Spätestens mit diesen Zahlen wird klar, dass Männerfußball die gesamte Gesellschaft betrifft. Denn britische Studien zeigen, dass sich bei Fußball-Weltmeisterschaften der Frust der Fans gewaltvoll an Frauen entlädt.
Foul mit der Faust
Häusliche Gewalt ist weit verbreitet. In Deutschland wird rund jede vierte Frau im Laufe ihres Lebens von einem meist männlichen Beziehungspartner misshandelt – es trifft Akademikerinnen genauso wie Kassiererinnen. Oft sind auch Kinder mitbetroffen. Körperliche, sexualisierte und psychische Gewalt greifen ineinander und in der Regel wiederholen sich die Angriffe gegen die Partner*in und bleiben keine einzelnen Übergriffe.
Verschiedene Studien britischer Forscher*innen haben einen signifikanten Anstieg dokumentierter häuslicher Gewalt während zurückliegender Fußballweltmeisterschaften der Männer für Großbritannien verzeichnen können. In einer Studie der Universität Lancaster wurde deutlich, dass sogar ein Sieg des englischen Teams sich negativ für die Quote häuslicher Gewalt auswirkte: Gewann das Team oder spielte es unentschieden, stieg die Zahl gemeldeter Übergriffe um 26 Prozent, bei einer Niederlage nahm die Polizei 38 Prozent mehr Notrufe von Frauen entgegen, deren Partner sie angegriffen hatte.
Britische Polizeibehörden stellen sich laut eines Berichts des Independents daher während großer Fußballturniere darauf ein, mehr Notrufe aufgrund häuslicher Gewalt entgegenzunehmen und zur Hilfe ausrücken zu müssen. In dieser Zeit sind mehr Polizist*innen im Dienst, die für ein Eingreifen bei häuslicher Gewalt ausgebildet sind – für das Finale am Wochenende werden die Teams sogar noch einmal aufgestockt. Neben genereller Gewaltbereitschaft tragen vermehrter Alkohol und die emotionale Anspannung dazu bei, dass mehr Übergriffe geschehen. Es ist davon auszugehen, dass sich die Ergebnisse für Großbritannien auch auf andere Ländern und Sportereignisse übertragen lassen, bei denen starke Emotionen und Alkohol zusammenfallen, und damit einen Anstieg von Gewalttaten im häuslichen Umfeld bewirken. Denn dieses Phänomen trifft Frauen in nahezu jedem Land.
Kampagnen gegen häusliche Gewalt
2014 initiierte das „National Centre for Domestic Violence“ das erste Mal eine Kampagne, um auf den Anstieg häuslicher Gewalt im Rahmen von Fußballspielen aufmerksam zu machen. Auch 2018 versucht die Organisation mit einer neuen Kampagne, Menschen für das Thema zu sensibilisieren und spricht damit vor allem mögliche Opfer an, indem die Kampagnen-Motive auf die Möglichkeit einer einstweiligen Verfügung aufmerksam machen, die sie schützen könnte, bevor sie in Gefahr geraten. Neben dem „National Centre for Domestic Violence“ hat die Organisation Women’s Aid, die sich ebenfalls auf die Prävention von häuslicher Gewalt und Unterstützung von betroffenen Frauen und Kindern spezialisiert hat, die kontinuierliche Kampagne „Football United Against Domestic Violence“ ins Leben gerufen, die mit Fußball-Vereinen, Sport-Medien, Spielern und Fans kooperiert, um Bewusstsein für das Problem zu schaffen und die Anzahl der Gewalttaten langfristig zu senken.
Die aktuelle Kampagne hat das „National Centre for Domestic Violence“ von der Werbeagentur J. Walter Thompson London entwickeln lassen. Die englische Flagge, sowie die Flaggen der Schweiz, von Frankreich, Japan und Belgien sind dabei als Körperverletzungen geschminkt und von Neil Raja fotografiert worden – das Belgien-Motiv zeigt einen verletzten Mann, um der Tatsachen Rechnung zu tragen, dass auch andere Geschlechter als Frauen Opfer von häuslicher Gewalt werden.
Wenn du selbst betroffen bist
Wenn du akut bedroht wirst, ruf zunächst den Polizeinotruf (110) an. Nenne deinen Namen, die Adresse und betone, dass du sofort Hilfe brauchst. Wenn du kannst, teilen am Telefon der Polizei mit, ob du verletzt bist, Kinder dabei sind, der Täter noch anwesend ist und eventuell im Besitz von Waffen ist. Empfohlen wird zudem, Kinder und andere besonders Schutzbedürftige Personen zum Beispiel bei Nachbar*innen in Sicherheit zu bringen, bis die Polizei eintrifft.
Für spätere Beratung gibt es Frauenberatungsstellen und das Hilfetelefon für Gewalt gegen Frauen, oder weitere Beratungsstellen, die auf andere Geschlechter oder besondere Situationen eingestellt sind.
Wenn du Freund*in oder Nachbar*in bist
Wenn du befürchtest, dass einer anderen Person gerade in diesem Moment Gewalt geschieht, wende auch du dich an die Polizei und rufe um Hilfe. Hier gilt: Lieber einmal zu viel als zu wenig.
Für andere Verdachtsfälle, die nicht in diesem Moment geschehen, kannst auch du dich zunächst an Beratungsstellen wenden, um mehr darüber zu erfahren, wie du betroffene Personen sensibel unterstützen kannst. Vertraue auf das Wissen der Expert*innen aus der Beratung.
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