§ 1373 BGB: „Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt.“ Aha. Aber was bedeutet der Zugewinnausgleich im Falle einer Scheidung konkret? Die Scheidungsanwältin Kim Kutschak erklärt es in ihrer Scheidungs-Serie.
Gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft
Der deutsche Gesetzgeber hat es geregelt: Ein Paar heiratet, war vorher nicht für einen Ehevertrag beim Notar und landet, schwups, ganz automatisch im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Ganz juristisch gesprochen, beschreibt der Güterstand die Ordnung der vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten untereinander. Hier geht es also um das Vermögen. Ums Geld und das was man sich davon kaufen kann. Umfasst sind alle Güter und Rechte die einen wirtschaftlichen Wert haben. Schön und gut – und nicht besonders interessant. Das ändert sich jedoch ganz schnell, wenn der Güterstand beendet wird. Zum Beispiel, wenn die Ehe ihrem Ende zugeht.
Was passiert, wenn die Gütergemeinschaft endet?
Dann kommen die Zahlen ins Spiel und meist die Anwält*innen. Wieviel ist das Auto wert? Wieviel das Haus? Die Firma? Ihr Vermögen geben die meisten ja nicht ganz freiwillig auf. Und auf der anderen Seite herrscht oft Ratlosigkeit. Das Wolkenschloss – „Das gehört uns doch alles ZUSAMMEN“– verflüchtigt sich schnell in Anbetracht einer großen Portion aufgezwungener
Realität. Denn faktisch regelt § 1363 Abs. 2 BGB ganz klar, dass das Vermögen
der Ehepartner*innen durch die Heirat nicht gemeinschaftliches Vermögen wird und dies auch für nach der Eheschließung erworbenes Vermögen gilt.
Mein Auto bleibt mein Auto und dein Haus bleibt dein Haus. Hier kommt nun allerdings der Zugewinnausgleich ins Spiel. Und damit wird es kompliziert. Wenn die Zugewinngemeinschaft endet, wird der Zugewinn, den das Ehepaar in der Ehe erzielt hat, ausgeglichen. Kein Wort verstanden? Ist nicht schlimm, denn das geht den meisten so. Deshalb nun noch einmal ganz langsam und Schritt für Schritt.
Was ist eigentlich Zugewinn?
Um herauszufinden, wieviel Zugewinn jede*r Ehepartner*in während der Ehe erzielt hat, wird zunächst eine Aufstellung gemacht. Was war am Anfang der Ehe bei ihm/ihr an Vermögen vorhanden? Wieviel Geld war auf dem Konto am Tag der Eheschließung, wieviel war das Haus wert? Aktien, Schmuck? Wenn man das Anfangsvermögen ermittelt hat, wird anschließend darauf geschaut was dann am Ende der Ehe noch auf der Vermögensseite steht. Haben beide Partner*innen während der Ehezeit gleich viel Vermögen aufgebaut? Nein? Dann muss eine Seite der anderen den misslichen Vermögenszuwachs ausgleichen.
Ein kleines Beispiel gefällig? Die Differenz aus den Beträgen des End- und Anfangsvermögens ergibt den Zugewinn. Wenn ich zu Beginn der Ehe 10.000 Euro auf dem Konto hatte und nun am Ende der Ehe ein Haus im Wert von 300.000 Euro mein Eigentum nenne, habe ich während der Ehe einen Zugewinn von 290.000 Euro gemacht. Mein*e Ehepartner*in hatte am Anfang 0 Euro auf dem Konto und ist am Ende immer noch nicht reicher. Er/Sie hat dann keinen Zugewinn gemacht, hat jedoch einen Anspruch gegen mich auf Ausgleich der Differenz des Zugewinns. Im Klartext muss ich ihm/ihr die Hälfte von 290.000 Euro abgeben.
Was hat sich der Gesetzgeber bloß dabei gedacht?
Nur Gutes eigentlich. Durch den Zugewinnausgleich soll die Seite des Ehepaares entschädigt werden, die während der Ehe nicht die Möglichkeit hatte Vermögen aufzubauen. Spätestens jetzt scheint das veraltete Familienbild des Bürgerlichen Gesetzbuches wieder durch und Kinder und Haushalt betreten die Bühne. Im klassischen Fall steckt ein*e Partner*in beruflich zurück, bleibt zu Hause und leistet vermehrt Familienarbeit. Und dabei ist es leider meistens wirklich schwierig großes Vermögen aufzubauen. Dieser Umstand soll durch den Zugewinnausgleich im Falle einer Scheidung berichtigt werden.
Welche Fallstricke und Besonderheiten gibt es?
Die Berechnung des Zugewinnausgleichs ist kompliziert und hängt von vielen Faktoren ab. Es gibt etliche Besonderheiten bei z.B. Schenkungen durch Dritte oder Erbschaften. Das gleiche Haus vom Anfang ist nun zehn Jahre später auf einmal 100.000 Euro mehr wert. Gut! Aber für wen? Die Vermögenswerte des Anfangsvermögens müssen dem Kaufkraftschwund angepasst werden. Und, und, und. Genau aus diesem Grund kommen hier oft die Anwälte*innen ins Spiel. Wer soll das denn alleine machen? Es ist sehr speziell und kompliziert.
Gibt es Möglichkeiten der Abänderung im Sinne des Ehepaares?
Für zukünftige Ehepaare und auch für bereits verheiratete Paare gibt es unzählige Möglichkeiten den Güterstand des Zugewinns vertraglich zu gestalten oder sogar auszuschließen. Dies macht z.B. Sinn, wenn eine Seite des Ehepaares sehr vermögend ist, mit hohen Erbschaften rechnet, ein eigenes Unternehmen hat oder bereits Immobilien besitzt. So können Ungerechtigkeiten für beide ganz einfach vermieden werden. Bei solchen vertraglichen Vereinbarungen geht es (nicht immer) darum, die vermögende Seite abzusichern. Es können in manchen Fällen unglückliche Konstellationen entstehen, in denen auf einmal die weniger vermögende Seite ausgleichspflichtig wird. Es gibt viele Wege gemeinsames Vermögen aufzubauen, unbedingt sollte dabei auf eine gerechte Verteilung geachtet werden, die im Falle einer Scheidung keine enormen Zugewinnausgleichsansprüche auslöst.
Wird der Zugewinnausgleich im Rahmen des Scheidungsverfahrens automatisch durchgeführt?
Ganz klar und eindeutig: Nein. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich muss von einer Seite geltend gemacht werden. Dies kann innerhalb des Scheidungsverfahrens passieren oder abgetrennt davon. Von alleine passiert da überhaupt nichts. Im Falle einer Scheidung macht es also Sinn sich darüber ein paar Gedanken zu machen. Denn wie schon gesagt: Wer verzichtet freiwillig auf Vermögen, das ihm*ihr zusteht.
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