Foto: Alessio Lin | Unsplash

Warum gerade clevere Menschen so häufig im Joballtag scheitern

Fehler machen nur die, die nicht viel auf dem Kasten haben? Ganz falsch, und dafür gibt es eine ganz einfache Erklärung. Die zeigt auch: Wir sollten gnädiger mit uns selbst und den Fehlern unserer Mitmenschen umgehen.

Fehler machen? Wir sind wohl alle froh, wenn wir uns diese Erfahrung nicht permanent auf die Fahne schreiben müssen und insbesondere den Joballtag ohne Patzer über die Bühne bringen. Denn wer Fehler macht, ist unvorsichtig, nicht sorgfältig, unroutiniert – nicht wahr? Clevere Menschen vermeiden Fehltritte also.

Nun, ganz so einfach ist es nicht – und doch reden wir uns das immer wieder ein sowie tun uns schwer damit Fehler zuzugeben. Wie auch nicht, schließlich leben wir in Zeiten, die einem interessanten Spannungsfeld ausgesetzt sind: Nämlich dem, in welchem die Selbstoptimierung bis aufs Blut auf den Ruf danach trifft, nicht perfekt sein zu müssen und zu wollen. Jetzt könnte man natürlich meinen, unser gesellschaftlicher Umgang mit Fehlern ist ein Ergebnis eben der Selbstoptimierer, jener, die sich selbst keine Makel, keine Stolperer zugestehen und die Annahme vertreten, dass die weichgespülten Unperfekten eben nicht mit ihrer Meinung durchkommen – doch auch das ist so nicht richtig. Denn Optimierung ist immer ein Prozess, der auch mit Fehlern einhergeht. Ein Prozess, der nur durch Wagnisse und den damit verbundenen Erfahrungen vorangeht. Erfahrungen, die nunmal nicht grundsätzlich positiv sein können. Zumindest, wenn wir an unserer Fehlerdefinition festhalten.

Ewiger Trott oder Risiko?

Es ist ganz einfach: Wer etwas wagt, wer neue Wege beschreitet, wer den Status Quo nicht als zukunftsweisend begreift und sich aus seiner Komfortzone bewegt, wird früher oder später Fehler machen. Und genau deshalb, sind genau die cleveren Menschen, jene mit den neuen Ideen und dem Mut sie umzusetzen, diejenigen, die häufig Fehler machen. Wer jedoch in seinem Trott bleibt, wird sich dank der Routine wahrscheinlich kaum mit Fehltritten belasten müssen. Aber eben auch nicht mit dem Gefühl, über sich hinauszuwachsen. Und genau deshalb sollten wir eine neue Fehlerkultur entwickeln, die den Lernprozess in den Vordergrund stellt, denn gerade im Jobleben ist das der Nährboden, der es Mitarbeitern erlaubt, ihre Ideen zu verfolgen, sich zu entwickeln, Neues zu schaffen – und damit am Ende alle voranbringen.

Spannender Input zum Thema kommt auch von Caris Thetford, die für The Muse aufgeschrieben hat, warum Fehler in ihrem eigenen Leben wichtig und auch positiv sind – wir haben uns das angesehen und ihre Gedanken zusammengefasst.

1. Fehler lassen uns wachsen

Die Erfahrung einen Fehler zu machen, ganz besonders einen von jener Sorte, die unangenehm sind und gründlich ärgern, lässt uns wachsen – auch, weil wir wachsen müssen, wenn es weitergehen soll. Wir kennen doch alle die Situation, in der etwas so gründlich schiefgegangen ist, dass wir uns geschworen haben: Das kommt nie mehr vor. Also geht man ganz automatisch in die Analyse, schaut, an welchen Stellen Fehlentscheidungen stattgefunden haben, und findet hier oftmals blinde Flecken im eigenen Mindset, die man sich nun bewusst macht und so in Zukunft mit ihnen umgehen kann. Auch die Antwort auf die Frage „Was hat mich an meinem Fehler so sehr beschämt oder geärgert?“ liefert häufig wichtige Impulse für die eigene Weiterentwicklung. Also das nächste Mal: Kurz sacken lassen und dann schauen, was man nun aus dem Fehltritt für sich rausholen kann – und vor allem: nicht den Mut verlieren, in Zukunft wieder Risiken einzugehen!

2. Wer Fehler macht, bewegt etwas

Was erfolgreiche Menschen gemeinsam haben? Sie trauen sich was und legen los, statt nur von ihren Ideen zu reden – kurz gesagt: Wer viel umsetzt, hat auch größere Chancen auf Erfolg. Damit einher geht aber auch: Wer viel umsetzt, wird sicher auch viele Fehler machen. Der Prozess des Gestaltens ist also immer einer, der mit Fehltritten einherkommt. Nur wer nichts macht, macht auch keine Fehler – aber, will man wirklich zu diesen Menschen gehören? Für alle anderen gilt: Wer hinfällt, kann auch wieder aufstehen.

3. Fehler zu machen, verändert unseren Blick auf die Dinge

Die meisten Entscheidungen, die wir den Tag über treffen, laufen eher unbewusst ab, weil wir einfach unsere bislang gesammelten Erfahrungswerte dafür nutzen. Machen wir aber einen Fehler, beginnen wir genau die zu hinterfragen und geben uns damit selbst die Chance, unseren Horizont zu erweitern: Warum ist das passiert? Liege ich mit meinem Wissen wirklich richtig? Wo habe ich etwas übersehen und warum? Die Antworten auf diese Fragen bieten so viel Potential, das zuvor ungenutzt war, dass man sich eigentlich nur auf den nächsten gemachten Fehler freuen kann – auch wenn es manchmal im ersten Moment wehtut.

Zusammenfassend bedeutet das: Immer auf die sichere Bank zu setzen, ist sicherlich ein Weg, um durchs Leben zu kommen. Aber es ist eben auch immer ein Weg, auf dem man garantiert unter seinen Möglichkeiten bleiben und sich wahrscheinlich irgendwann fragen wird: „Was wäre passiert, wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt auf das Risiko des Scheiterns eingelassen hätte?“ Eine Frage, mit sehr bitterem Nachgeschmack, sei es im Berufs- oder im Privatleben. Also lasst uns mit uns selbst und mit unseren Mitmenschen gnädiger sein, wenn Fehler gemacht werden. Denn sie sind wichtig, um voranzukommen!

Mehr bei EDITION F

Wir sollten reden … über unsere Fehler und Schwächen! Weiterlesen

Sophia: „Ich musste die Angst vor dem Scheitern ablegen“ Weiterlesen

An alle Mütter: Wir dürfen Fehler machen, und wir dürfen erschöpft sein. Weiterlesen

Anzeige