Foto: Ailine Liefeld

Ailine Liefeld: „Man muss rausgehen und darüber reden, was man macht“

Ailine Liefeld macht wunderschöne Fotos und hat damit ziemlich viel Erfolg. Schon als Kind war sie nicht hinter der Kamera wegzudenken, das ist bis heute so geblieben. Ein Gespräch über die Magie von Fotografie, die Relevanz von Instagram und Momente ohne Fotos.

 

Ailine Liefeld: Bilder, die Momente bannen

Ein Sonnenuntergang, den man noch nie gesehen hat, Frühstück im Bett, wie man es sich im Schlaraffenland erträumt, lächelnde Menschen, die einfach glücklich sind. Wenn man den Bildern von Ailine Liefeld begegnet, will man wissen, wer sie ist.

Wir haben mit der Berliner Fotografin über das Geldverdienen gesprochen, darüber, wie sie erfolgreich wurde und was Selbstständigkeit so mit uns macht.

Ailine,
Fotografin wollen viele werden, du hast es geschafft – und kannst
mit dem was du machst Geld verdienen. Was ist dein Geheimrezept?

„Ich
habe einfach das Glück, etwas gefunden zu haben, das Leidenschaft und
Ehrgeiz in mir weckt und mich dazu bringt, mich jeden Tag zu fordern,
dabei aber trotzdem auch mir und meinem Stil treu zu bleiben. Talent
allein reicht nicht aus, man muss rausgehen, darüber reden was man
macht, konstant seine Arbeit zeigen und gerade am Anfang in seiner Freizeit
nicht nur Party zu machen, sondern sich Kunden suchen.“

Kannst du das konkretisieren? Was hat für dich sowas wie den Durchbruch gebracht?

„Was
mir den meisten Erfolg brachte, sind Referenzprojekte wie für Freunde
von Freunden
, wo es anfangs nie darum ging Geld zu verdienen, sondern
einfach schöne Fotos zu machen und diese Art Fotostil in die Welt
herauszutragen. Aber eben auch die vielen kleinen Jobs für Freunde und
Bekannte, die auch am Anfang stehen und für die man vielleicht wenig
oder kein Geld bekommt, aber irgendwann kommt eben eine Mail in der
steht: ‚Du hast doch mal vor drei Jahren so tolle Fotos für uns gemacht,
jetzt haben wir einen richtigen Job für dich!‘ Mit Begeisterung
dranbleiben und hart arbeiten, das ist das Rezept für jede Art von
Erfolg, denke ich. Natürlich gehört neben der vielen Arbeit auch etwas
Glück dazu – und ab und zu auf der richtigen Party mit dem richtigen
Menschen ein Bier zu trinken.“

Magst du mal etwas zu deinem Hintergrund erzählen? Wie bist du zum Fotografieren gekommen?

„Ich
war früher gut in Mathe und Englisch, hab gerne und viel gemalt,
mich um Kopf und Kragen geredet und bin konstant gestolpert oder
irgendwo gegengelaufen, weil meine Augen überall waren, nur nicht auf
dem Weg vor mir. Mit dieser Mischung aus Logik und dem Drang etwas
kreieren zu wollen, war für mich Grafik und Werbung lange ein Ziel. Ich
hab dann 2002 ein Praktikum bei Gruner + Jahr in Hamburg gemacht, dann
eine Mediengestalterausbildung. Parallel hab ich eigentlich immer
fotografiert und als dann die Firma, in der ich die Ausbildung machte,
pleite ging, hab ich alles auf eine Karte gesetzt und mich einen Tag vor
Anmeldeschluss, beim Lette Verein für den Fotodesign-Studiengang
beworben. Das war 2004 und der Rest ist Geschichte.“

„Natürlich gehört neben der vielen Arbeit auch etwas
Glück zum Erfolg – und ab und zu auf der richtigen Party mit dem richtigen
Menschen ein Bier zu trinken.“

Du
bist die letzten sechs Monate fast nur gereist, hast Urlaub gemacht und parallel
gearbeitet. Ist es das, was für dich die Arbeit als Selbständige
ausmacht?

„Nicht unbedingt. Als
selbstständige Fotografin habe ich in den letzten Jahren sehr viele
schöne Orte gesehen, aber eben meist für die Arbeit und wenig privat. Im
letzten Jahr war ich so insgesamt nur drei Monate überhaupt in Berlin.
Beruflich zu reisen mag für Aussenstehende aufregend klingen, ist aber
oft sehr stressig und man sieht und erlebt wenig außerhalb der Kamera.
Ich hab dann Ende letzten Jahres beschlossen, mal eine Pause zu machen,
viel in Berlin zu sein und wieder für mich zu reisen. Ich denke als
Selbstständige ist die größte Herausforderung, die Balance zwischen
Arbeit und Freizeit zu finden, gerade weil sich Arbeit oft wie Freizeit
anfühlt und so positiv ausfüllend ist. Man ertappt sich oft dabei
wochenlang nur zu arbeiten und auf einmal ist ein Monat rum und man hat
weder Freunde, noch Familie gesehen. Was man nicht vergessen darf: auch
wenn Arbeit unglaublichen Spaß macht, die meiste Inspiration und Ruhe
zieht man aus dem, was privat passiert, von Freunden und Familie,
Reisen, Essen, Filme und Musik. Für sich selbst und seine Zeit
verantwortlich zu sein, zu lernen auch mal Nein zu sagen und sich die
Zeit zu nehmen, auch mal nichts zu tun, das ist für mich, was die Arbeit
als Selbstständige ausmacht.“

„Ich denke als
Selbstständiger ist die größte Herausforderung, die Balance zwischen
Arbeit und Freizeit zu finden, gerade weil sich Arbeit oft wie Freizeit
anfühlt und so positiv ausfüllend ist.“

Wenn man selbstständig ist, herrscht auch immer viel Unsicherheit. Wie gehst du damit um?

„Ich
bin immer schon ein recht angstfreier, zukunftsorientierter Mensch
gewesen. Ich gehe gern und oft Risiken ein und komme recht schnell wieder
hoch, wenn ich mal auf die Schnauze falle. Daraus ist über die Zeit ein
hoher Optimismus entstanden, der die Unsicherheit in Grenzen
hält. Natürlich gibt es auch mal Phasen, wo ich mich am liebsten unter
der Bettdecke verkrieche, weil einfach nichts klappen will. Das gehört
aber auch dazu. Man gibt dann wieder 200 Prozent, trifft sich mit Freunden und
versucht der Ursache auf den Grund zu gehen und dann läuft es wieder.“ 

Was bedeutet dir ein Foto? Kannst du uns mal das Bild zeigen, welches dir am allermeisten wert ist?

„Ein
einzelnes Foto, das mir am allermeisten wert ist, gibt es gar nicht.
Ich war eigentlich noch nie jemand, der an einzelnen Fotos hängt,
deswegen sind Auswahlen für mich auch immer das Schwierigste überhaupt.
Heute mag ich dieses Bild, morgen ein anderes. Ich würde mal sagen, die
meisten Fotos, die mir etwas wert sind, sind Fotos, die ich gar nicht
gemacht habe. Momente, die ich nur im Kopf abgespeichert habe und die
ich dennoch niemals vergessen werde.“

Kannst du so einen Moment mal beschreiben?

„Spirit
Falls. Das schöne daran ist eigentlich nicht der Ort oder das Bild
selbst, sondern die Geschichte dazu, der Ab- und Aufstieg. Zusammen mit
ein paar Freunden sind wir in Oregon einen wirklich steilen Berg
heruntergeklettert und schon auf dem Weg nach unten hab ich eigentlich
nur darüber nachgedacht, wie ich da jemals wieder hochkomme. Unten
angekommen, beim Wasserfall auf Steinen gesonnt und ausgeruht, die Füße
im eiskalten Wasser und am Ende noch einmal komplett ins eiskalte
Wasser gefallen, hab ich fast alle Ängste wieder verloren. Auf
der Hälfte vom Weg nach oben entschied ein Freund, mich allein zu
lassen, um einen anderen Aufstieg zu wählen und in einer Umgebung, in
der ich noch nie war, mit einer Steigung vor mir, die ich so noch nie
hochgelaufen bin, immer mit der Angst nach hinten herunterzufallen,
verließ mich auf einmal all meine Kraft und ich hatte kurz das Gefühl,
ich müsste für immer dort bleiben. Dann kam mein Freund David runter zu
mir, lief mit mir zusammen immer ein paar Meter weiter hoch, holte durch
motivierende Worte alles an Kraft heraus, das noch irgendwie in mir
drin war. Völlig am Ende meiner Kräfte kam ich eine Stunde später oben an. David
sagte dann: ‚Am Ende eines solchen Hikes, wenn man alle Ängste meistert
und Kräfte in sich findet, die man nie geglaubt zu haben, nimmt man
einen Stein und wirft ihn mit einem Wunsch zurück ins Tal.‘ Mit Tränen
in den Augen hab ich dann den Stein ins Tal geworfen und in dem Moment
ein Gefühl von Freiheit empfunden, dass ich bis dato noch nie erlebt
hatte. Natur und Freundschaft sind etwas so unfassbar Schönes.“

„Ich gehe gern und oft Risiken ein und komm recht schnell wieder
hoch, wenn ich mal auf die Schnauze falle.“ 

Als Fotografin triffst du auf wahnsinnig viele Personen. Wer hat dich zuletzt richtig inspiriert und wieso?

„Zwei Personen, Stephanie und Victor. Stephanie gehört zu meinen liebsten
Menschen und ihr Sohn Victor, mein Patenkind, ist gerade in einem Alter,
in dem er auf einmal soviel begreift und auf so eine einfache und
inspirierende Art vermittelt und uns damit ständig und überall zum
Lachen bringt. Er und Stephanie, die immer den richtigen Satz parat hat
und eine Stärke vermittelt, die nur wenige Menschen besitzen, die ich
kenne, sind beide mein absolutes Inspirationsduo!“

Du
bist selbst auch auf Instagram recht aktiv. Damit fühlt sich ja heute
fast jeder so ein bisschen nach Fotograf. Was macht ein gutes Bild aus?

„Ich
denke der Moment macht das Bild. Ich hab früher mal in einem
Onlineprofil stehen gehabt: ‚Wenn ein Moment etwas in mir auslöst, löse
ich aus.‘ Ich denke das faßt mein Instagram und auch viele andere
Accounts, denen ich folge, gut zusammen. Für mich ist es nicht unbedingt
wichtig, dass das Foto technisch perfekt ist, aber es muss etwas
rüberkommen, ich muss das Gefühl haben, dass mich die Person, die das
Bild zeigt, an etwas teilhaben lässt.“

Neben Menschen, schlägt dein
Herz auch fürs Essen. Frühstück ist dir die liebste Mahlzeit am Tag.
Was gehört zu einem guten Frühstück?

„Für mich gehört zu einem
guten Frühstück auf jeden Fall Brot, Käse, Schinken, Ei, ein paar
Früchte und nicht zu vergessen, Butter und Marmelade! Am besten alles
zusammen. Natürlich muss auch ein guter Saft und Kaffee auf den Tisch.
Ich frühstücke wenn ich arbeite eigentlich fast nie, weil mir Schlaf
extrem wichtig ist und ich mir dann lieber auf dem Weg ins Büro schnell
einen Smoothie hole. Daher feiere ich die Tage, an denen ich frei habe,
immer mit einem großen, ausgewogenen Frühstück, vorzugsweise im Bett.
Ein gutes Frühstück fühlt sich für mich daher immer irgendwie wie eine
Belohnung an.“

Du hast selbst auch mal gebloggt, wieso hast du das aufgegeben?

„Mich
hat ehrlicherweise ein wenig der Erfolg des Blogs überfordert. Ich bin
ja hauptberuflich Fotografin und würde das auch für nichts aufgeben
wollen. Als das Blog dann auf einmal in aller Munde war und ich sogar
nach einem halben Jahr schon einen Award gewonnen habe, bin ich einfach
in einer Flut von E-Mails und Anfragen untergegangen. Ich glaube, ein
Blog nebenbei zu führen, geht heutzutage nicht mehr, jedenfalls nicht,
wenn das Blog so in der Öffentlichkeit steht. Es entsteht dann natürlich
der Druck konstant guten Inhalt zu produzieren und ich hab irgendwann
gemerkt, dass dafür neben meiner Arbeit als Fotografin, einfach nicht
genügend Zeit übrig blieb. Heute nutze ich das Blog noch für meine
privaten Reisestories, die ich ab und zu mal veröffentliche, aber da ist
es dann auch nicht schlimm, wenn mal drei Monate kein Beitrag kommt.“

Ist Instagram heute wichtiger als das geschriebene Wort?

„Ich
denke Instagram ist nicht wichtiger, aber einfacher als das
geschriebene Wort. Fotos sind schneller zugänglich und es entstehen bei
jedem andere Worte im Kopf. Das geschriebene Wort hat eine andere
Wertigkeit und braucht mehr Zeit, um es zu verstehen. Ich hab mal
irgendwo gelesen, dass der Mensch durchschnittlich 400 Fotos pro Tag
sieht, Bilder sind heutzutage einfach überall. Mich als Fotografin freut
das natürlich, ich bin aber auch immer wieder dankbar, wenn ich mal
wieder ein gutes Buch vor mir habe und Bilder in meinem Kopf entstehen,
die ich nicht festhalten kann.“

Fotos
kann man natürlich sein Leben lang machen, ist das dein Plan oder hast
du einen persönlichen Masterplan, der ein ganz anderer ist?

„Witzigerweise
hab ich recht spät realisiert, dass ich eigentlich immer schon
fotografiert habe. Das war an Weihnachten vor ein paar Jahren als ich
meine Mama fragte, warum ich auf so wenig Fotos drauf bin und sie nur
meinte, ‚Na, weil du immer die Kamera in der Hand hattest.‘ Fotografie
war für mich immer etwas Selbstverständliches, wie Essen oder Trinken,
ich habe es nicht als Arbeit angesehen und daher wohl auch nicht
realisiert, wie früh das eigentlich schon bei mir anfing. Es ist auch
heute noch so, dass ich jeden Tag unendlich viele Bilder mache und das
manchmal gar nicht merke. Fotografie ist für mich etwas unglaublich
Natürliches und das wird sich auch niemals ändern. Ob ich damit immer
Geld verdienen werde weiß ich nicht, aber es wird sicher keinen Moment
mehr geben, in denen ich nicht ein Foto machen will, sei es mit der
Kamera oder im Kopf.“

Alle Bilder sind von Ailine Liefeld fotografiert.

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