Hilft Kreativität dabei, die perfekte Bewerbung abzuliefern? Sjoerd Gehring, dessen Team über 1.000.000 Bewerbungen jährlich bekommt, sagt ja – vorausgesetzt, man beachtet wichtige Regeln. Wir stellen sie vor.
Wie viel Kreativität ist gut?
Wenn es um die perfekte Bewerbung geht, gehen die Meinungen ziemlich auseinander. Lieber klassisch und schlicht oder kreativ und auffallend? Mit Foto oder ohne Foto? Möglichst „dick” oder lieber eine Auswahl der besten Arbeiten? Quantität oder Qualität? Während die Form des Anschreibens und der Grad der Kreativität einfach sehr stark von dem jeweiligen Job abhängen, auf den man sich bewirbt, gibt es aber auch allgemein gültige Tipps, die sich jeder zu Herzen nehmen sollte.
Je mehr Bewerbungen man geschrieben hat, desto besser kann man wahrscheinlich einschätzen, welche Form am besten funktioniert. Und genauso ist es auch andersherum: Menschen, die jedes Jahr tausende Bewerbungen sichten, haben ein ziemlich gutes Gespür dafür, was bei ihnen ankommt – und was eben nicht. So ein Bewerbungs-Experte ist Sjoerd Gehring. Er ist „Global Head of Recruiting” bei dem weltweit agierenden Unternehmen Johnson and Johnson und betreut in dieser Funktion ein Team, dass jährlich über 1.000.000 Bewerbungen begutachtet. Dabei hat er so ziemlich alles gesehen: gutes, schlechtes und sogar Bewerbungen, die mit Parfüm eingesprüht waren. Für The Muse hat er seine Erfahrungen aufgeschrieben. Wir haben seine wichtigsten Tipps für Bewerbung und Vorstellungsgespräch für euch zusammengestellt.
1. Sei besonders
Für Gehring steht fest: Ja, eine auffällige Bewerbung hilft dir, den Job zu bekommen – aber nur, wenn sie gewisse Ansprüche trotzdem erfüllt. Sein Tipp für eine kreative Bewerbung, die richtig knallt: ein Portfolio. Hmm, machen das nicht eigentlich nur Designer und Architekten? Nein, sagt Gehring. Auch alle anderen Bewerber, die ihre Arbeit in irgendeiner Form visuell darstellen können, sollten über die Möglichkeit nachdenken. Die Frage, die ihr euch dafür stellen müsst: Wie könnt ihr euer letztes erfolgreiches Projekt visuell ansprechend und interessant darstellen? Wenn ihr einen Weg findet, ist das ein super Ansatz, um in der Bewerbungsflut hervorzustechen. In der ersten Bewerbungsphase kann man zum Beispiel eine Website bauen, auf der man sich und seine bisherige Arbeit vorstellt. Ein Extratipp von Gehring: Den Link zu dieser Website kann man zum Beispiel auch in seine E-Mail-Signatur einbauen und so Leuten die Möglichkeit geben, sich schnell und einfach einen Eindruck zu verschaffen.
Für das Bewerbungsgespräch kann man dann zum Beispiel eine Powerpoint-Präsentation vorbereiten. Aber vorsichtig, die sollte visuell ansprechend und inhaltlich interessant sein – 30 Seiten braucht es dabei auf keinen Fall!
2. Qualität anstatt Quantität
In der Bewerbungsphase kann es einem schnell so vorkommen als hätte man tausende Bewerbungen geschrieben – das Problem: das merkt man auch. Ein standardisiertes Anschreiben oder immer die gleiche E-Mail, das merken Personaler. Gehring kann aus Erfahrung sagen: Das zieht nicht. Sucht euch also, wenn ihr es euch erlauben könnt, lieber eine Handvoll Unternehmen raus, bei denen ihr wirklich gerne arbeiten möchtet. Und dann, legt los: Informiert euch, recherchiert, findet den richtigen Ansprechpartner. Das hinterlässt Eindruck.
3. Zeig, dass du Probleme lösen kannst
Und wenn ihr für ein Bewerbungsgespräch eingeladen seid, rät Gehring: Recherchiert weiter. Setzt euch intensiv mit der Rolle auseinander, auf die ihr euch beworben habt. Analysiert die Schwierigkeiten und Herausforderungen für das Unternehmen und überlegt euch, wie ihr zur Lösung beitragen könntet. Wenn das in euren Bereich fällt, nehmt euch zum Beispiel Zeit für eine ausführliche Untersuchung der Social-Media-Aktivitäten des Unternehmens. Wenn ihr dann gut vorbereitet und mit frischen Ideen zum Bewerbungsgespräch erscheint, hinterlasst ihr auf jeden Fall einen super Eindruck.
4. Bleib realistisch
Tolle und kreative Ideen alleine, bringen dir aber noch nicht den Job. Ideen und Änderungsvorschläge müssen zu dem Unternehmen passen und umsetzbar sein. Wenn Personaler das Gefühl haben, dass ihr euch nicht mit dem Unternehmen auseinandergesetzt habt, dann ist der gute Eindruck schnell in Gefahr – egal wie gut eure Ideen generell sind.
Sollten wir also kreativer sein in unseren Bewerbungen? Gehring sagt: Ja, wenn es zum Unternehmen, der Jobbeschreibung und vor allem euren Fähigkeiten passt. Bevor ihr kreativ werdet, stellt euch einfach die Frage: Hilft eine kreative Bewerbung meine Fähigkeiten und bisherigen Erfolge besser darzustellen? Lautet die Antwort nein, dann lasst es. Lautet sie allerdings ja, dann traut euch!
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