Eine Stadt in Schweden beschreitet neue Wege: Dort machen die Angestellten nach sechs Stunden Feierabend – und sind glücklicher, gesünder und produktiver.
Früher Feierabend in Göteborg
Leider ist das bei vielen von uns ja so: Wenn wir mal genau nachrechnen, dann verbringen wir mit unseren Kollegen mehr Zeit pro Woche als mit unserer Familie oder unserem Partner (sofern vorhanden). Ich gehe mal davon aus, dass die meisten das schade finden.
47 Stunden wird in den USA pro Woche durchschnittlich gearbeitet, in Deutschland arbeiteten Vollzeitbeschäftigte im vergangenen Jahr durchschnittlich 41,5 Stunden pro Woche, also etwas mehr als acht pro Tag. Und laut einer Studie leisten die Deutschen im europäischen Vergleich die meisten Überstunden (aber zum Ausgleich ist Deutschland auch der Spitzenreiter in Sachen Urlaubstage).
Bei solchen Stundenzahlen handelt es sich natürlich erstmal nur um die körperliche Anwesenheit: Zumindest in jenen Branchen, in denen es vor allem darum geht, vorm Rechner oder in Meetings zu hocken und dabei Brauchbares zu produzieren, ist die Netto-Arbeitszeit erheblich niedriger, wenn man alle Pläuschchen in der Kaffeeküche, das Herumtreiben in sozialen Netzwerken und Besuche bei Ebay, dem Lieblingsblog und so weiter mal abzieht. Soll heißen: Ein langer Arbeitstag bedeutet nicht unbedingt, dass man auch entsprechend produktiv ist.
Glücklichere und gesündere Mitarbeiter
Das dachten sich auch die Verantwortlichen der schwedischen Stadt Göteborg und führten im vergangenen Jahr den Sechs-Stunden-Tag für ihre städtischen Mitarbeiter ein – bei gleichbleibender Bezahlung. Das Ziel: glücklichere und gesündere Mitarbeiter mit einer besseren Work-Life-Balance, effektiveres und produktiveres Arbeiten, und auf lange Sicht idealerweise auch Kosteneinsparungen.
Nun lautet das erste Fazit: Das Experiment war erfolgreich. Die Leiterin eines Pflegeheims beispielsweise berichtet, die Qualität der Pflege und die Stimmung der Mitarbeiter habe sich gleichsam verbessert. Was natürlich nicht vergessen werden darf: So eine Maßnahme kostet Geld, um zusätzliche Mitarbeiter einstellen zu können. Trotzdem wollen etliche andere Einrichtungen in Schweden dem Beispiel Göteborgs folgen.
Dass während eines längeren Arbeitstages nicht unbedingt mehr Brauchbares herauskommt, hat beispielsweise auch der Standford-Ökonom John Pencavel belegt: Ab einer bestimmten Anzahl von Stunden, schreibt er, kämen wirklich gute Ergebnisse erheblich langsamer zustande.
Teilzeit für alle?
Der Mathematiker und Philosoph Bertrand Russell wiederum machte sich schon vor mehr als 80 Jahren noch weiter gehende Gedanken: In einem Essay aus dem Jahr 1932 schreibt er, dank des technologischen Fortschritts würden Arbeiter in Zukunft ihre Arbeitszeit auf 20 Stunden pro Woche reduzieren können, eine vernünftige Organisation vorausgesetzt – das klingt ja fast zu schön, um wahr zu sein: Teilzeit für alle!
Die deutsche Familienministerin Manuela Schwesig hatte zu ihrem Amtsantritt auch schon mal einen guten Gedanken zum Thema Arbeitszeit geäußert: Und zwar, eine Art Familien-Vollzeit einzuführen: Wer kleine Kinder hat, sollte bei gleicher Bezahlung seine Arbeitszeit auf 32 Stunden reduzieren können, das entspräche den schwedischen sechs Stunden pro Tag – damals ließ die Kanzlerin ausrichten, es handle sich lediglich um einen „persönlichen Debattenbeitrag“. Mit moderner Familienpolitik stehen in Deutschland die meisten Politiker bekanntlich auf Kriegsfuß. Immerhin darf mittlerweile eine Arbeitsgruppe den Vorschlag ausarbeiten.
Wie ist das bei euch – haltet ihr es für eine gute Idee oder bloß für eine Utopie, die Arbeitszeit generell auf sechs Stunden pro Tag zu reduzieren?
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