Jetzt bin ich 30. Das Alter, um das alle ein großes Aufsehen machen. Doch wie wichtig ist der 30. Geburtstag wirklich?
Plötzlich erwachsen
Zum 30. Geburtstag schmeißen Menschen große Feste, zu denen die eigenen Eltern eingeladen sind und alle Drinks kostenfrei sind. Sie heiraten, bekommen Kinder, finden Samstagskater unklug und Ikea wird zum Inbegriff der Hässlichkeit. Sie machen sich Gedanken über das Leben. Stellen sich die großen Fragen. Die nach dem Sinn, der Partnerschaft, der Liebe und dem Erreichten.
Geburtstagskarten suggerieren uns, dass der 30. kein Grund zum Verzweifeln ist. Und man darf nun sogar offiziell auf die Partys gehen, auf die man nie wollte. Ü-30-Partys – die mit den schlechten Plakaten. In meiner Heimat Hannover müssen Männer, die am 30. Geburtstag noch nicht verheiratet sind, sogar öffentlich Treppen fegen und Frauen Klinken putzen. Meine Mama, die meinen Geburtstag immer zu einem ganz besonderen Tag macht, auch aus der Ferne, kommt extra für zwei Stunden vorbei gefahren, um mit mir anzustoßen. Schon vor einem Jahr, als ich 29 wurde, begannen die Sprüche um den Tag, der da in einem Jahr sein wird. Der Tag, an dem ich 30 Jahre alt werde. In gewissem Sinne, scheint es sich also zu gehören, um seinen 30. Geburtstag mal etwas intensiver über das Leben nachzudenken.
Sind wir jetzt alt?
Als ich klein war, fand ich 30 Jahre wahnsinnig alt. Mit 28 Jahren wollte ich Mama werden und dann eigentlich schon verheiratet sein. Vielleicht ein schönes Haus an einem kleinen See haben. Ganz bestimmt aber, so dachte ich, ist man mit 30 wahnsinnig erwachsen. Runde Geburtstage sind eine Sache, außer der zehnte. Der war irgendwie keine große Veränderung. Da waren noch 12, 16 oder 18 Jahre viel viel wichtiger.
Als ich vor zehn Jahren 20 Jahre alt geworden bin, war ich wahnsinnig melancholisch. Ich hatte gerade Abi gemacht und war für ein Jahr nach Australien aufgebrochen. Ich erinnere mich noch genau, dass ich meinen letzten Tag, als Teenager ganz alleine verbringen wollte. Ich hatte das Gefühl erwachsen sein zu dürfen. Ab jetzt dürfte ich entscheiden, was ich studieren will, wann ich nicht zur Uni gehen wollte oder mit wem ich zusammen wohne.
30 Jahre alt. Und was kommt dann?
Zehn Jahre später, ist das Gefühl, was mich zu den Gedanken treibt, ein anderes. Es ist der Eindruck, nun erwachsen sein zu müssen. Was kommt nach der 30? Mit 40, 50 oder 60 Jahren? Bei Im Gegenteil, einem ganz tolles Singleblog, das jedem ans Herz gelegt sei, der jetzt 30 wird, schrieb Annelie diese Woche über die Endzwanziger-Krise, Mut und Entschlossenheit seien ein Patentrezept fürs Älter werden. Diesen Gedanken mag ich sehr gern. Unsere Redaktionsleiterin Teresa hat mit 30 Jahren, für die Zeit 30 Dinge aufgeschrieben, die mit 30 anders sind. Meine gute Freundin Katharina hat der Zahl sogar ein ganzes Buch für das Erwachsenwerden gewidmet. Darin schreibt sie, dass die 30 uns insbesondere deshalb so stark zum Nachdenken zwingt, weil die nächsten zehn Jahre so wichtig sind. Irgendwie stimmt das wohl. Wenn wir jetzt nicht den Partner des Lebens finden, Kinder kriegen und den Traumjob finden, wird das wohl nie etwas.
Andererseits. Ich bin glücklich darüber, dass ich inzwischen weiß was ich will. Ich finde 30 ganz gut. So gut, dass ich es sogar schön finde, am Sonntag um 9 Uhr zum Bäcker zu gehen, dass ich den Prenzlauer Berg gar nicht mehr so schlimm spießig finde und mich sogar Kreuzberg manchmal nervt, dass ich Wein nicht mehr aus dem Kanister trinke, sondern aus dem Weinladen, dass Pärchenurlaub erstrebenswert ist, dass ich meinem neuen Freund nicht mehr erzählen muss, wie wahnsinnig unverbindlich ich leben will, sondern dass es sich schön anfühlt, wenn es familiär ist. Ab jetzt wird mir auch niemand mehr sagen, dass ich jung bin als Gründerin, als Chefredakteurin oder als sonst was.
Was wäre wenn?
Doch. Ich glaube ich habe viel Glück gehabt. Ich habe ein Unternehmen gegründet, habe einen Traumjob, ich habe mich verliebt, habe tolle Freunde, eine grandiose Familie. Vieles von dem Glück ist mir ganz kurz vor dem 30. Geburtstag begegnet. Die Liebe zum Beispiel. Und auch die Gründung. Doch was wäre, wenn das so nicht wäre? Nichts. Dann wäre ich auch 30.
Und doch zeigt genau das etwas, was mich an manchen Tagen um den Verstand bringt. Alles was wir um die 30 machen, fühlt sich so an, als könnte es noch kippen. Als könnte es morgen vorbei sein. Beim genauen Hinsehen wird dann aber klar: Das wird sich auch mit 40, oder 50 nicht ändern. „Age is just a number, darling“, schrieb mir meine gute Bekannte Caroline Drucker. Und meine liebste Mitgründerin Susann sagte mir in den letzten Wochen sehr oft, wie viel besser es ist, über 30 zu sein.
Happy Birthday
Was bleibt, ist die Erkenntnis, die ich vielleicht mit 20 noch nicht so hatte: Wir streben immer nach mehr. Nach Beständigkeit und nach Weiterentwicklung zugleich. Und irgendwie ist dieses Streben mit ein bisschen mehr Ruhe doch viel schöner. Denn irgendwie ist es verdammt schön erwachsen zu sein.
Und so hat jedes Alter seine guten Seiten. Happy Birthday to me.
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