Foto: Sarah Greybeal | Unsplash

Hausfrau werden? Kein Wunder, dass das wieder boomt!

In ihrer Twentysomething-Kolumne schreibt Silvia über alles, was ihr gerade durch den Kopf geht. Und diese Woche über Retraditionalisierung.

Wie, du willst deine Karriere für ein Leben am Herd knicken? Na klar!

Neulich saß ich meiner Freundin gegenüber und wir sinnierten gerade über den Fortgang ihrer Karriere, ob ein Pony ihre Frisur noch besser machen würde und was denn noch so in ihrem Leben in nächster Zeit ansteht. „Tja, langfristig wären Kinder dann doch auch ganz schön“, sagt sie plötzlich. Ich nicke. „Hast du dir eigentlich schon mal Gedanken darüber gemacht, wie lange du Zuhause bleiben würdest?“ „Nee, nicht so richtig. Vielleicht nur ein halbes Jahr, vielleicht aber auch zwei bis drei oder fünf“, sagt sie so lapidar. Wie, zwei bis fünf Jahre? In meinem Kopf rumort es. Vor mir sitzt eine junge Frau, die sich seit Jahren den Hintern für ihre Karriere aufreißt, die sich lieber die Hand abbeißen würde, als bei einem wichtigen Meeting unscheinbar in der Ecke zu stehen und für die als Feministin Gleichberechtigung ziemlich hoch im Kurs steht. Aber wenn dann ein Kind kommt, dann ist das alles egal – oder was? Dann will sie einfach für ein paar Jahre raus? Oder für immer? Was ist das denn?

Die Hausfrau feiert ein Comeback

Der Wunsch nach einem Leben als Hausfrau war in den letzten 20 Jahren ziemlich verpönt, kommt aber jetzt wieder mit Karacho zurück – ganz besonders unter jungen Akademikerinnen. Das lässt sich zumindest im „Spiegel“ nachlesen, in dem auch die Steuerberaterin Sarah Prestele zu Wort kommt: „Entweder Kind oder Karriere“, das sei ihr schon immer klar gewesen. Und auch die Forschung zeigt: Frauen machen heute zwar das bessere Abitur und häufig auch das bessere Studium, aber sobald Kinder ins Spiel kommen, zählt das bei den allermeisten nicht mehr. Denn auch wenn die Chancen auf Karriere immer besser werden, gibt es eben noch eine andere Wahrheit: Ein wirklicher Wandel der Geschlechterrollen hat in Beziehungen überhaupt nie stattgefunden.

Tja, was soll ich sagen? Irgendwie frustrierend, oder? Denn was reden sich Feministinnen seit Jahrzehnten die Lippen wund und was wird nicht alles über die Stärkung von Mädchen und mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie allerorts gefaselt – und am Ende war’s eben doch nur heiße Luft. Tja, auch diese Pille muss man schlucken, denn nur weil Themen besprochen und medial aufgeblasen werden, passiert ja noch lange nichts in den Köpfen. Ach, Menschen, man will sie streicheln und wieder ins Gehege sperren, denn das wird ja doch nie was mit ihnen.

Da kommt mir übrigens ein wunderbares Foto (das ich leider nicht mehr auftreiben konnte) einer Demo für mehr Gleichberechtigung in den Sinn, bei der eine Frau um die 85 Jahre ein Schild hochhält, auf dem steht: „Ich kann nicht glauben, dass ich für den Mist immer noch demonstrieren muss.“ Lustig, nicht wahr? Aber leider auch nur für einen Augenblick. Doch zurück: Ja gut, ich hab’s kapiert: Die Frauen wollen also wieder hauptberuflich an den Herd – und das Modell „Vater in Vollzeit, Mutti maximal in Teilzeit“ ist einfach das Angesagteste, was unser Land in Sachen Arbeit aktuell zu bieten hat. Finden also offensichtlich viele prima. Was nörgele ich kinderlose arrogante Frau dann eigentlich rum? Tue ich ja gar nicht! Denn wer soll ihnen das eigentlich verübeln?

Warum das traditionelle Modell auch die Generation Y
begeistert

Denn auch wenn ich (jetzt noch) sage, dass das nichts für mich ist, kann ich die Traditionalisten ja verstehen. Zum einen: Klar kann es wahnsinnig erfüllend sein, sich um Kind und Kegel zu kümmern. Und klar, auch eine Frau, die sich ausschließlich um ihre Kinder kümmern will, kann Feministin sein. Ich bin selbst lange in den Genuss einer Rundum-Versorgung durch eine eben solche Mutter gekommen. Herrlich für mich und ich glaube, für sie war das auch ganz schön. Und zum anderen: Warum sollte man sein Glück nicht im Privaten suchen? In der Arbeitswelt sieht’s für viele Eltern und solche, die es noch werden wollen, ja zappenduster aus: Arbeite dich rund und sei dankbar, dass du überhaupt einen Job hast (zumindest für das nächste halbe Jahr) – und ein paar Groschen bekommst du ja auch noch dafür. Das sollte ja wohl reichen.

Nö, das reicht eben nicht. Es wäre schon schön, wenn man keinen Vertrag hat, der nur sechs Monate geht, von seinem Gehalt Kost, Logis und mehr als den „Luxus“ eines täglichen Coffe-to-go bezahlen kann und die Unternehmenskultur es nicht verbietet, vor 22 Uhr nach Hause zu gehen, wenn man im Beruf irgendwann noch mal aufsteigen will. Nein wirklich, das reicht genauso wenig, wie Mütter Lust haben, am Ende immer für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geradestehen zu müssen, weil sie zuhause letztlich doch immer den Hut in Sachen Kleinviehaufzucht aufhaben – und sich dann auch noch im Job schlecht fühlen, weil es immer noch kaum ein Arbeitgeber auf die Kette zu bekommen scheint, sich mal auf Arbeitsmodelle einzulassen, die für Eltern mit kleinen Kindern funktionieren. Wie, Meeting um 19.30h passt hier keinem? Home Office? Seid ihr bekloppt? Was soll das? Ihr gebt euch ja gar keine Mühe.

Aber das Modell Hausfrau hat eben auch Schattenseiten

Der Wunsch, seine Kinder in jeder Phase zu begleiten und sich nicht für eine Arbeitswelt durch die Mangel drehen zu lassen, von der man sowieso immer die Arschkarte gezeigt bekommt, sind also verdammt gute Gründe, das Leben als Hausfrau attraktiv zu finden. Das Problem ist nur, was ist, wenn der schöne Plan nicht aufgeht? Wenn der Partner irgendwann nicht mehr da ist? Wenn ein Teilzeitgehalt nicht mehr reicht und man keinen Job mehr findet, weil man zu lange raus war? Was ist, wenn aus den Vorteilen des Ehegattensplittings die Steuerfrechheit wird, die Alleinerziehende zu ertragen haben? Was ist, wenn dann irgendwann Altersarmut auf dem Plan steht? Was ist, wenn man zu lange auf eine Säule gesetzt hat und die einfach zusammenbricht?

Denn ja, auch wenn ich lange die Vollzeitversorgung bekommen habe, so habe ich eben auch zuhause erlebt, was es für eine Frau bedeutet, alleinerziehend mit drei Kindern zu sein und einen Vollzeitjob zu haben. Da geht es abends nicht mehr darum, dass man zu müde ist, um einen Aperol-Spritz mit seinen Freunden zu trinken – da geht’s meist kräftemäßig ums schiere Überleben. Von der Rente, die nach all den Jahren zuhause rausspringt, ganz zu schweigen. Und wenn ich diese Gedanken habe, dann weiß ich auch wieder, warum mein Kopf rumort, wenn mir eine Freundin sagt, dass sie möglicherweise Vollzeit-Hausfrau werden will. Weil die Gesellschaft, in der wir leben, einfach nicht für eine Revolution Richtung Anno dazumal gemacht ist. Weil am Ende wieder eine die Dumme ist: die Frau, die sich mit viel Vertrauen in das, was kommen mag,  auf dieses Spiel eingelassen hat.

Tja, was also soll ich in dieser Situation zu meiner Freundin sagen? Um es kurz zu machen: Ich habe ihr natürlich nicht gesagt, dass das bekloppt ist und der ideale Lebensentwurf ganz anders aussieht. Denn glücklicherweise fiel mir noch einmal zur rechten Zeit ein: Ich weiß über richtige Lebensentwürfe viel zu wenig, um darüber Vorträge zu halten. Und wie es aussieht, weiß unsere Gesellschaft von der Umsetzung von richtigen Lebensentwürfen auch nicht so richtig viel. Denn sonst wären wir ja gar nicht in dem Dilemma. Also habe ich ihr zugeprostet und gesagt: „Alles was du willst, mein Herz.“ Mit der leisen Hoffnung, dass, wenn es so weit ist, es mehr als die Lösung zwischen Regen und Traufe gibt. Denn nein, ein Mann ist eben keine Altersvorsorge.

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