Frau im Krankenhausbett, ein Arzt im weißen Kittel steht vor ihr
Foto: IMAGO / Westend61

„Geh mal zum Yoga“: So fühlen sich viele Frauen von der Medizin allein gelassen

Frauengesundheit braucht mehr Aufmerksamkeit, mehr Innovationen, mehr Fokus – und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt. Beim dritten Frauengesundheitsgipfel wurde im Essener Medienhaus deutlich: Die Bedürfnisse von Frauen in Medizin und Gesundheitsversorgung dürfen nicht länger übersehen werden.

„Auch im Jahr 2025 erhalten Frauen leider zu oft nur dann eine erfolgversprechende Behandlung, wenn ihr Krankheitsbild dem männlichen Standard entspricht.“ Mit diesen Worten eröffnete Verlegerin Julia Becker das dritte Live-Event der „BILD der FRAU AKTION Gesundheit“ bei der FUNKE Mediengruppe, zu der auch EDITION F gehört. 

„Auch im Jahr 2025 erhalten Frauen leider zu oft nur dann eine erfolgversprechende Behandlung, wenn ihr Krankheitsbild dem männlichen Standard entspricht.“

Julia Becker

Laut dem Global Gender Gap Report 2023 des Weltwirtschaftsforums (WEF) wird es bei der aktuellen Entwicklung noch 131 Jahre dauern, bis weltweit echte Geschlechtergleichheit erreicht ist. Diese Zahl berücksichtigt Fortschritte in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Bildung und Gesundheit. Bei letzterem erleben wir eine systematische Benachteiligung, weil Forschung, Diagnostik und Therapien noch immer vor allem auf den männlichen Körper ausgerichtet sind. Mit fatalen Folgen für die Gesundheit von Millionen Frauen.

Frauengesundheit? In der Forschung noch immer eine „Nebensache“

Der Gender Health Gap ist real – und er kann Leben und Gesundheit kosten. Deshalb gehört Frauengesundheit in den Fokus. Um das zu erreichen, fand zum dritten Mal das Event „AKTION Gesundheit“ statt. Hierbei drehte sich alles um Frauengesundheit, weil eben Frauen eine andere Medizin brauchen. Mit dabei waren wieder renommierte Expert*innen aus den Bereichen Medizin, Forschung und Politik. 

„Jede Person hat das Recht auf eine schnelle und zuverlässige medizinische Versorgung. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen hat sich zum Ziel gesetzt, geschlechtersensible Medizin in Praxis und Ausbildung weiter voranzubringen. Ärzt*innen müssen von Anfang an lernen, wie sich Krankheiten bei Frauen anders äußern und wie Frauen gezielt behandelt werden können. Frauengesundheit ist ein zentrales gesellschaftliches Anliegen und gehört stärker in den Fokus. Der Frauengesundheitsgipfel unterstreicht diese Bedeutung“, sagte Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. 

Expert*innen klären über Frauengesundheit auf

Prof. Dr. Sylvia Thun sprach über digitale Standards und Datenlücken im Gesundheitswesen. Die Charité-Professorin und Expertin für E-Health machte deutlich, wie einseitige Datengrundlagen die medizinische Versorgung von Frauen benachteiligen – und wie digitale Lösungen zu mehr Gerechtigkeit beitragen können.

Prof.Dr. Ute Seeland hielt einen Fachvortrag über die Bedeutung geschlechtsspezifischer Forschung. Die Gendermedizinerin und Leiterin der Hochschulambulanz für Geschlechtersensible Medizin in Magdeburg begann ihren Vortrag mit den Worten: „Es ist 2025 und jetzt stehst du hier und erzählst was über Geschlechterunterschiede. Wie kann das sein?“ Sie zeigte auf, warum Männer- und Frauengesundheit unterschiedlich gedacht und behandelt werden müssen – und wie wichtig differenzierte Daten für die Zukunft der Medizin sind. Ein sehr eindrückliches Zitat, das in den Köpfen der Zuhörenden blieb, lautete: „Der typische Schmerzpatient ist über 55 Jahre alt und weiblich. Das typische Forschungsobjekt in der Pharmazie ist jedoch eine acht Wochen alte männliche Maus.“ Das Zitat stammt von E.C. Hayden aus dem Jahr 2010 und es bringt die Problematik anschaulich auf den Punkt.

Prof. Dr. Maggie Banys-Paluchowski stellte Fortschritte in der Brustkrebstherapie vor. Die onkologische Gynäkologin und Brustchirurgin aus Lübeck berichtete über moderne, schonende Therapien und neue Erkenntnisse aus der Forschung, die die Heilungschancen und Lebensqualität von Patientinnen deutlich verbessern.

Wo bleibt die Innovation in der Frauengesundheit?

In ihrem Vortrag stellte Prof. Dr. M. Banys-Paluchowski außerdem eine zentrale Frage: Gibt es einen Unterschied zwischen Frauen und Männern in der Onkologie? Ihre Antwort war ein klares Ja – und sie zeigte eindrucksvoll, wie unterschiedlich in der Praxis mit Innovationen umgegangen wird.

So werden heute die meisten radikalen Prostataentfernungen robotergestützt durchgeführt – mit großem Erfolg. Studien zeigen, dass Männer nach einer Roboter-OP signifikant seltener unter Erektionsstörungen leiden. Der Einsatz dieser Technologie ist inzwischen Standard. Die Kosten dafür? Zwischen 1,5 und 2,5 Millionen Euro für den Roboter, hinzu kommen jährliche Instandhaltungskosten von etwa 100.000 bis 200.000 Euro.

„Warum tun wir uns so schwer mit Innovationen in der Frauengesundheit?“

Prof. Dr. M. Banys-Paluchowski

Im Vergleich dazu: In der Brustkrebschirurgie gibt es ebenfalls moderne Methoden wie die ultraschallgestützte Tumorentfernung. Studien belegen, dass damit deutlich häufiger erreicht wird, den Tumor vollständig im gesunden Gewebe zu entfernen – und dass dadurch viele Zweitoperationen vermieden werden können. Dennoch werden solche Verfahren bislang kaum genutzt. Eine moderne Ultraschallmaschine kostet zwischen 40.000 und 80.000 Euro – ein Bruchteil der Robotertechnik. Trotzdem wurden vor zwei Jahren weniger als zehn Prozent der potenziell geeigneten Brustkrebsoperationen mit dieser Methode durchgeführt. Die Frage, die bleibt: „Warum tun wir uns so schwer mit Innovationen in der Frauengesundheit?“

Die Schließung des Gender-Data-Gaps ist essenziell für eine gerechte und effektive Gesundheitsversorgung. Femtech-Unternehmen spielen hierbei eine Schlüsselrolle, indem sie innovative Lösungen entwickeln und gleichzeitig zur Datengenerierung beitragen. Eine stärkere finanzielle Förderung sowie gesetzliche Maßnahmen sind notwendig, um die strukturellen Barrieren zu überwinden und eine geschlechtersensible Medizin voranzutreiben.

Wie finde ich gute Ärzt*innen? Gesprächsrunde mit starken Stimmen

Der Frauengesundheitsgipfel 2025 – Foto: FUNKE Foto Service

Die richtige medizinische Betreuung zu finden, ist für viele Menschen schwer – besonders für Frauen. Denn noch immer werden ihre Beschwerden häufig nicht ernst genommen oder falsch eingeordnet. In einer Gesprächsrunde beleuchteten vier Expert*innen aus Medizin, Medien und eigener Erfahrung, worauf es bei einer guten medizinischen Versorgung wirklich ankommt.

Mit dabei war unter anderem Prof. Claudia Schmidtke. Sie ist Herzchirurgin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Lübeck. Sie rettet im OP Leben – möchte aber vor allem, dass es gar nicht erst so weit kommt. Als Sprecherin des universitären Herzzentrums Lübeck engagiert sie sich besonders für die Herzgesundheit von Frauen. 

Mirjam Bauer ist Redaktionsleiterin bei Munich Inquire Media (MINQ). Gemeinsam mit ihrem Team hat sie für BILD der FRAU die erste Positivliste für Ärzt*innen erstellt, die gendersensibel behandeln – also die speziellen Bedürfnisse von Frauen ernst nehmen. Aktuell arbeitet sie an einer weiteren Liste: Diesmal mit dem Fokus auf Ärzt*innen, die sich auf die Wechseljahre spezialisiert haben.

Prof. Dr. Burkhard Sievers ist Chefarzt der kardiologischen Klinik am Sana Klinikum Remscheid. Er ist Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie und Experte für geschlechtsspezifische Medizin. Als Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für geschlechtsspezifische Medizin setzt er sich dafür ein, dass Frauen und Männer individuell und passend behandelt werden: „Einen guten Arzt erkennt man daran, dass er einem zuhört, dass er empathisch ist, dass er einen ernst nimmt und dass er natürlich fachlich gut ist.“ 

Medical Gaslighting ist ein reales Problem – gerade bei Frauen

Ira Schiwek bringt die Perspektive einer Patientin ein. Nach der Geburt ihrer Tochter verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand drastisch. 

„Meine Erfahrungen mit Medical Gaslighting ist, dass ich viele Jahre lang zu Arzt und Ärztin gerannt bin, um medizinische Hilfe zu bekommen und ich konnte mir ausnahmslos anhören, dass ich eine gestresste Mama bin, dass ich mal zum Yoga gehen soll und mir die Symptome schlichtweg einbilden würde.“

Erst nach 18 Monaten erhielt sie die Diagnose: zwei Autoimmunerkrankungen. Heute geht es ihr besser, weil sie endlich richtig behandelt wird. Als Health Influencerin und Buchautorin spricht sie offen über ihre Erfahrungen und setzt sich gegen sogenanntes „Medical Gaslighting“ ein.

„Ich konnte mir ausnahmslos anhören, dass ich eine gestresste Mama bin, dass ich mal zum Yoga gehen soll und mir die Symptome schlichtweg einbilden würde.“

Ira Schiwek

Gute medizinische Versorgung braucht Fachwissen, aber auch Einfühlungsvermögen, Zeit und den Blick für individuelle Bedürfnisse – besonders bei Frauen. Es geht darum, gehört, ernst genommen und richtig behandelt zu werden. Die vier Teilnehmenden eint ein klares Ziel: Medizin muss gerechter, transparenter und gendersensibler werden.

„Frauen genauso gut zu behandeln wie Männer, ist kein Luxus- oder Bonus-Thema“, betonte auch Janina Süss, Geschäftsführerin von BILD der FRAU. „Gendermedizin rettet Leben und macht unsere Gesellschaft gerechter. Darum darf sie auch in Zeiten vieler Krisen nicht vergessen werden. Wir sorgen dafür!“

Medizin mit Frauenblick: Diese Praxen kennen sich mit deinen Beschwerden aus

„BILD der FRAU wird weiter dafür kämpfen, dass eine gendergerechte Medizin in Deutschland Alltag und für jede Frau zugänglich wird“, sagt BILD der FRAU-Chefredakteurin Sandra Immoor. „Bis es so weit ist, hilft unsere bundesweite Ärzteliste Frauen schon heute, die bestmögliche Behandlung zu finden.“

Diese Liste nennt aktuell die Adressen von 115 Mediziner*innen, die gesichert und geprüft gendersensibel behandeln – und wird noch in diesem Jahr weiter ausgebaut. Außerdem kommt im Herbst eine zweite Liste neu hinzu: Sie wird Praxen nennen, in denen man sich mit den Wechseljahren besonders gut auskennt – denn die Menopause ist immer noch ein blinder Fleck in der Medizin und kaum Thema bei der Ausbildung von Ärzt*innen.

Große Aktion von BILD der FRAU gegen die gesundheitliche Versorgungslücke bei Frauen

Mit dieser digitalen Liste und den wichtigen Gesundheits-Informationen von Deutschlands führenden Expertinnen und Experten für geschlechtergerechte Medizin kannst du als Patientin endlich selbst etwas tun, um eine gute Behandlung einzufordern. BILD der FRAU stellt hervorragende Ärztinnen und Ärzte vor, die wissen, dass weibliche Anatomie, Stoffwechsel und Hormonstatus einen oft entscheidenden Einfluss auf Diagnose und Therapie haben. Erlebe die Fachleute im Video, klicke dich durch Bildergalerien und eine digitale Deutschlandkarte.

Gesundheitsgipfel 2025: Dank an alle Sponsor*innen

Ein herzliches Dankeschön geht an unsere Sponsoren Gedeon Richter Pharma und Novartis Pharma GmbH, die mit ihrem Engagement wesentlich zum Gelingen des Gesundheitsgipfels beigetragen haben.

Gedeon Richter unterstützt Frauen in allen Lebensphasen mit einem breiten Portfolio hormoneller Arzneimittel – von Verhütung über Fertilitätsbehandlungen bis zur Therapie von Myomen, Endometriose und Wechseljahresbeschwerden. Mit „Lenzetto“ bietet das Unternehmen das einzige transdermale Estradiol-Spray zur Behandlung von klimakterischen Beschwerden an.

Novartis engagiert sich insbesondere in der Brustkrebs-Therapie für eine bessere Versorgung betroffener Frauen und setzt dabei wichtige Impulse in der Onkologie.

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