“Würde ist kein Privileg”, heißt der Slogan einer südafrikanischen Bildungskampagne. Ihr Ziel: Mädchen sollen trotz ihrer Periode nicht den Unterricht verpassen.
Bildungshindernis: Menstruation
„Erziehst du einen Jungen, dann formst du einen Mann, erziehst du ein Mädchen, dann formst du das Volk“, lautet ein altes Sprichwort aus Ghana. Was aber hat die Menstruation junger Mädchen mit ihrem Bildungserfolg zu tun? In Südafrika eine ganze Menge.
Bevor wir uns auf eine 14.000 Kilometer lange Reise in den Süden begeben, bleiben wir vorerst in unseren Breitengraden. Über die Periode zu sprechen ist bei uns ein leidiges Tabu. Das Thema Blut und Vagina treibt der Mehrheit der Gesellschaft die Schamesröte ins Gesicht. Und das bei einer Thematik, die die Hälfte der Menschheit betrifft. Traurig und unverständlich, aber wohl kaum vergleichbar mit der Herausforderung abertausender Mädchen und junger Frauen auf dem afrikanischen Kontinent. Dort verpassen unzählige Schülerinnen und Studentinnen den Unterricht. Und das aufgrund der natürlichsten Sache der Welt.
Dramatisch: Baumrinden statt Binden
Die Problematik dabei ist die Unterversorgung mit hygienischen Produkten für die monatliche Periode. Keine Bildung bedeutet kein weibliches Empowerment. Kein weibliches Empowerment bedeutet Stillstand in einer Gesellschaft. Einer UNICEF-Studie zufolge, verpasst eine von zehn afrikanischen Mädchen den Schulunterricht aufgrund ihrer Periode. Und die neun anderen sind oftmals gezwungen, Baumrinden oder Zeitungspapier zu nutzen. Dieser traurige Umstand inspirierte eine Gruppe junger Menschen die Serithi-Kampagne ins Leben zu rufen.
Serithi bedeutet so viel wie Würde und ist zugleich ein starker Ausdruck für das Wohlbefinden der eigenen Seele. Gemeinsam mit dem Hersteller „Mina“ versuchen sie mit Fundraising-Events Aufmerksamkeit auf die Thematik zu lenken und Spenden zu sammeln. Mit dem Geld kaufen sie Menstruationstassen und verteilen diese kostenlos an junge Frauen.
Menstruationstrassen verfügen über einen entscheidenden Vorteil: Ihre Wiederverwendbarkeit. Laut Herstellerangaben können diese bis zu fünf Jahre benutzt werden. Ein eingeführter Becher schützt Mädchen zwischen 6 und 12 Stunden und nimmt dreimal mehr Blut auf als ein regulärer Tampon. Nach einem kurzen Heißwasserbad ist die Tasse erneut einsetzbar.
„Die Jungs lachen, die Freude am Lernen ist dahin“
Mittlerweile konnte die Serithi-Kampagne zahlreiche Mädchen mit den Tassen versorgen. Aber die Bewegung sieht sich erst ganz am Anfang. Sie wollen allen Frauen in Südafrika die Chance ermöglichen, sich zu bilden und ihr Land zu verändern. Auch die nationale Politik fand Anklang an dem Projekt und unterstützt die Kampagne. Bei einer Verteilaktion in Pretoria sprach selbst die stellvertretende Kommunikationsministerin Stella Ndabeni-Abrahams über ihre eigene Bildungserfahrung:
„Ich bin in sehr ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen und kenne den Schmerz aufgrund der eigenen Periode den Unterricht zu verpassen. Ohne passende Hygieneprodukte wird man von den Jungs ausgelacht und verliert so rasch die Freude am Lernen“.
Dank der Menstruationstassen sollte dies bald der Vergangenheit angehören. Eine Crowdfunding-Kampagne der Herstellerin soll das beschleunigen. Und wer weiß, vielleicht befindet sich gerade unter jenen Frauen dank der Menstruationstassen die nächste Nobelpreisträgerin. Und spätestens dann sollte die Welt gereift sein, um offen und frei über die Periode zu sprechen. Und das bitte ohne die rote Tante.
Karim Saad ist Vater einer dreijährigen Tochter und bloggt zu kulturpolitischen Themen.
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