Abends haben wir das erste Date, tagsüber denken wir schon an Hochzeit und Kinder. Warum werden wir plötzlich so steif und gründen in Gedanken schon unsere Familie, bevor wir uns überhaupt geküsst haben?
Du und ich? Wie wär’s?
Liebes Date,
ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, ob ich unser Treffen morgen als Date bezeichnen möchte, denn das weckt jede Menge Erwartungshaltungen in mir. Und in dir wahrscheinlich auch.
Ich werde bald 28 und bin Single. Das hört sich heutzutage ja sehr „Bridget Jones-y“ an, fasst aber auch nur einen Bruchteil meines Ist-Zustands zusammen.
Eigentlich sind diese beiden Fakten ziemlich belanglos und sagen nur wenig
über mich aus. Morgen allerdings, wenn wir uns sehen, heißt das eine ganze Menge: Wir beide sind dann Ende 20 und Single.
Potenziell und rein statistisch gesehen, heißt das: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir beide heiraten und Kinder bekommen, ist auf jeden Fall höher als noch vor einigen Jahren – als ich bloß überlegte, ob man im kommenden Sommer gemeinsam zum Festival fährt. Und trotzdem möchte ich lieber an das nächste Festival denken als an Hochzeit und Kinder. Denn das macht mir Angst.
Über Bier und Businessmodelle
Ich bin gerade in meinem dritten Job und versuche, den Joballtag einigermaßen souverän zu meistern. Natürlich so, dass nicht auffällt, dass ich vieles davon zum ersten Mal mache. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel Spaß mir das alles macht.
Du solltest mich sehen, wenn ich morgens in Jackett und Jeans – meine Kombi für „Ich kann mit dir über Businessmodelle diskutieren und dabei Bier trinken“ – einmarschiere. Mit der festen Absicht, es besser zu machen als meine VorgängerInnen. Wenn wir uns morgen sehen, werde ich dir wahrscheinlich viel von meinem Job erzählen, meinen witzigen Kollegen und schwierigen Personalgesprächen.
Einmal hast du mir erzählt, dass Kinder für dich das wahrscheinlich Größte sind, was du je machen wirst und auf diesem Planeten hinterlässt. Den Gedanken finde ich romantisch und traurig zugleich. Wir können doch so viel mehr!
Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich Angst, dich morgen zu vergraulen. Denn ich weiß ganz genau, dass ich nicht sonderlich mütterlich wirke. Stattdessen beschreiben mich meine Kollegen als taff und zupackend, meine Freunde nennen mich ambitioniert und aktiv. In dieser Hinsicht ist die Emanzipation also geglückt.
„Eine gute Partie“
Dabei magst du es bei unseren Treffen ganz klassisch. Beim ersten Date sagtest du mir, dass du gerne zahlst und mir in den Mantel helfen möchtest. Ich hatte aber eine Lederjacke an und musste lachen. Dann wolltest du wissen, was meine Eltern beruflich machen, ob ich Geschwister habe und wie mein Leben bisher so lief. „Du bist wohl eine gute Partie“, sagtest du und hast gelacht.
Ich habe mich gefragt, ob du eine kleine Checkliste führst und konnte es dir nicht einmal übel nehmen. Ich habe schließlich auch eine.
Mama fragte mich vor einiger Zeit, ob ich mir mit dem Mann, mit dem ich zu diesem Zeitpunkt zusammen war, auch vorstellen könnte, Kinder zu haben. Ich musste lachen und verneinte: „Natürlich nicht“.
Die Antwort meiner Mutter fiel ernüchternd aus:
„Du bist Ende 20. Sei mit niemandem zusammen, mit dem du dir nicht das ganze Programm vorstellen kannst. Es sei denn, du wünscht dir keine eigene Familie – zumindest nicht in den nächsten Jahren.“
Eine Kalkulation des Lebens
In der Nacht schlief ich wenig. Stattdessen überschlug ich die Jahre: Wenn ich mit 30 – nicht zu früh und nicht zu spät – Kinder haben möchte, dann bin ich seit sechs Jahren im Beruf und seit drei Jahren bei meinem aktuellen Arbeitgeber. Habe mich also zumindest etabliert. Dann sollte ein Mann an meiner Seite sein, den ich gut kenne. Nicht erst seit ein paar Monaten, wobei das natürlich auch wunderbar funktionieren kann, aber die Wahrscheinlichkeit schließt das eher aus.
Das heißt kurzum: Ich sollte diesen Mann eigentlich jetzt finden.
Und bei dir so? Wie sieht es mit Familie aus?
Und nun sitzt du vor mir. Eigentlich wollten wir nur zusammen Abend essen und uns ganz entspannt kennenlernen. Denn wir fanden uns so nett und sympathisch. Und plötzlich höre ich mich fragen: „Und du so? Wie stellst du dir das mit Familie gründen vor?“
Ich schaue in deine Augen. Ein schönes, zurückhaltendes und ein wenig undurchdringliches Grün. Dann geht mein Blick weiter zu deiner Nase, die im Verhältnis zu deinen anderen Zügen eher groß ist.
Ich erinnere mich zurück an den Moment, in dem wir nachts betrunken auf der Party auf dem Sofa lagen, du auf meine Nase gedrückt hast und sagtest „Mensch, ist die klein.“ Dann hast du mich geküsst.
In der nächsten Szene, die mir in den Kopf schießt, sitzt du mir beim ersten Date gegenüber und wir taktierten uns unauffällig auffällig. Pünktlich nach dem Essen gingen uns die Gesprächsthemen aus und wir verabschiedeten uns höflich. Denn: Fleißig sind wir beide, gehen früh ins Bett und unter der Woche trinken wir keinen Alkohol. Außerdem stehst du jeden Morgen um sieben auf, um noch vor der Arbeit laufen zu gehen.
Wie würden wohl unsere Kinder aussehen?
Eine Woche später: die gleichen Menschen, ein anderes Restaurant. Du siehst gut aus und ich quatsche uns galant durch den Abend – so, wie ich es auch immer in meinem Job mache.
Ein wenig später sitzen wir auf der Couch und hören meine Platten. Du hast „The Cure“ ausgesucht und das gefällt mir gut. Ich würde so gerne vergessen, dass wir uns daten und dich gerne zum Abschied küssen. Dazu kommt es leider nicht, denn in dem Moment, in dem in den Gedanken fasse, bist du schon auf dem Treppenabsatz. Morgen früh aufstehen undso – ciao!
Nun sehen wir uns morgen wieder. Wie das wohl wäre mit uns beiden? Ob ich auch früh aufstehen müsste mit dir? Würdest du meine Mutter mögen? Wie deine Schwester wohl ist und unsere Kinder mal aussehen?
Statistisch gesehen, wärst du ein „Perfect Fit“
Statistisch gesehen passen wir nämlich sehr gut zusammen. Du bist ein Jahr älter als ich, wir kommen aus einem ähnlichen Elternhaus und haben viele gemeinsame Interessen. Du bist Vegetarier. Ich mag kein Fleisch. Du magst meine Playlist. Ich würde gerne deine hören.
Und dennoch: Es tut mir leid, aber ich möchte dich morgen nicht küssen. Ich will keine gute Partie sein. Ja, ich will Kinder, aber ich will auch noch mehr.„Mehr“ hätte ich gerne mit dir getestet, denn du riechst gut und wir können ganz gut miteinander reden. Nachts und betrunken wolltest du meine Hand halten. Jetzt sehe ich nur noch, wie du vielleicht derjenige sein könntest, der um meine Hand anhält. Und das macht mir Angst.
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