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„Wir wollen Periodenarmut bekämpfen“

Der Berliner Verein „Social Period“ sammelt Periodenartikel für menstruierende Menschen, die wohnungslos sind. Im Interview erzählt die Gründerin Undine Mothes, wie man die Periode entstigmatisieren kann und warum nachhaltige Menstruationsprodukte oft ein Privileg sind.

Undine, du hast gemeinsam mit deiner besten Freundin Katja Dill den Verein Social Period gegründet, in dem ihr euch insbesondere für Menstruierende ohne Obdach einsetzt. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

„Wir saßen im Juni 2019 auf einer Bank vor dem Studierendenwerk am Berliner Ostbahnhof. Katja, die ihren Master in Nonprofit-Studien in Hamburg gemacht hat, erzählte mir, dass sie im Rahmen ihres Studiums Notunterkünfte in Hamburg besucht hat. Dort gibt es einen permanenten Mangel an Menstruationsprodukten. Das war das erste Mal, dass ich mich selbst mit dem Thema Periodenarmut beschäftigt habe.“

Was ist Periodenarmut?

„Der Begriff beschreibt das Problem, dass der Zugang zu Menstruationsprodukten ungerecht verteilt ist. So gelangen etwa obdachlose, menstruierende Menschen viel schwerer an diese Produkte. Viele können sich Periodenartikel nicht leisten. Die zweite Barriere ist die Hemmschwelle, die Orte zu betreten, an denen man Menstruationsprodukte erhält, also Supermärkte oder Drogerien. Obdachlose sind dort stigmatisierenden Blicken ausgesetzt und fühlen sich oft nicht willkommen. In den Notunterkünften gibt es wiederum einen Dauermangel an Binden und Tampons. Die Periode ist in unserer Gesellschaft ein stark stigmatisiertes Thema, über das sowieso zu wenig gesprochen wird. Es wird immer noch mit Scham und Ekel behandelt. Daher ist es kein Wunder, dass dieses Thema, auch wenn es um Obdachlose geht, nicht genügend angesprochen wird. So kamen wir auf die Idee, einen eigenen Verein zu gründen, in dem wir mit Spendenboxen arbeiten, um Periodenarmut zu bekämpfen.“

Wie kann man Menstruationsprodukte an Social Period spenden und wie findet man eure Spendenboxen?

„Wir haben derzeit drei Spendenboxen, die in drei verschiedenen Edeka-Filialen in Berlin stehen, in der Hansastraße in Hohenschönhausen, in der Grenzallee in Neukölln und in der Genthiner Straße in Berlin-Tiergarten. Das Konzept funktioniert so: Die Boxen sind vorne transparent, weil wir wollen, dass Menschen im öffentlichen Raum mit Periodenartikeln konfrontiert werden. Sowohl am Eingang der Filialen, als auch direkt an dem Regal, in dem man Menstruationsprodukte erwerben kann, stehen von uns entworfene Schilder, die dazu auffordern, eine Packung Binden zu kaufen. Sie können direkt hinter der Kasse in die wiederum dort platzierten Boxen hineingeworfen werden. Wir sind gerade in der Pilotphase und wir versuchen, langfristig auch in weiteren Filialen Boxen aufzustellen. Außerdem sind wir gerade in Gesprächen mit einer großen Drogeriekette. Aus unseren Gesprächen mit menstruierenden Personen wissen wir, dass die meisten menstruierenden Menschen ihre Produkte dort kaufen.“

An wen werden die gesammelten Spenden verteilt und wie kommen sie bisher bei den Betroffenen an?

„Die Spendenboxen stehen erst seit etwa elf Wochen in den Geschäften. Aber sie kommen schon gut an, wir haben auch von unseren Partner*innen gutes Feedback erhalten. Wir sammeln mindestens einmal pro Monat die Spenden ein und bringen sie dann direkt zu unseren Partner*innen. Das sind unter anderem der Strassenfeger, der Sozialdienst katholischer Frauen, die Caritas und AWO Berlin. Diese Organisationen verteilen die Produkte dann in ihren jeweiligen Notunterkünften.“

Welche Menstruationsartikel sammelt ihr bevorzugt?

„Aus unseren Gesprächen mit Betroffenen wissen wir, dass viele Obdachlose Binden bevorzugen. Denn: Um einen Tampon verwenden zu können, benötigt man frisch gewaschene Hände. Ein obdachloser menstruierender Mensch hat aber oft nicht den Zugang zu einem Waschbecken und greift aus diesem Grund oft lieber auf Binden zurück. Aber es gibt verschiedene Präferenzen: Manche menstruierende Personen benutzen auch in der Situation der Obdachlosigkeit lieber Tampons, daher wünschen wir uns beides.“

Wie steht es mit nachhaltigen Produkten wie zum Beispiel der Menstruationstasse oder waschbaren Binden aus fairer Biobaumwolle, die regional hergestellt werden?

„Es ist wichtig, sich die Lebenssituation von obdachlosen menstruierenden Menschen zu vergegenwärtigen. Wir persönlich finden nachhaltige Periodenartikel toll. Aber für eine Cup (englisch für Menstruationstasse, Anm. d. R) braucht man zum Beispiel kochendes Wasser, um diese auszuwaschen. Für waschbare Binden und Periodenunterwäsche braucht man eine Waschmaschine, zu diesen Dingen hat zum Beispiel eine obdachlose Frau oft keinen Zugang. Dennoch gibt es auch bei Obdachlosen ganz unterschiedliche Lebensrealitäten. Deshalb freuen wir uns auch, wenn jemand mal eine Cup spendet.“

Viele Menstruierende benötigen nicht nur Binden und Tampons, sondern auch Schmerztabletten, Wärmflaschen und andere Produkte zur Linderung der Krämpfe. Kann man auch andere Produkte, die mit Menstruationsbeschwerden in Verbindung stehen, in die Boxen werfen?

„In unsere Boxen darf man auch Parfüm, Shampoo und Pflegelotionen werfen. Das ist auf unseren Boxen vermerkt. Das sind alles Dinge, zu denen obdachlose Menschen oft keinen Zugang haben und die in den Notunterkünften ebenfalls Mangelware sind. Allgemeine Hygiene ist vor allem auch während der Periode wichtig. Übrigens ist dieser Aspekt auch für Personen relevant, die sich zum Beispiel aus kulturellen oder anderen Gründen schämen, Menstruationsprodukte an der Kasse zu kaufen. Sie spenden dann lieber ein Shampoo. Medikamente können wir nicht annehmen, da gibt es zu viele Risiken und Regulationen.“

Wie finanziert ihr euch?

„Wir haben beide Vollzeitjobs und arbeiten in unserer Freizeit für Social Period. Alle Ausgaben, die wir bis jetzt hatten, haben wir aus eigener Tasche bezahlt. Damit wir die nächsten Boxen finanzieren können, und unsere vielen fleißigen Helfer*innen entschädigen können, haben wir gerade eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext gestartet (das Crowdfunding-Ziel wurde inzwischen erreicht, Anm. d. R.). Wir benötigen auch Geld, um Info-Veranstaltungen zu organisieren. Neben der Bekämpfung von Periodenarmut ist das das zweite Ziel unseres Vereins, nämlich die Menschen generell über alles rund um die Menstruation und Periodenarmut aufzuklären. Gemeinsam mit unserem Partner Strassenfeger haben wir bereits zu zwei Informationsveranstaltungen eingeladen.“

Was sind eure nächsten Projekte?

„Die Schauspielerin Luise von Finckh hat für uns Passant*innen auf der Straße befragt, was sie eigentlich über die Periode wissen, da kommt bald ein spannendes, kleines Filmchen drüber raus. Als nächstes werden wir mit einem Exponat Teil der Ausstellung ,Menstruation Project‘ der Künstlerin Halea Isabelle Kala sein, welche Mitte nächsten Jahres in der Alten Münze in Berlin stattfinden wird.“

Wollt ihr langfristig auch bundesweit Spendenboxen aufbauen?

„Klar träumen wir davon, in ganz Deutschland unsere Spendenboxen aufzubauen! Aber wir sind noch ganz am Anfang und die Logistik ist schon innerhalb von Berlin eine Herausforderung. Wir wollen jetzt gemeinsam mit unseren Partner*innen evaluieren, wie viel wir generell an Spenden erhalten und wie wir das auf die Einrichtungen verteilen. Da unser Verein gerade aus sechs Menschen und etwa zehn Freiwilligen besteht, ist es noch sehr illusorisch, das auch außerhalb von Berlin zu schaffen. Wir gehen gerade Schritt für Schritt und wünschen uns erst mal, dass genug Geld bei der Kampagne zusammenkommt (die Kampagne wurde bereits erfolgreich abgeschlossen, Anm. d. R.), damit wir mehr Boxen in Berlin aufbauen können.“

Richtet sich euer Angebot auch an menstruierende Menschen in Geflüchteten-Unterkünften oder Frauenhäusern?

„Wir sind bereits mit Frauenhäusern und Geflüchteten-Unterkünften im Gespräch, auch wenn unser derzeitiger Fokus die Unterstützung von Obdachlosen ist. Vor allem nachhaltige Produkte, die gespendet werden, kommen für ein Frauenhaus in Frage, in dem Betroffene Zugang zu einer Waschmaschine haben. Langfristig wäre es uns aber auch sehr wichtig, dass wir auf die Straße gehen, zum Beispiel zu Treffpunkten von Obdachlosen, dann Produkte dabeihaben und die Leute direkt ansprechen und fragen, ob sie etwas brauchen. Viele Obdachlose, das darf man nicht vergessen, suchen Notunterkünfte nicht regelmäßig auf. Wir wollen auch sie erreichen.“

Der Originaltext von Morgane Llanque ist bei unserer Kooperationspartnerin enorm erschienen. Hier könnt ihr enorm auf Facebook folgen.

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