Annemarie und Alex haben das Label Ecid gegründet. Ein Gespräch über Kritik an modeaffinen Business-Frauen, ihre Robocop-Attitüde und das Gründen.
Ecid ist ganz neu. Wie seid ihr auf die Idee gekommen und wie kam es zu der Zusammenarbeit zweier Cousinen, die in unterschiedlichen Ländern leben?
Annemarie: „Wir sind zusammen aufgewachsen und hatten immer eine enge Bindung, die trotz der Entfernung angehalten hat. Ziemlich früh war klar, dass wir uns gut ergänzen: Wir denken ähnlich, aber konzentrieren uns auf andere Bereiche. Für Ecid (www.ecidstore.de) war das der ausschlaggebende Punkt. Wir hatten die gleiche Vision und wussten, dass unsere Mischung nahezu alles abdeckt.“
Alex: „Die Idee war, Accessoires zu machen, die unseren Ansprüchen an Qualität, Ästhetik und Funktionalität entsprechen. Für uns war es wichtig, abbilden zu können, woran wir glauben und das Risiko einzugehen auch davon zu leben.“
Die Kollektionen von Ecid zeigen sich minimalistisch und zeitlos. Als Inspirationsquellen nennt ihr Goethes Faust, den Gameboy-Klassiker Tetris oder die Formel des goldenen Schnitts und begegnest diesen recht philosophisch. Wie passt das zusammen?
Alex: „Goethes Faust ist ein Klassiker, weil er auf einzigartige Weise das Dilemma des Menschen beschreibt: Alles wissen zu wollen, es aber nicht zu können. Darin spiegeln wir uns wieder. Manchmal sind wir fast notorisch, wenn es darum geht, Dinge zu verstehen und zu verinnerlichen. Das sind sehr unterschiedliche Themen, von klassischer Hochkultur bis hin zu cheesy Hip-Hop – was aber oft enger zusammenhängt, als man glaubt. Der berühmteste Drum Beat, den jeder kennt – der „Amen Break“ – basiert beispielsweise exakt auf dem Goldenen Schnitt, und funktioniert so gut, dass er millionenfach in Songs benutzt wurde. Strukturen von Qualität ähneln sich sehr, egal ob das Bildende Kunst, Architektur, Mode oder die Spice Girls sind. Das fließt alles in unsere Arbeit ein und unsere Produkte und fügt sich dann wie ein perfektes Level Tetris zusammen.“
Ecid soll den Lifestyle mutiger, kühner und modischer Frauen reflektieren. Stehen Frauen mit diesen Eigenschaften in der Mode noch zu wenig im Fokus?
Alex: „Viele Frauen, die respektiert werden, denken sie müssen sich modisch zurückhalten, um ernst genommen zu werden – oder werden oft gar dafür kritisiert, dass sie sich gut anziehen, während sie große Unternehmen leiten oder klassische Männerthemen bespielen. Das ist einfach wahnsinnig langweilig und an solche eindimensionalen Gedanken sollte man im Jahr 2014 eigentlich keine Sekunde mehr verschwenden.”
Annemarie: „Für uns ist es ganz selbstverständlich, dass Frauen, die hohe Ansprüche verfolgen, diese nicht nur auf ein Spezialgebiet beschränken. Außergewöhnliche Menschen haben in den meisten Fällen sehr viele verschiedene Talente, Begabungen und Ambitionen – wieso also nicht Mode. Das gilt übrigens auch für Männer.“
Accessoires sind in der Regel saisonunabhängig. Wie viele Kollektionen produziert ihr im Jahr?
Alex: „Wir arbeiten nicht saisonal, sondern eher thematisch. Die einzelnen Kollektionen sind das Ergebnis von bestimmten Themen. Deswegen hängen wir uns nicht an Saisons, sondern produzieren nach unserem eigenen Rhythmus. Nach der ersten Kollektion wird es zum Beispiel eine kleine Flash Kollektion geben, für die wir mit anderen Farben gearbeitet, aber die Modelle belassen haben. Damit ist dieses „Szenario“ quasi durchgespielt und für die größere neue Kollektion stehen wieder andere Themen im Vordergrund.“
Wer macht bei euch was, wer das Design, wer die Zahlen, wer das Marketing? Hat euch die Ausbildung auch auf das Gründen eines eigenen Unternehmens vorbereitet?
Annemarie: „Wir reden über alles gemeinsam. Es gibt keine Bereiche, in die die andere keinen Einblick hätte oder nicht mitentscheidet. Aber natürlich hat jede ihr Fachgebiet, das sie vorbereitet. Ausdiskutiert wird aber gemeinsam – und das oft sehr lang und sehr hitzig, aber gleichzeitig auch sehr produktiv. Ich bin für den wirtschaftlichen Teil und das Brand Management verantwortlich, Alex für den Design-Bereich. Da spiegelt sich unsere jeweilige Erfahrung aus unseren bisherigen Jobs wieder. Die Vorbereitung auf das Gründen selbst ist unserer Meinung nach aber weniger eine Frage der Ausbildung, sondern viel mehr eine Frage der Einstellung. Die meisten Gründer haben sich selbstständig gemacht, nicht weil sie konnten, sondern weil sie den tiefen Drang danach verspürt haben, ihre Vision umzusetzen. Dieses persönliche Bedürfnis, etwas zu realisieren ist oftmals auch das beste Qualitätskriterium.“
Gab es einen ausschlaggebenden Moment, um sich selbstständig zu machen? Und wie vereinbart ihr Ecid mit euren anderen Jobs? Geht sowas überhaupt nebenbei?
Annemarie: „Ich hatte dieses Streben nach mehr, eine innere Unruhe, den Wunsch etwas eigenes zu machen, und aufzuhören mit dem klassischen 9 bis 18 Uhr Job. Weg vom „ich muss“, hin zum „ich will“. Leider hat der Tag nur 24 Stunden und am Anfang muss man Opfer in Form seiner Freizeit bringen. Was ich aber sehr gerne mache, weil ich mich bewusst dafür entschieden habe. Natürlich ist das nicht immer einfach, aber das hat ja auch niemand gesagt.“
Alex: „Für mich war es die Bestätigung und das Feedback, das ich für meine Kollektionen für verschiedene andere Labels bekommen habe. Ich bekam langsam die Gewissheit, dass ich das auch alleine machen kann und auch will. Deswegen habe ich mich auch vor über einem Jahr dazu entschieden, mich nur auf Ecid zu konzentrieren und mich unserem Label Vollzeit zu widmen.“
Ihr musstet für die Produktion der Taschen in Vorleistung gehen. Wie finanziert ihr euch?
Annemarie: „Wir haben durch unsere Freelance-Jobs davor bereits einiges angespart und bekommen familiäre Unterstützung. Man muss eben Prioritäten setzen: Entweder man tanzt jedes Wochenende mit einem Whisky Sour in der Hand in einem Club – oder man hat sein eigenes Taschen-Label.”
Hattet ihr manchmal Angst vor dem Risiko keine Taschen zu verkaufen?
Alex: „Nicht auf rationaler Ebene. Wir arbeiten seit Jahren an dem Thema, kennen den Markt sehr gut und vertrauen auf unsere Erfahrung. Sicherlich gibt es bei all dem Schweiß und Blut, die in Ecid stecken, eine Restangst. Die kommt aber meist zeitversetzt, sodass wir uns gegenseitig schnell wieder bestärken.“
Gibt es etwas, dass ihr im Nachhinein anders machen würdet?
Annemarie: „Bislang nicht. Klar, lief in der Vorbereitung auch viel falsch. Aber die Fehler, die wir gemacht haben, waren alle sehr produktiv. Es ist wichtig, auch zu fühlen, wie man es nicht machen will.“
Ecid hat seinen Sitz in Polen, wie sehr prägt der Standort die Marke?
Annemarie: „Obwohl wir beide in Deutschland aufgewachsen sind und ich dort auch noch lebe, sind uns die polnischen Wurzeln wichtig. Aber nachdem wir beide schon einige Episoden in anderen Ländern hinter uns haben, ist das eher eine private, nostalgische Verbundenheit. Wir gehören einfach der klassischen „Jetsetter”-Generation an: Wir besuchen einen Teil unserer Familie in Washington, treffen die beste Freundin auf den wichtigsten Kunstveranstaltungen in Basel, Wien, Berlin, London oder fahren zu einer Hochzeit nach Tel Aviv. Das hat uns sehr geprägt, wir fühlen uns schnell überall Zuhause und verbunden. Das ist auch ein wichtiger Teil unserer Arbeit, denn von den vielen Menschen, Kulturen, der Kunst und Architektur fließt sehr viel in unsere Produkte.“
Was denkt ihr, muss ein junges Label mitbringen, um sich durchzusetzen?
Alex: „Eine gewisse Robocop-Attitude gepaart mit Tony Stark und Ace Ventura. Und sich im Notfall fragen: What would Buffy do?“
Die meisten Frauen haben ein Faible für Schuhe und Taschen. Was ist eure Theorie zu diesem Phänomen und was macht für euch persönlich den Reiz an diesem Accessoire aus?
Alex: „Accessoires sind ein universales Mittel um ein Outfit zu vollenden und eine bestimmte Richtung auszuformulieren. Gerade hochwertige Lederprodukte machen wahnsinnig viel aus. Das ist ein super spannendes Thema, das uns schon lange begleitet.“
Annemarie: „Besonders im Kontext mit dem Preis-Leistungs-Aspekt: Was sind die reinen Produktionskosten einer hochqualitativen Ledertasche, was möchte ich als Kunde dafür ausgeben und was habe ich davon. Ich denke, diesen Aspekt haben wir durch Ecid in eine neue Richtung gedreht.“
Zum Schluss die Gretchen-Frage: Lieber einmal in eine Tasche investieren oder für die verschiedensten Anlässe gewappnet sein?
Alex: „Die erste Kollektion ist so angelegt, dass sich unsere Modelle gegenseitig ergänzen. Jedes Modell funktioniert zu mehreren Anlässen, jeder Lebensbereich wird mit allen Produkten abgedeckt. Wir geben bei den Modellen nicht vor, dass Tasche XY besonders gut zu Anlass YZ passt – das passt auch nicht zu unserer Zielgruppe. Wir wollen selbstbewusste, eigensinnige und ambitionierte Frauen ansprechen, die sich keine Tasche kaufen, weil darunter steht, dass sie „perfekt in den Business-Alltag passt” – sondern weil sie vom Produkt überzeugt sind und ihren Stil und Lifestyle selbst definieren und einschätzen können. Während für eine Kuratorin unsere Triad genauso im Berufsalltag passt, wie Tetrad, ist für die Key Account Managerin die Triad eher für abends geeignet. Das kommt wiederum aber auch immer auf den indiviuellen Stil an: Alle Modelle können in unterschiedlichen Outfits ganz anders wirken. Das wissen unsere Kundinnen aber am Besten und darauf vertrauen wir auch. Viel Geld in eine Tasche zu investieren, kann viel Spaß machen, ist aber ziemlich langweilig.“
Bilder: Ecid