in Ruhe einen Text oder ein Konzept entwickeln oder parallel zur Arbeit auf den Telekom-Menschen oder eine Möbellieferung warten. Die Lösung dafür scheint denkbar einfach: Home Office. Doch viele Unternehmen sehen genau das in Deutschland noch recht skeptisch. Die Präsenzkultur hat sich eingeschlichten, nur wer auch da ist, arbeitet sichtbar.
Das Recht auf Home Office ist in den Niederlanden seit Juli diesen Jahres gesetztlich verankert. Einen Antrag auf Heimarbeit müssen niederländische Arbeitnehmer noch immer stellen, doch der Arbeitgeber darf den Wunsch nur ablehnen, wenn er schwerwiegende betriebliche Gründe anführen kann. Als solche gelten zum Beispiel Sicherheitsrisiken oder finanzielle Schäden für das Unternehmen.
Home Office in den Niederlanden schon immer beliebt
Die Niederländer nutzten auch vor Juli die Option auf Home Office bereits intensiver als die Deutschen – der Anteil der Arbeitnehmer in Heimarbeit stieg bei unseren Nachbarn laut einer Untersuchung des wissenschaftlichen Instituts für Mobilitätspolitik zwischen 2008 und 2012 von 27 auf 32 Prozent.
In Deutschland liegt der Anteil laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zurzeit bei zwölf Prozent.
Gesetz stärkt Arbeitnehmerrechte
Das neue Gesetz in den Niederlanden, welches für Unternehmen ab zehn Mitarbeitern gilt, stärkt die Arbeitnehmerrechte und existiert so in keinem anderen europäischen Land.
Zwar bin ich persönlich großer Fan von gemeinsamer Teamarbeit, unkomplizierten Wegen der Livekommunikation und gemeinsamen Mittagspaussen, aber das Home Office hat auch Vorteile für alle. Wir haben uns als Unternehmen bewusst dafür entschieden, auch immer wieder die Möglichkeit für Home Office zu geben. Nicht jeden Tag und nur nach Absprache, aber trotzdem deutlich kommuniziert.
Home Office kann die Unternehmenskultur fördern
Am Ende kennt man es auch von sich als Chefin oder Chef selbst. Manchmal arbeitet es sich von zu Hause einfach besser. Weil nicht alle fünf Minuten jemand neben dem Tisch steht, man bei heißem Wetter vielleicht am späten Abend besser arbeiten kann, oder weil die Zeit zwischen 16 und 20 Uhr für die Familie reserviert ist.
Wer gute Mitarbeiter halten und fördern will, muss ihnen vertrauen. Und wenn Mitarbeiter gute Gründe haben an bestimmten Tagen im Home Office zu arbeiten, werden sie schon wissen, was sie da machen. Am Ende hilft es keinem Unternehmen nicht auf die Wünsche der Mitarbeiter einzugehen.
Präsenzkultur durchbrechen
Mitarbeiter, die immer von 9 bis 17 Uhr sichtbar sind, sind mit Sicherheit nicht unbedingt die, die am meisten arbeiten oder die besten Ergebnisse erzielen. Wie oft hatte unser Entwickler schon die besten Ideen morgens um 3 Uhr, wie oft haben wir die besten Entscheidungen Abends um 22 Uhr getroffen und wie oft entstanden die besten Artikelideen im Urlaub.
Das soll kein Plädoyer für 24/7-Jobs sein. Aber es zeigt deutlich, dass Ergebnisse nichts mit andauernder Präsenz zu tun haben. Es bedeutet aber auch nicht, dass ich persönlich an einsame Home-Office-Inseln glaube, die keinen Raum mehr für gemeinsame Teamenergie lassen.
Home Office sollte aber für Firmen eine selbstverständlichere Option werden. Ob wir dafür eine gesetztliche Regelung brauchen, weiß ich nicht. In jedem Fall kann die Option, ab und an im Home Office zu arbeiten, die Unternehmenskultur nachhaltig fördern. Und das wäre ganz sicher auch für die Unternehmen in Deutschland ein guter und wichtiger Schritt.
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