Frauen in der Tech-Branche? Tech ist noch immer Männer-Domäne, Frauen die Exoten. Das muss sich ändern. Frauen sollten selbstverständlich werden.
Ändern sich die Rollenbilder?
Wir leben in einer Zeit, in der klassische Rollenbilder auch in der Berufswelt auf der Kippe stehen: Der Anzug des erfolgreichen Jungunternehmers von einst ist vielerorts dem Hoodie gewichen; statt die Karriereleiter im Großkonzern hochzuklettern, setzen viele junge Menschen heute eher auf die eine zündende Idee. Eine junge, aufstrebende Tech-Branche beflügelt neue Arbeitsmodelle regelrecht. Stillstand herrscht jedoch bei der Verteilung der Geschlechter: Die Tech-Branche und ganz besonders der Finanztechnologie-Bereich sind immer noch typische Männer-Domänen. Natürlich kenne auch ich die Beispiele erfolgreicher Frauen in beiden Branchen wie Marissa Mayer als Vorstandschefin von Yahoo oder Elke König als Präsidentin der BaFin. Was mich jedoch stört, ist, dass Frauen in beiden Branchen immer noch als Exoten wahrgenommen werden und nicht etwa als Selbstverständlichkeit.
Nehmen wir zum Beispiel den FinTech-Bereich in dem meine Kollegen und ich aufstrebende Unternehmen fördern: Man würde vermuten, dass gerade bei Neugründungen und Nachwuchskräften frisch von der Uni die Geschlechterverteilung ausgeglichener sein müsste. Immerhin schließen nachweislich weit mehr Frauen erfolgreich ein Studium ab als Männer. Dennoch ist der FinTech-Bereich für viele von ihnen schlichtweg nicht die erste Wahl, sie entscheiden sich bewusst oder unbewusst eher für andere Branchen. Das mag an Gewohnheiten oder Empfehlungen liegen oder einfach an der Angst, sich in unbekannte Gebiete vorzuwagen. Ich sehe allerdings keinen Grund, warum FinTech auf unbestimmte Zeit eine Männerdomäne bleiben sollte. Vielmehr bin ich der festen Überzeugung, dass Frauen der Finanzbranche guttun würden. Doch dazu muss ein Umdenken erfolgen und Frauen müssten viel stärker dazu motiviert werden mit etablierten Rollenmustern zu brechen.
Eine Frauenquote wird das Problem nicht lösen
Ich bin wirklich kein Freund von Quoten: Sie führen dazu, dass bei der Personalsuche die falschen Faktoren herangezogen werden und man das eigentliche Ziel aus den Augen verliert. Wir bei Liquid Labs, einem Innovationslabor für neue Unternehmen und Produkte aus dem Bereich Finanztechnologie, stellen nicht eine bestimmte Anzahl von Frauen oder Männern ein, denn wir suchen schließlich immer nach der besten Person für den jeweiligen Job. Dabei sollte das Geschlecht überhaupt keine Rolle spielen. Es geht um den beruflichen Hintergrund, den Charakter und um die passende Einstellung für den Job an sich.
Leider bekommen auch wir immer noch weitaus mehr Bewerbungen von Männern, aber die Qualität der wenigen weiblichen Bewerbungen ist in der Regel sehr hoch, was dazu führt, dass wir Frauen gerne zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen ist aus eigener Erfahrung ausschlaggebend für ein gutes und kreatives Arbeitsumfeld. Ich habe beobachtet, dass die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sich positiv auf Arbeitsergebnisse auswirken: Frauen agieren oftmals reflektierter und nachhaltiger, während viele Männer – und dazu gehöre ich auch – oft impulsive und schnelle Entscheidungen treffen. Diese unterschiedlichen Herangehensweisen zusammenzubringen, kann wesentlich zum Unternehmenserfolg beitragen. In vielen Situationen ist es gut, jemanden im Team zu haben, der vorschnelle Entscheidungen in Relationen setzt und hier können meiner persönlichen Erfahrung nach Frauen besonders häufig glänzen.
Stereotypen im Privaten abschaffen
Zahlreiche Diskussionen stellen aktuell den Frauenmangel in der Tech-Branche und in Führungspositionen in den Mittelpunkt. Allen voran die #leanin-Kampagne von Sheryl Sandberg, die jedoch meiner Meinung nach nicht dazu führt, das Problem auch aus der Welt zu schaffen. Vielmehr wird hier die Frau erneut in eine Sonderrolle versetzt statt die Selbstverständlichkeit von Frauen in Technologieberufen zu fördern.
Allerdings kann sich auf der anderen Seite nur etwas ändern, wenn das Bewusstsein dafür vorhanden ist und die Gesellschaft weniger in Schubladen denkt. Das beginnt für mich schon im Privaten: Meine Frau und ich versuchen sowohl Pflichten als auch Karrierepläne gerecht untereinander aufzuteilen. Hier stets die Waage zu halten ist nicht immer leicht und ich denke diese Herausforderung im Privaten ist typisch für meine und jüngere Generationen. Gerade die wandelnden Anforderungen, die eine auf immer mehr Flexibilität ausgerichtete Arbeitswelt mit sich bringen, sind dabei nicht immer leicht mit diesem Verständnis unter einen Hut zu bringen: Ich arbeite zum Beispiel meist außerhalb, bin viel auf Reisen – meine Frau kann viel von zu Hause aus erledigen.
Wir bemühen uns tagtäglich ein ausgeglichenes Verhältnis zu schaffen. Konkret teilen wir Aufgaben dabei übrigens nicht nach den stereotypischen Rollenvorbildern auf, die ich noch aus meiner Kindheit kenne: Ich bin zum Beispiel aktiv in der Küche oder mache die Wäsche oder bügele. Dafür gibt meine Frau als Handwerkerin den Ton an! Ich würde mich freuen, dass diese Selbstverständlichkeit sich im Kleinen als auch im Großen wiederfinden würde: Ein höherer Anteil von Frauen in der Tech- und speziell der Fintech-Branche ist nicht nur begrüßenswert, sondern dringend nötig.