Daniella Bloch hat mit „Nehara“ etwas in Israel Einzigartiges geschaffen: eine Gruppe religiöser, jüdischer Frauen, die vor einem breiten Publikum tanzt. Und das, obwohl es im Land kaum professionelle Tänzerinnen gibt, die gleichzeitig das Judentum praktizieren.
Ein Tänzer will tanzen
Am schwierigsten ist es, Tänzerinnen zu finden, die zu Nehara passen. Sie sollen religiös sein, ja, aber dabei geht es nicht nur darum, den Schabbat einzuhalten oder koscher zu essen. Daniella Bloch sucht Frauen, die eine Art „Wahrheit“ gefunden haben und die „wissen, warum sie tun, was sie tun“. Doch das ist immer noch nur die halbe Miete. Nehara braucht exzellente Tänzerinnen. Welche, die bereits als Kinder trainiert haben und über die nötigen technischen und körperlichen Fähigkeiten verfügen. Nicht zuletzt sollen sie interessant und interessiert sein und sympathisch.
Als Daniella Bloch, 38 Jahre alt, und als Kind mit ihrer großen Familie aus den USA nach Israel eingewandert, ihren Anspruch an Nehara-Tänzerinnen beschreibt, muss sie kurz lachen. Doch dann schaut sie ernst, mit einem Blick, der fast etwas Herausforderndes hat, „ich weiß, ich verlange viel. Aber ich verlange noch mehr von mir selbst.“
In der Tanzwelt ist sie eine Außenseiterin
Daniella Bloch ist neun, als ihre Mutter sie zum ersten Mal in eine Ballettstunde fährt. Kurz danach beginnt sie an der renommierten Bat Dor Tanzschule in Tel Aviv zu trainieren. Eine Art Fabrik für Talente. Bloch lernt Disziplin, die Technik des Tanzens und den Wettbewerb kennen. Fünf Stunden am Tag. Sechs Tage die Woche. Und das, obwohl ihre Familie rund eine Stunde entfernt lebt. Insgesamt sieben Jahre tanzt sie in dem Bat-Dor-Ensemble. Schon damals ist sie dort eine Außenseiterin. In die Welt der Bohemians, der Künstler, passt sie als Nationalreligiöse nicht hinein. Bloch geht nach New York. Insgesamt 15 Jahre tanzt sie an verschiedenen Orten, bis sie nicht mehr kann: „Orthodox zu sein und zu tanzen – es war ein einziger Kampf, das miteinander zu vereinbaren. Ich habe versucht, in den beiden Welten zu überleben, aber es war unglaublich frustrierend und schließlich habe ich aufgehört, zu performen.“
Quelle: Nehara Dance Group
Doch die Kunst lässt sie einfach nicht los. Ein Tänzer will tanzen. Sie kommt auf eine waghalsige Idee. Was wäre, wenn sie die Welten verbindet? Bloch beschließt, dass Israel bereit ist für eine religiöse Tanzgruppe, deren Publikum bunt sein soll. „Es hat mich einfach unglaublich gestört, dass religiöse Tänzerinnen nur vor einem weiblichen Publikum auftreten. So kann man nicht Teil der Community sein, du kannst nicht auf Festivals auftreten. Es raubt dir die Möglichkeit, an Wettbewerben teilzunehmen, das aber ist extrem wichtig für die Gruppe und die Tänzer. Außerdem will ich auch den säkularen Menschen zeigen, dass sie zu uns Religiösen eine Verbindung haben können.“
Das Tanzensemble steht vor vielen Herausforderungen
Ein gutes Jahr später beginnt Nehara mit den Proben. Bis heute hat die Gruppe bereits vier verschiedene Stücke aufgeführt. Geholfen hat ihnen dabei auch eine Crowdfunding-Kampagne, die immerhin etwas mehr als 30.000 Dollar in die ständig klamme Kasse des Ensembles befördert hat. Schwer bleibt es trotzdem. Mittlerweile hat Bloch, die selbst Mutter von zwei kleinen Söhnen ist, ihr gesamtes Erspartes in ihren Traum gesteckt. In diesem Jahr wird sie erstmals staatliche Unterstützung für Nehara beantragen.
Doch die Tanzgruppe steht noch vor ganz anderen Herausforderungen: „Jedes Mal, wenn mir eine der Tänzerinnen sagt, dass sie schwanger ist, möchte ich lachen und weinen zugleich.“ Religiöse Familien haben meist viele Kinder. Aber Nehara kann es sich nicht leisten, zehn Monate auf eine Tänzerin zu warten. Die Tatsache, dass nicht alle Tänzerinnen in Tel Aviv leben, wo in einem Studio in Florentin geprobt wird, kommt erschwerend dazu. Einmal hat Daniella Bloch auch mit dem Baby in einer Tragehilfe vor dem Bauch trainiert, obwohl sie eigentlich dagegen ist, denn beim Tanzen sollen sich die Frauen nur darauf konzentrieren. Deswegen sitzen heute meist Babysitter mit in den Proben. Die meisten von Blochs Tänzerinnen stehen zwischen zwei und drei Monaten nach der Entbindung wieder auf der Bühne.
Und dann sind da auch noch die Kritiker. Menschen, die den Frauen von Nehara vorwerfen, nicht wirklich religiös zu sein. „Wenn ich das höre, trifft es mich sehr. Ich war immer eine Außenseiterin in meinem Beruf, um meine Religion in dieser Welt nicht zu verlieren, musste ich um so mehr an das glauben, was ich tue.“ Bloch weiß natürlich, dass es laut Halacha (jüdisches Recht) Frauen verboten ist, vor Männern zu tanzen, „aber in der Halacha gibt es auch die Möglichkeit für einen persönlichen Raum. Und manchmal muss man einfach sein, wer man wirklich ist.“
Dieser Text erschien zuerst bei Zwischenzeilen, einem Portal für Themen abseits des politischen Alltags in Israel.
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