Foto: Timothy Paul Smith | Unsplash

Wie es sich anfühlt, wenn die Angst dein ständiger Begleiter ist

Nach einer gewaltsamen Beziehung, gibt es keinen Moment, in dem ich keine Angst spüre. Kann ich das alleine schaffen oder brauche ich professionelle Hilfe?

 

Die Angst ist immer da 

Ich sitze auf dem Sofa und es ist still. Als der Türsummer laut ertönt, erschrecke ich und spüre wie die Angst in mir hochkommt. Mein Herz beginnt zu rasen, ich atme schnell, die Gedanken kreisen. Ich bin das zweite Mal umgezogen, seit mich mein Ex-Partner geschlagen und missbraucht hat. In meiner vorigen Wohnung hatte ich an jedem Abend Angst, an dem ich alleine war. Obwohl er nicht dort war und auch nicht wusste, wo ich wohne. Aber das Erlebte war noch so frisch, ich konnte nicht anders. Jetzt sind fast drei Jahre vergangen und ich bin wieder umgezogen. Ein neuer Ort, mit viel mehr Trubel um mich herum. Das ist gut, ich werde so etwas stumpfer von den vielen Geräuschen. Vorher hat mich jedes kleine Geräusch aufschrecken lassen.

Und doch ist sie wieder da, die Angst. Mein ständiger Begleiter mit dem ich immer noch nicht zurechtkomme. In mir drängt sich wieder der Gedanke auf, ich sollte mir professionelle Hilfe suchen. Aber das will ich nicht. In meinem Kopf ist zu stark verankert, dass das bedeutet, ich sei schwach. Es ist eine Ironie so zu denken, nach dem man so viel über sich hat ergehen lassen. Ich war der schwache Part in der Beziehung, sonst wäre das ja alles nicht passiert. Und ich war zu schwach um sofort zu gehen. Und doch denke ich jetzt, ich müsste stark genug sein um mir selber helfen zu können. Das muss doch irgendwie gehen. So vieles habe ich schon geschafft seit der Trennung. Aber meine Mittel sind erschöpft. Es wird nicht besser.

Mein Leben verläuft auf den ersten Blick sehr normal für einen Außenstehenden. Ich arbeite Vollzeit, stehe finanziell auf eigenen Beinen, versuche meine Selbstständigkeit nebenher aufzubauen und habe auch den ein oder anderen sozialen Kontakt – aber in mir drin sieht es anders aus. Und ich bin lange nicht mehr so gut darin, meine Gefühle für mich zu behalten. Meine Kollegen fragen hin und wieder, was denn los sei. Das nervt mich. Ich möchte das wieder im Griff haben. Darum habe ich beschlossen, mir nun endlich professionelle Hilfe zu suchen. Aufzuarbeiten, was ich seit Jahren mit mir rumschleppe.

Ich schäme mich 

Doch sich etwas vorzunehmen und es dann tatsächlich auch zu machen sind zwei unterschiedliche Dinge. Man muss es wirklich wollen. Und in mir ist immer noch so viel Scham. 

Ich rufe bei einer Therapeutin an und es klingelt. Nach dem zweiten Klingeln lege ich wieder auf. Ich bin noch nicht soweit. Die Scham hat gewonnen. Als ich da so schwach sitze, wird mir wieder bewusst, wie groß der Einfluss von meinem Ex-Partner noch heute auf mich ist. Das will ich nicht. Also nehme ich mir wieder vor, eine Therapeutin anzurufen. Diesmal werde ich mir dafür einen Tag frei nehmen. Die Mittagspause scheint mir nicht die richtige Zeit dafür zu sein und überhaupt, bin ich dann nicht total aufgewühlt, wenn es klappt und ich nach drei Jahren geschafft habe, was mir vorher so viel Angst gemacht hat? 

Kennt ihr das?

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