Die Ergebnisse der jüngsten Landtagswahlen sind beunruhigend. Judith Kleinemeyer fordert eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der AfD.
Beunruhigende Wahlausgänge
Die Wahlausgänge in Sachsen, Brandenburg und Thüringen überraschen kaum jemanden – und doch beunruhigen sie die politischen Analysten und Kommentatoren. Während die AfD aus dem Stand mit zweistelligen Ergebnissen in die Landtage einzieht, scheitert die FDP – wieder einmal – an der Fünf-Prozent-Hürde.
Die Zeiten der erfolgreichen schwarz-gelben Koalitionen scheinen damit endgültig besiegelt. Der Trend der Abwärtsspirale für die FDP scheint sich zu verfestigen. Die entsetzten und enttäuschten Gesichter der FDP-Aktivisten am Sonntagabend bei Verkündung der ersten Hochrechnungen provozieren eher Mitleid als Häme. Ergebnisse unter drei Prozent sind hart. Vielleicht reicht dies der Partei zum Trost: In Ostdeutschland haben die Liberalen nie wirklich Fuß fassen können. Die liberale Kernklientel der Selbständigen und Freiberufler findet sich eher im Westen. Die Bewährungsprobe wird die NRW-Landtagswahl 2017 sein. Der Wahlausgang in Sachsen, Thüringen und Brandenburg allerdings macht es den Liberalen nicht leichter, sie zu bestehen.
Warum ist die AfD so erfolgreich?
Irritierender als das FDP-Abschneiden ist der zweistellige Wahlerfolg der Alternative für Deutschland (AfD): Im Vergleich zur Europawahl konnte sie ihr Ergebnis deutlich verbessern. In Brandenburg kommt sie auf rund 120.000 Stimmen, rund 40.000 mehr als bei der Europawahl; auch in Thüringen erreicht sie mit fast 100.000 Stimmen ein besseres Ergebnis als im Mai mit rund 68.000 Stimmen. Dass sie damit in Thüringen sogar mehr Stimmen erhält als die SPD, stimmt bedenklich.
Diese Partei, die sich mit ihren euroskeptischen Äußerungen so national-liberal, aber auch so wertkonservativ gibt, hat es inzwischen in mehreren Wahlkämpfen zu ansehnlichen Stimmanteilen gebracht. Sie bedient die Bedürfnisse einer Klientel, die nirgendwo anders mehr eine politische Heimat findet und gewinnt Stimmen von den Wählern der anderen etablierten, bürgerlichen Parteien und der Nichtwähler. Alleine in Thüringen verliert die CDU 18.000 Stimmen, die Linken 16.000, die SPD 12.000 und die FDP 11.000 Stimmen an die AfD. Selbst 12.000 bisherige Nichtwähler geben ihre Stimme für diese neue Partei ab. In Brandenburg und Sachsen zeigt sich ein ähnliches Bild. Scheinbar einzig gemeinsames Element zeigen Wahlanalysen aus Sachsen. Laut infratest dimap begreifen sich AfD-Wähler mit 46 Prozent als Verlierer der gesellschaftlichen Entwicklung. Nicht einmal die Linken kommen mit 30 Prozent auf einen annähernd hohen Wert.
Das alles sind klare Indizien für eine sogenannte Protestpartei. Aber Protest in dieser Form, wo es uns allen doch so gut geht wie selten zuvor? Oder haben wir es hier doch mit einer neuen politischen Kraft zu tun? Ist die AfD vielleicht „nur“ die politische Fortführung der Biedermeier-Renaissance, die wir derzeit in vielen Bereichen erleben? Eine Besinnung auf Bewährtes, der Rückzug ins Private und die Scheu vor Neuem? Eine Fortführung der Protestkultur mittels Stimmzettel?
Finanzstark und nun in den Parlamenten
Das wäre eine schöne, leichte Interpretation dieser Wahlergebnisse. Doch die AfD ist ein Konglomerat vieler Strömungen. Erschreckendes lässt sich hier beobachten: Seien es die Aktivitäten einer Jugendorganisation, die eine Gradwanderung zwischen heute und vorgestern betreibt. Seien es die Äußerungen von Alexander Gauland, dem Spitzenkandidaten in Brandenburg, der die Mikrophone nutzt, um etwas zu verkünden, das aus einer längst vergangenen Zeit stammt. Oder seien es die Äußerungen von Parteichef Bernd Lucke zur Gesellschaftspolitik, die wohlüberlegt erscheinen, aber einen oft schalen Nachgeschmack hinterlassen.
Die AfD hat es nun geschafft in drei Länderparlamente einzuziehen und ist ebenfalls im Europaparlament vertreten. Damit hat sie nicht nur eine gewisse finanzielle Grundlage geschaffen, sondern verfügt – ganz im Gegensatz zur FDP – auch über zahlreiche Möglichkeiten, sich mit parlamentarischen Mitteln zu Wort zu melden. Hinzu kommt, dass sich in dieser Partei namhafte Köpfe wie der etablierte Ökonom Bernd Lucke oder Industriemanager Hans-Olaf Henkel engagieren. Diese verfügen nicht nur über kommunikativ-strategisches Know-How. Sie können auch auf belastbare Netzwerke und haben die finanziellen Möglichkeiten, die AfD zu promoten. Dies hat sich schon durch den Millionenkredit von Hans-Olaf Henkel gezeigt.
Es wäre zu einfach, diese neue Partei in eine rechts-nationalistische Ecke zu stellen und so abstrafen zu wollen. Es gilt vielmehr sehr aufmerksam zu bleiben – und sich ganz ernsthaft, auch mit parlamentarischen Mitteln, mit der AfD auseinanderzusetzen. Das gilt für uns alle.
Hinweis: Judith Kleinemeyer ist Director bei Hill+Knowlton Strategies in Berlin. Sie kümmert sich schwerpunktmäßig um politische Interessensvertretung und Reputationsmanagement. Bei uns schreibt sie regelmäßig über politische Fragen. Zuletzt schrieb sie über den Rücktritt von Klaus Wowereit.