Wie läuft das ab, wenn der Partner ein Jobangebot im Ausland bekommt und die ganze Familie mitgeht? Das hat Johanna Ertan erlebt – und uns von ihrem neuen Leben mit Kind und Kegel ins Seoul erzählt.
„Klar gab es auch einen Kulturschock!“
Träumen wir nicht alle manchmal davon, für ein paar Jahre in
einem anderen Land zu leben? Aber wie ist das, wenn es tatsächlich Wirklichkeit
wird – und man nicht nur für sich selbst entscheidet, sondern gleich für eine
ganze Familie? So erging es Johanna Ertan aus Offenbach, die nun mit Mann und Kindern als
Expat-Familie in Seoul lebt. Was für Schwierigkeiten entstehen da – und welche
Möglichkeiten bietet das neue Land?
Johanna, du bist gerade mit deiner Familie nach Seoul
gezogen – weil dein Mann dort einen Job angetreten hat. Wie geht es euch vor Ort?
„Ja, genau: Im Mai sind mein Mann und
ich mit unseren zwei Kindern nach Seoul in Südkorea gezogen. Unsere Kids sind
vier Jahre und ein Jahr alt, also die perfekte Zeit, um so einen großes
Abenteuer als Familie zu wagen. Die ersten vier Monate sind nicht ganz
stressfrei, doch super spannend und aufregend ins Land gezogen. Seitdem unsere
Möbel vor einem Monat auch in Seoul angekommen sind, fühlen wir uns tatsächlich
auch heimisch. Der Alltag kehrt so langsam ein und wir haben nicht mehr dieses
Urlaubs-Feeling, wie es zu Beginn noch war.“
Du hast beschlossen, eure Zeit im Ausland mit einem Blog festzuhalten.
Hilft dir das Schreiben, deine Eindrücke und Gedanken zu sortieren?
„Auf jeden Fall. Mein Blog Mamalogik & more bedeutet für mich persönlich die perfekte
Möglichkeit, unser Leben hier in Seoul festzuhalten und jederzeit Revue
passieren lassen zu können. Wir leben hier auf einem Kontinent und in einem
Land, das so völlig anders ist als Europa und als Deutschland. Da strömen
natürlich unglaublich viele Eindrücke ungefiltert auf mich ein. Ich habe
eigentlich immer die Kamera dabei und fotografiere und filme unwahrscheinlich
viel um mich herum. Bei der Auswahl der Bilder für den Blog kann ich diese
Menge an Eindrücken dann für mich selbst sortieren.“
Gibt es etwas, das dich dabei ganz besonders beschäftigt?
„Im Laufe der letzten vier Monate haben sich für mich drei
Bereiche herauskristallisiert, die ich gerne auf meinem Blog vertiefen möchte: natürlich in erster Linie unser Leben als
Expat-Familie und dabei alles, was mit unserem Alltag zu tun hat. Da ich sehr
gerne koche und hierbei auch sehr experimentierfreudig bin, stelle ich auf Mamalogik sämtliche Rezepte zur
Verfügung, die ich brauche, damit wir in unseren vier Wänden einen guten Mix an
heimischer und koreanischer Küche haben. Zu guter Letzt das Thema Beauty. Das
wird in Korea ganz groß geschrieben. Hier herrscht ein extremes
Schönheitsideal. Koreanische Kosmetik folgt einer ganz bestimmten Routine. Die
möchte ich gerne kennenlernen und meinen Lesern vorstellen. Mal schauen, was
ich davon alles umsetzen kann. Ich denke aber, es bleibt auf jeden Fall spannend.“
Hilft dir der Blog vielleicht auch, um ein Netzwerk mit
anderen Müttern im Ausland aufzubauen?
„Da ich zu meinem Blog auch eine Facebookseite, einen
Instagram-Account und einen Youtube-Kanal angelegt habe, wird man doch ab und
an von der einen oder anderen Mama gefunden und angeschrieben, die in einer
ähnlichen Situation ist. Das ist schön und natürlich spannend zu hören, wie es andere denn machen, empfinden, welche Hürden sie zu nehmen haben und was
besonders gut klappt. Es gibt auch eine Plattform für Expat-Mamas aus
Deutschland, die eine extra Rubrik für Blogger eingerichtet hat. Da einmal zu
stöbern, ist auch sehr interessant.“
Hast du dich auf dieses Abenteuer gefreut oder war auch
Angst mit dabei?
„Ich bin ganz ehrlich, ich hatte wirklich keine Angst. Ich
war mir so sicher, dass es das Richtige ist, was wir tun und dass es einfach
der perfekte und richtige Zeitpunkt ist. Die Kinder sind noch klein, können
sich sehr schnell an neue Situationen gewöhnen und auch die Sprachbarriere kann
in diesem Alter noch innerhalb kürzester Zeit überwunden werden. Bevor wir im
Mai nach Seoul gezogen sind, flogen wir für eine Woche hierher, zu einer
sogenannten Orientierungsreise. Wir suchten unsere Wohnung aus und den
Kindergarten unserer Tochter. Wir hatten zwar nicht viel Zeit, aber diese Reise
war vom Arbeitgeber meines Mannes so gut organisiert, dass wir es tatsächlich
schafften, vieles abzuklären und zu organisieren, uns einen ersten Eindruck zu verschaffen und somit ungefähr zu wissen, was auf uns zukommt.“
Also fiel es dir nicht so schwer Heimat, Freunde und Familie
zu verlassen?
„Familie und Freunde zu verlassen hat natürlich nochmal eine
andere Qualität. Ja, das ist schwer. Doch das habe ich vor der Abreise nicht an
mich herankommen lassen. So richtig bewusst wurde mir das erst jetzt vor kurzem, als meine Mama nach zwei Wochen wieder aus Seoul abreisen musste. Hier, so weit
weg von Familie und Freunden ist es unwahrscheinlich wichtig, schnell Kontakte zu
knüpfen, sei es zu Einheimischen oder zu anderen Expats. Das ist mir zum Glück
gelungen.“
Hattest du Bedenken, dass deine Kinder auch so locker mit
der Situation umgehen werden?
„Ich hatte wie gesagt nicht wirklich Ängste, doch ganz
sicher war ich mir nicht, wie schwer oder leicht meiner Größeren die englische
Sprache fallen würde. Da sie bilingual aufwächst, hatte ich die Hoffnung, sie
könnte von der dadurch erlernten Flexibilität profitieren. Ich denke, ich lag
damit nicht ganz falsch. Sie hat innerhalb kürzester Zeit gelernt, sich auch auf Englisch verständlich zu machen. Sowohl im Kindergarten als auch privat kommt
sie wunderbar damit zurecht. Sie schafft es sogar, sich
mit koreanischen Kindern zu verständigen. Das passiert allerdings nicht auf
Englisch, sondern mit Händen und Füßen. Wir durften hier schon einige wirklich
schöne Situationen erleben, in denen man einfach merken konnte: Einander
verstehen und miteinander zurechtkommen hat nicht zwingend etwas mit
gemeinsamer Sprache zu tun.“
Hand aufs Herz: So ein bisschen Kulturschock war zu Beginn
sicherlich dabei, oder?
„In der Tat gab es den einen und anderen Kulturschock. Das
koreanische Essen ist komplett anders als alles, was wir bisher gegessen haben,
daran müssen wir uns immer noch gewöhnen. Die Dimension der Stadt schockt mich
bis heute. Wir leben in Downtown Seoul und damit sehr zentral und immer
anschlussfähig. Vom einen zum anderen Ende der Stadt bin ich bis heute nicht
gekommen. Die Unmengen an Hochhäusern, Menschen, Autos sind überwältigend. Was
uns jedoch am meisten bisher geschockt hat, ist die extreme Aufmerksamkeit, die
uns entgegengebracht wird, wenn wir draußen unterwegs sind, insbesondere mit
den Kindern. Wir sehen einfach komplett anders aus als die meisten Menschen, die
hier in Seoul unterwegs sind. Hinzu kommt, dass Koreaner sehr stark auf Kinder
fixiert sind. Es kommt nicht selten vor, dass wir auf der Straße oder in der
Metro um Fotos gebeten werden, oder die Leute uns einfach ungefragt
fotografieren. Zu Beginn fand ich das noch amüsant, mittlerweile ist es
teilweise auch anstrengend, unterwegs ständig der Mittelpunkt des Geschehens zu
sein.“
Ist das für dich die größte Herausforderung, wenn du dich
mit deinen Kindern durch die Stadt bewegst?
„Seoul als Stadt ist weitestgehend – zumindest Downtown –
barrierefrei gebaut, das heißt, es gibt nahezu überall Aufzüge und ich kann mich
mit Kinderwagen prima bewegen. Allgemein ist die Stadt unwahrscheinlich
kinderfreundlich. Überall gibt es einen sogenannten stroller-rental-service,
das heißt, man kann sich kostenfrei oder gegen eine minimale Gebühr einen
Kinderwagen ausleihen. Das ist natürlich super praktisch, denn so kann man
einfach schnell mit Babytrage ins Taxi springen und muss keinen sperrigen
Kinderwagen mit sich schleppen. Auf den meisten öffentlichen Toiletten gibt es
Kindersitze, in die man sein Kind setzen kann, anstatt es im Kinderwagen
vor der Tür stehen lassen zu müssen. Still- und Wickelräume findet man an jeder
Ecke, immer sehr ordentlich und sauber. Wirkliche Herausforderungen gibt es
also nicht wirklich. Natürlich ist es grundsätzlich anstrengend, sich mit zwei
Kindern durch eine riesen Metropole zu bewegen, vor allem, wenn man dabei
ständig beobachtet und angesprochen wird.“
Du hast es schon angesprochen: Das Essen ist natürlich ein
ganz anderes. Kinder sind da ja durchaus manchmal eigen…wurde das zum
Problem?
„Es schmeckt wirklich alles anders. Einmal probierten wir
koreanische Reibekuchen. Wir stellten uns natürlich auf den Geschmack uns
bekannter Kartoffelpuffer ein. Das war ein fataler Fehler, denn sie schmeckten
vollkommen anders. Leider schmeckten sie uns dann nicht mehr. Die Kinder sind auch nicht wirklich Fans des koreanischen Essens. Ich habe vor unserer
Abreise ausreichend Lebensmittel eingekauft und mit dem Container nach Korea
schiffen lassen, so dass wir unser gewohntes Essen ohne Probleme daheim
zubereiten können.“
Deine vierjährige Tochter geht in Seoul in den Kindergarten. Um
dahin zu kommen, fährt sie alleine in einem Schulbus. Wer hatte davor mehr
Respekt. Sie oder du?
„Davor hatten wir beide Respekt. Da ich von ihrem
Kindergarten und dem Personal so überzeugt bin, ermutigte ich mich selbst und
sagte mir, dass meine Große nicht das erste und auch nicht das einzige Kind
ist, dass im Schulbus durch die Riesenmetropole Seoul tourt. Letzten Endes tut
sie das ja auch nicht alleine. Sie wird täglich von derselben Betreuerin und
demselben Fahrer abgeholt. Sie sind ihr mittlerweile also vertraut und sie
rennt morgens zum Bus und freut sich offensichtlich auf die Fahrt und den Tag
in der Kita.“
In deinem Blog erzählst du von einem Tag, an dem du dir
quasi selbst freigenommen und deine Kinder für ein paar Stunden bei einer Nanny
gelassen hast. Wie wichtig sind solche Tage für dich, um langsam im neuen Leben
anzukommen?
„Das ist sehr wichtig. In Deutschland hatten wir Omas und
Tanten, die sich dankenswerterweise immer wieder eingebracht und mir die Kinder
abgenommen haben. Ich war dahingehend sehr verwöhnt. Ich brauchte nur anrufen
und irgendwer hatte definitiv Zeit, um mir in welcher Situation auch immer mit
den Kindern zu helfen. Das fällt hier nun vollkommen weg. Ich bin mit allem auf
mich alleine gestellt. Diese Situation ist für mich neu und ungewohnt und ich
habe einen Moment gebraucht, um mich damit anzufreunden. Umso dankbarer bin ich
nun, wenn ich ab und an mal ein paar Stunden Zeit für mich habe. Oft versuche
ich dann in diese kurze Zeit so viel hineinzupacken, wie nur geht, was dann
schon fast wieder in Stress ausartet. Meine ganz eigene Balance muss ich hier
tatsächlich erst noch finden.“
Hast du vielleicht einen Tipp für alle, die ihrem Partner
auch ins Ausland folgen?
„Ich kann diesen Schritt nur jedem empfehlen. Wenn ihr die
Möglichkeit dazu habt, dann wagt es, auch mit Kindern. Es ist eine wirkliche
Herausforderung mit der Familie auf einem anderen Kontinent, in einem anderen
Land anzukommen und zu bleiben.
Aber: Je unvoreingenommener und je offener ihr allem
gegenüber seid, was euch in der Fremde an Neuem erwartet, umso leichter wird es
euch fallen, euch dort zurechtzufinden und vor allem wohlzufühlen. Ich
denke, dass es ganz wichtig ist, das Neue nicht mit dem Alten zu vergleichen,
zu messen oder zu denken, dass nur das gut ist, was man bisher kannte. Dann
wird ein solches Abenteuer nicht funktionieren. Seid offen und freut euch, dass
ihr die Möglichkeit bekommt, euer Leben für einen Moment an einem anderen
Flecken dieser wunderschönen Erde führen zu dürfen.“
Alle Artikelbilder: Johanna Ertan.
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