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Warum es ohne Meetings besser geht

Meetings findet keiner wirklich toll – und sie sind es auch nicht. Das eigentliche Problem liegt aber tiefer – bei der Firmenorganisation.

 

Warum gibt es Meetings überhaupt noch?

Lars Vollmer ist Unternehmensberater, Vortragsredner und Autor. Zuletzt erschien von ihm „Wrong Turn – Warum Führungskräfte in komplexen Situationen versagen”, Orell Füssli April 2014. Für unseren Partner Capital schreibt er darüber, warum er Meetings für überflüssig hält.

Meetings sind wirklich eine Plage geworden. Für mich sind sie die letzte Bastion der Management-Cowboys, das Lagerfeuer der Wirtschaftszivilisation. Über Meetings zu lamentieren gehört schon fast zum guten Ton: Es gäbe zu viele, sie dauerten zu lange, sie seien ineffizient und würden nicht genügend Ergebnisse produzieren. Und alle leiden darunter. Meetings findet keiner wirklich toll. Sie sind irgendwie völlig überholt – und trotzdem noch immer da. Warum eigentlich?

Weil sie alles mögliche bewirken sollen: Sie sollen informieren, Kreativität erzeugen, zu Entscheidungen führen, Zeit sparen und was weiß ich noch alles. Dabei ist ihr wahrer Charakter einfach nur Theater. Wirtschaftsfolklore, sage ich immer. Da wird Interesse gespielt, Transparenz gemimt, Team und Führung inszeniert – während die Entscheidungen ohnehin schon vorher getroffen worden sind. Und vom Ausgang des Meetings hängt überhaupt nichts ab.

Nachhilfekurs in guter Kinderstube

Meistens haben Meetings gar nicht den Zweck, unter dem sie offiziell anberaumt werden, sondern dienen dazu, das soziale System aufrecht zu erhalten und den Schein der formalen Organisation zu wahren. Ja, sie sind etwas Soziales, nicht etwas Wertschöpfendes. Müssen sie auch gar nicht sein, denn Meetings erfüllen ihren wahren Zweck gerade dann, wenn alle so tun, als seien sie wertschöpfend.

Um diesen Eindruck zu erwecken, beschäftigen sich Chefs, Führungskräfte und Abteilungsleiter fleißig damit, irgendwelche Meeting-Regeln aufzustellen oder Workshops und Trainings einzukaufen, in denen alle lernen sollen, wie Meetings besser, effektiver, effizienter werden: „Den anderen ausreden lassen. Schnell zum Punkt kommen. Schnell Entscheidungen treffen. Wichtiges dokumentieren.“ Für mich klingt das nach einem Nachhilfekurs in guter Kinderstube. Und das ist ja auch erfreulich. Mehr aber auch nicht.

Nein, Meetings sind kein Problem, das gelöst werden muss. Wie Fieber bei einer Krankheit sind Meetings nur ein Symptom der Heilung, nicht die Krankheit selbst. Und zwar ein Symptom eines Problems, das das ganze System betrifft. Wenn Sie eine Organisation funktional und hierarchisch teilen, also Abteilungen bilden, dann erzeugen Sie damit automatisch den sozialen Bedarf an Meetings. Sie sind nichts anderes als ein Selbstheilungsversuch des verletzten Unternehmens-Organismus.

So gesehen sind Meetings das einzig Vernünftige im Unvernünftigen. Wenn Sie allerdings unter Meetings leiden, dann sollten Sie sich nicht an den Meetings selbst, sondern an dem defekten System zu schaffen machen, das dahinter liegt. Erst wenn Sie alle Beschränkungen der natürlichen Vernetzung innerhalb der Organisation beseitigt haben, wird sie so „gesund“ sein, dass niemand mehr ein Bedürfnis nach Meetings verspürt.

Herumdoktern an Symptomen

Bis dahin können Sie es auch einfach mal anders probieren: Anstatt sie zu reglementieren, zu steuern und zu managen, machen Sie Meetings komplett freiwillig! Jeder ist eingeladen zu kommen, wenn er etwas beizutragen hat oder wenn er etwas lernen kann. Er möge aber selber entscheiden, ob er kommt. Ein Thema können Sie vorgeben. Aber bitte bloß keine Agenda! Denn die entsteht im Meeting: Wer ist denn überhaupt da? Und was sind die aktuellen Interessen der Anwesenden? Das können Sie vorher ja nicht wissen. Und Entscheidungen haben in einem Meeting wirklich nichts verloren – also erwarten Sie auch keine. Das wäre doch mal eine ganz andere Herangehensweise.

Und es könnte wirken wie ein fiebersenkendes Mittel: Kurzfristige Erleichterung bei akuter Meetingitis. Nur löst das eben nicht das eigentliche Problem. Und zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bloß nicht die Manager! Denn allein die Frage, wie Meetings anders gestaltet werden können, ist schon die ganz falsche Frage: Sie zielt darauf ab, das Symptom zu kurieren, um die Krankheit zu erhalten.

Gut, Sie wollen wissen, was die richtige Frage wäre? Das ist nicht schwer. Sie lautet: Welche Organisation würde der Komplexität und Dynamik Ihrer Märkte besser gerecht werden als Ihre momentane Organisation? – Sie können sicher sein: Meetings kommen darin so gut wie keine vor…

HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Capital – Das Online-Portal des Wirtschaftsmagazins Capital mit Reportagen, Analysen, Kommentaren aus der Welt der Wirtschaft und der persönlichen Finanzen.

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