Heiner Thorborg hat auf unseren offenen Brief geantwortet. Seinen Brief an uns wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten.
Heiner Thorborg antwortet auf unseren offenen Brief
In einem offenen Brief schrieb EDITION F-Mitgründerin Nora-Vanessa Wohlert in der vergangenen Woche an Personalberater Heiner Thorborg. Der Vorwurf: Deutschlands bekanntester Frauen-Unterstützer glaubt nicht an ihr Potenzial. Zumindest auf Vorstandsebene.
Heiner Thorborg nutzte die Möglichkeit in seiner Kolumne bei unserem Content-Partner manager-magazin.de zu antworten. Über diese Offenheit freuen wir uns sehr, weil wir die offene Debatte zu diesem Thema für wichtig halten.
Diese Antwort an uns wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten. Auch, wenn ihr euch natürlich denken könnt, das wir nicht glauben, dass Weiblichkeit allein für den Vorstand qualifiziert. Nächste Woche nehmen wir uns die Zeit, ausführlich zu antworten. In der Zwischenzeit freuen wir uns über eure Kommentare.
Brief von Heiner Thorborg
Sehr geehrte Frau Wohlert,
vielen Dank für Ihren offenen Brief vom 26. Februar. Lassen Sie mich Ihnen ebenso offen antworten.
Sie scheinen der Meinung zu sein, dass ein Verfechter für mehr weibliche Topmanagerinnen in der deutschen Wirtschaft grundsätzlich jede Entscheidung, eine Frau in eine hochrangige Position zu setzen, gut finden und verteidigen muss. Nach dem Motto: Wer nicht grundsätzlich und unter allen Umständen für die Frauen eintritt, ist ein Verräter.
Ich bin der Überzeugung, dass mehr weibliche Topmanagerinnen dem Land, den Frauen, der Wirtschaft und der deutschen Wettbewerbsfähigkeit nur gut tun können. Deswegen muss ich aber noch lange nicht jede Vorstandsbesetzung fantastisch finden, nur weil sie an eine Frau geht.
Sie echauffieren sich besonders über einen Artikel in der ZEIT vom 27. November 2014 „Frau. Vorstand. Abgehängt.“, in dem ich mit folgendem Satz zitiert werde: „Wissen Sie, die Abgänge der Vorstandsfrauen haben mich überhaupt nicht überrascht. Die meisten Managerinnen waren für den Job nicht qualifiziert.“ Für Sie steht damit fest, dass ich den Frauen die Schuld an ihrem Scheitern gebe – damit kann ich nur borniert sein und meine Unternehmensberatung für Frauen „The Female Factor“ nur ein unternehmerischer Schachzug eines Chauvinisten.
Tatsächlich ist „The Female Factor“ in enger Kooperation mit einer Frau entstanden. Wir übernehmen hier keine Suchaufträge, sondern bieten interessierten Klienten proaktiv weibliche Managementtalente an. Und wer meine Partnerin Christina Virzí kennt, weiß, dass sie keine Zeit an einen Frauenfeind oder irgendwelche unternehmerischen Winkelzüge verschwenden würde. Und dann ist da auch noch „Generation CEO“, ein Netzwerk weiblicher Führungskräfte, von mir vor acht Jahren ins Leben gerufen und in dieser Qualität einzigartig in Europa, vielleicht sogar weltweit.
In Ihren Ausführungen fällt zudem unter den Tisch, dass ich in vielen Fällen keineswegs den betroffenen Frauen die Schuld an ihrem Scheitern gebe, sondern vielmehr den betroffenen Unternehmen. Ich traue mir da eine gewisse Urteilsfähigkeit zu, weil ich die meisten der weiblichen Talente auf den oberen Etagen der deutschen Wirtschaft ebenso kenne wie die Mehrheit der männlichen Entscheider.
Jahrelang wurden mehr Entscheiderinnen in den deutschen Chefetagen gefordert, und als dieser Anspruch zu einem Quotengesetz zu werden drohte, bemühten sich zahlreiche Unternehmen krampfhaft, den Frauenanteil im Topmanagement nach oben zu hebeln. Leider auch motiviert von dem Versuch, die Einführung von verbindlichen Frauenquoten mit ein bisschen Kosmetik doch noch zu verhindern. In diesem Aktionismus wetteiferten nicht wenige Vorstandsvorsitzende darum, unbedingt als Erster eine Frau in der obersten Führungsebene installiert zu haben.
Doch Personalentscheidungen von dieser Tragweite sind kein Wettrennen. Und leider steht inzwischen fest: Viele dieser Frauen wären als Mann mit demselben Lebenslauf nie eingestellt worden, denn statt unangreifbarer Kompetenz war bei diesen Personalentscheidungen das Geschlecht vorrangiges Kriterium. Das war fatal – zahlreiche dieser Fehlbesetzungen sind allerdings inzwischen wieder korrigiert worden.
Die Sache ist doch die: Wenn man jemand in den Vorstand eines börsennotierten Großkonzerns holt – ob Mann oder Frau – muss diese Person so viel vom Geschäft verstehen, dass die Benennung auch glaubwürdig ist. Die Kandidatin muss überdies bereits Erfahrung im Großbetrieb haben. Am besten sollte sie auch möglichst nah an dem Vorstand agiert haben, mit dem sie jetzt zusammenarbeiten soll. Wenn beides nicht der Fall war und dann bei einer externen Besetzung noch hinzukommt, dass die Kandidatin aus einem anderen Branchenumfeld kommt, entsteht ein dreifaches Problem: die Neue kennt weder den Sektor, noch das Unternehmen und schon gar nicht ihr eigenes Team. Ein Mann würde unter solchen Umständen nicht eingestellt. Oder wie mir so manch ein Aufsichtsrat nun über die geschassten Damen hinter vorgehaltener Hand erklärt: „Als Männer wären die auch vorzeitig gegangen“.
So habe ich mich in der Tat – gefragt und ungefragt auf allen möglichen Podien und in diversen Publikationen – geäußert. Und zwar nicht, weil ich irgendwelche Fehler bei den Frauen sehe, sondern weil ich mich über die kurzsichtige Personalpolitik vieler männlicher Entscheider schwarz ärgere. Wenn die wenigen Topmanagerinnen scheitern, die es in Deutschland gibt, ist die Wirkung katastrophal. Die negativen Vorfälle mit Frauen in einem Dax-Vorstand, die da nicht hingehören, bremsen alle anderen weiblichen Führungskräfte aus – und zwar auf mehreren Ebenen. Erstens fühlen sich die männlichen Dinosaurier, die Damen am Konferenztisch bestenfalls dann sehen wollen, wenn sie Kekse und Kaffee bringen, nun klammheimlich wieder in ihren Vorurteilen bestätigt und zweitens – und das ist noch schädlicher für das Unternehmen – ärgern sich die Frauen, die auf der zweiten und dritten Ebene im Unternehmen tätig sind. Die finden die Personalpolitik ihres Arbeitgebers nämlich höchst ärgerlich, wenn eine Außenseiterin quasi per Fallschirm von Außen geholt und dann allein gelassen wird.
Es wäre gesünder, wenn die Herren im Dax zunächst einmal die Frauen im eigenen Konzern in Augenschein nehmen würden. Diese Talente gilt es gezielt zu fördern, bis sie einer Vorstandsposition gewachsen sind. Auch ist es unproblematisch, die Reihen der Frauen auf der Ebene unter dem Vorstand mit externen Kandidatinnen aufzufüllen. Hier sind die Neuen weniger sichtbar, können sich ans Unternehmen gewöhnen, die Führungskultur verinnerlichen, ein Netzwerk aufbauen und vor allem zeigen, was sie können. Die Perspektive bleibt dieselbe: Aufrücken in die erste Reihe – sobald die Zeit reif ist und die Kandidatin auch.
Leider wollen Sie, liebe Frau Wohlert, solche differenzierten Argumente nicht gerne hören, ist es doch einfacher, die Welt in Freund und Feind einzuteilen. Und wer nicht hundertprozentig bei jeder weiblichen Topbesetzung Hurrrrah! schreit, kann nur ein Gegner der guten Sache sein. Daher auch Ihr Ärger über meine Aussage: „In den nächsten zehn Jahren wird es keinen weiblichen CEO im Dax geben.“
Tatsächlich ist es so, dass es nur Probleme mit sich bringt, mit aller Gewalt externe Kandidatinnen ohne Vorstandserfahrung auf die Topentscheider-Ebenen der deutschen Wirtschaft zu wuchten – wie die jüngsten Personaldramen in den Dax-Vorständen schmerzhaft demonstriert haben. Und deswegen – und nur deswegen – habe ich gesagt, dass ich für die kommenden zehn Jahre auch keinen weiblichen CEO im Dax sehe. Zunächst müssen entsprechende Kandidatinnen nämlich einem Dax-Vorstand angehören, bevor sie Vorstandsvorsitzende im Dax werden können. Bisher gibt es aber nur vereinzelte Finanz- oder Marketingchefinnen. Die meisten anderen Damen im Vorstandsrang betreuen das Ressort Human Resources – und ein Personalvorstand wird in der Regel nicht CEO. Das ist kein feindlicher Akt meinerseits, sondern einfach ein Fakt.
Zum Schluss fragen Sie mich, liebe Frau Wohlert: „Glauben Sie wirklich, dass jeder Vorstands-Mann wirklich nur aufgrund seiner Qualifikation auf dem Chefposten sitzt?“ Nein, natürlich nicht. Kann mich auch nicht erinnern, das je behauptet zu haben. Das wäre auch geschäftsschädigend, denn dann würde fundierte Personalberatung überflüssig.
Aber unqualifizierte Männer mit unqualifizierten Frauen zu ersetzen, kann auch nicht wirklich in Ihrem Sinne sein, oder? Oder glauben Sie, Frau Wohlert, dass Frauen die besseren Manager sind, bloß weil sie weiblich sind?
Im Übrigen sehe ich durchaus eine Frau, die das Zeug zum CEO im Dax hat und heute schon in einem entsprechenden Vorstand sitzt. Der betreffenden Dame habe ich das auch gesagt, und hier habe ich meine Aussage gern korrigiert.
Mit besten Grüßen,
Heiner Thorborg
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