Foto: Donnie Ray Jones I Flickr I CC BY 2.0

Kinderbetreuung: Unternehmen bewegen sich deutlich

Deutschlands Unternehmen sind in Bewegung: Sie unterstützen Mitarbeiter bei der Kinderbetreuung verstärkt – und kritisieren das Tempo der Politik.

 

Wirtschaft sieht Handlungs-bedarf

Beim bedarfsgerechten Ausbau der Kinderbetreuung besteht aus Sicht der Unternehmen und ihrer Mitarbeiter großer Handlungsbedarf. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung des Deutschen Industrie- und Handelskammerstages unter dem Titel „Am Ball bleiben – Kinderbetreuung flexibilisieren und ausbauen“. An der Befragung haben sich insgesamt 1.625 Unternehmen aus den Wirtschaftszweigen Industrie, Bauwirtschaft, Handel und Dienstleistungen beteiligt.

Die Unternehmensperspektive ist dabei erfreulich engagiert: Zu den Problemen, die in Firmen aufgrund von fehlender Betreuung für die Kinder von Mitarbeitern entstehen, bietet ein großer Teil bereits eigene Lösungen. Sie richten dennoch einen deutlichen Handlungsauftrag an die Politik.

Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung:

  • Sechs von zehn Unternehmen geben an, in ihren Betriebsabläufen eingeschränkt zu werden, da sie den Mitarbeitern aufgrund fehlender Betreuung mehr Flexibilität gewähren. Dies betrifft nicht nur Eltern von kleinen Kindern, sondern ebenso Mitarbeiter mit schulpflichtigen Kindern.
     
  • Das größte Problem sind Betreuungszeiten. Mehr als zwei Drittel der Firmen geben an, dass Beschäftigte aus diesem Grund ihre Arbeitszeit reduzieren, und Halbtagsbetreuung in jedem zweiten Betrieb dazu führt, dass die Gesamtbetriebszeit nicht vollständig abgedeckt werden kann. Auf der Prioritätenliste der Unternehmen stehen daher längere Öffnungszeiten von Kitas (90 Prozent), flexiblere Betreuungszeiten (79 Prozent) und mehr Schulhort- und Ganztagsschulplätze (80 Prozent).
     
  • Die Unternehmen berichten selbst, dass die Betreuung der Eltern einseitig auf Mütter verteilt ist. Jedes zweite Unternehmen gibt an, dass sie Führungsstellen schwieriger mit Frauen besetzen könnten, weil diese überdurchschnittlich oft aufgrund ihrer Kinder Halbtagsstellen annehmen würden. Dabei zeigen die Unternehmen hier schon Entgegenkommen: Jedes dritte Unternehmen ermöglicht seinen Führungskräften, in reduzierter Vollzeit zu arbeiten.
     
  • 80 Prozent der Unternehmen sehen dringenden Handlungsbedarf bei der Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Sie geben eine „leichte Entspannung“ seit 2012 an, kritisieren jedoch, dass Eltern lange auf das passende Betreuungsangebot warten müssten, und oft erst später in den Beruf zurückkehren könnten, als sie es sich wünschen.
     
  • Schließzeiten von Betreuungseinrichtungen führen bei 63 Prozent der Unternehmen zu Problemen, die Urlaubswünsche ihrer Angestellten zu realisieren, 85 Prozent sehen die Notwendigkeit, das Betreuungsangebot hier zu verbessern. 18 Prozent der Unternehmen bieten bereits eigene Betreuungsangebote in den Schließzeiten an.
     
  • 93 Prozent der befragten Unternehmen bieten mittlerweile flexible und familienfreundliche Arbeitszeitmodelle an, um ihre Mitarbeitern zu unterstützen. Diese Zahl stieg damit um 10 Prozentpunkte innerhalb von zwei Jahren. In jedem zweiten Betrieb können Mitarbeiter gelegentlich oder regelmäßig von Zuhause aus arbeiten. Sogar in kleinen Betrieben mit bis zu zehn Mitarbeitern bieten 80 Prozent flexible Arbeitsmodelle an.
     
  • Zwei Drittel der Unternehmen unterstützen ihre Beschäftigten bei vielen Aspekten der Kinderbetreuung. So stellen 43 Prozent Informationen zur Betreuung im Umfeld bereit, finanzielle Zuschüsse gibt es bei 30 Prozent der Unternehmen, eine Notfallbetreuung haben bereits 20 Prozent der Unternehmen und sieben Prozent bieten Hausaufgabenbetreuung an. Jedes fünfte Unternehmen verfügt über ein eigenes Betreuungsangebot für die Kinder von Mitarbeitern. Das ist eine Steigerung von mehr als 25 Prozent innerhalb von zwei Jahren.

Betreuugsangebot reicht nicht

Der DIHK nennt das Betreuungsangebot in Deutschland „nach wie vor nicht ausreichend” und kritisiert insbesondere zu kurze und unflexible Betreuungszeiten. Die Probleme für sowohl Eltern als auch Betriebe reichen dabei deutlich bis ins Schulalter der Kinder hinein – es geht nicht allein um die Betreuung von Kleinkindern. Halbtagsbetreuung steht zum Beispiel in der Regel nur vormittags zur Verfügung, sodass Eltern in Teilzeitstellen keine Schicht am Nachmittag übernehmen können. Gut die Hälfte der befragten Betriebe wünscht sich zudem einen stärkeren Ausbau der Wochenend- und Randzeitenbetreuung. Denn für Angestellte in der Krankenpflege, im Einzelhandel und anderen Branchen gehören Arbeitszeiten nach 18 Uhr und an Wochenenden zur Lebenswirklichkeit. Kindertagesstätten, die auch in den Randzeiten eine Betreuung anbieten, gibt es noch nicht in ausreichender Zahl.

Für flexiblere Öffnungszeiten von Kitas stellt der DIHK klar, dass der Erzieher-Kind-Schlüssel dafür angepasst werden müsste, und nur mit einer ausreichend finanziellen und personellen Ausstattung das Bedürfnis nach flexibleren und längeren Öffnungszeiten realisiert werden könne.

Unterstützung von Frauenkarrieren

Die Unternehmen geben selbst an, dass die berufliche Entwicklung von Müttern aufgrund von fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten am stärksten betroffen seien. Nach wie vor geben die Firmen an, dass Führungspositionen eine stärkere zeitliche Belastung mit sich bringen und Flexibilität erfordern. Halbtagsstellen für hohe Positionen halten die wenigsten für realistisch – reduzierte Vollzeit hingegen bieten immer mehr Unternehmen an.

Für das Problem, dass sich Unternehmen bei der Beförderung von Frauen stellt, gehen aus der Untersuchung jedoch nur wenige Lösungsvorschläge hervor. So finden sich keine Angaben dazu in der Studie, was Betriebe dafür tun, um männliche Mitarbeiter sowohl zu mehr Elternzeit als auch Teilzeitstellen zu ermutigen. Denn ein schlichter Ausbau der Betreuung deckt sich nicht unbedingt mit den Wünschen von Eltern. Eine Befragung dazu, wie Unternehmen eine bessere Aufteilung der Betreuung zwischen Müttern und Vätern unterstützen, wäre sicherlich spannend und lehrreich.

Anzeige