Hinweis: Dieser Artikel thematisiert Suizid, Krankheit und Tod.
Die schwer krebskranke Oma verzichtet auf Essen und Trinken, um ihren Tod herbeizuführen – und ihre Enkelin fragt sich: Warum gibt es in Deutschland immer noch keine gesetzliche Regelung für einen weniger qualvollen Weg, um das eigene Leben selbstbestimmt zu beenden?
Wir heben unsere Gläser, stoßen klirrend an: „Auf dich!“ In unseren Gesichtern ist Liebe, Trauer und Schmerz. Ich weine, während ich versuche zu lächeln. Der Sekt hinterlässt eine brennende Spur in meiner Kehle. Meine Oma liegt müde in ihrem Krankenbett, das mein Vater vor ein paar Tagen bei ihr zu Hause aufgebaut hat. Die Augen noch wach, der Verstand klar. Sie spült den Sekt von einer Backe zur anderen und spuckt ihn zurück ins Glas. Nur den Mund befeuchten, nicht trinken.
Vor drei Tagen hat sie sich dazu entschieden, auf Essen und Trinken zu verzichten. Sie möchte sterben. Meine Mutter, mein Vater, mein Cousin, meine Tante und ich stehen um das Bett. Unsere Stimmung ist eine Mischung aus Glück, weil wir ihre letzten Tage zusammen als Familie verbringen können. Und Trauer darüber, dass es ihre letzten Tage sind.
Der Begriff „Freiwilliger Verzicht auf Essen und Trinken“ (FVET) wird in der Medizin verwendet und beschreibt genau das, was man dabei macht: freiwillig nichts mehr essen und trinken, um so den eigenen Tod herbeizuführen. „Sterbefasten“ ist ein anderer, eher umgangssprachlicher Begriff dafür. Je nachdem wie schlecht es der Person bereits geht, kann der Sterbeprozess bis zu 14 Tage dauern. Bei meiner Oma waren es neun.
Warum hat meine Oma sich dafür entschieden? Die kurze Antwort: Weil sie wegen ihrer Krankheit und ihres Leidens nicht mehr leben wollte und es in Deutschland keine andere Möglichkeit gibt, den eigenen Tod selbstbestimmt herbeizuführen. Die ausführliche Antwort ist komplizierter. Ich versuche trotzdem, sie zu geben. Fest steht: Meine Oma Rosi hat keine leichtfertige Entscheidung getroffen. Sie war ein lebensfroher Mensch und wurde von ihren Kindern und Enkel*innen innig geliebt. Für sie stand Familie immer an erster Stelle, sie liebte es, anderen eine Freude zu machen, auch mit 80 Jahren fuhr sie noch Fahrrad, sagte zehnmal, wie gut ihr das Essen schmeckte und erzählte gern von DDR-Zeiten, ihrem bereits gestorbenen Mann und den Jahren, als wir Enkel*innen noch klein waren.
„Weißt du Selina, ich habe nie über mein Alter nachgedacht. Aber jetzt denke ich, dass ich nicht leiden möchte. Ich will Sterbehilfe in Anspruch nehmen, wenn es so weit ist.“
Ihre Lebenslust und Unbeschwertheit gingen nach und nach verloren, als sie im vergangenen Jahr vor Weihnachten krank wurde und zuerst nicht klar war, was ihr fehlte. Meine Oma plagten ständige Übelkeit, Appetitlosigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel- und Schwächegefühl – sie konnte gerade mal allein zur Toilette und wieder zurückgehen. Der Hausarzt konnte allerdings keine konkrete Ursache feststellen. Diese Ungewissheit über mehrere Wochen hat ihr den Lebenswillen geraubt. Sie dachte damals, dass für sie die Zeit gekommen sei, in der sie aufgrund ihres Alters nicht mehr fit sein würde. Für meine Oma war es die schlimmste Vorstellung, die kommenden Jahre krank im Bett zu liegen und nicht mehr selbstständig leben zu können. Genau das hatte sie bei ihrer eigenen Mutter miterlebt. Zu diesem Zeitpunkt sprach sie das erste Mal von Sterbehilfe: „Weißt du Selina, ich habe nie über mein Alter nachgedacht. Aber jetzt denke ich, dass ich nicht leiden möchte. Ich will Sterbehilfe in Anspruch nehmen, wenn es so weit ist.“
Sterbehilfe in Deutschland – theoretisch: ja, praktisch: nein
Damals habe ich mich zum ersten Mal mit dem Thema Sterbehilfe in Deutschland beschäftigt. Es gibt verschiedene Arten der Sterbehilfe: Bei der passiven Sterbehilfe verzichten die Patient*innen auf lebensverlängernde Maßnahmen wie beispielsweise auf künstliche Ernährung. Diesen Wunsch kann man in einer Patient*innenverfügung festhalten. Würde man einer Person, die sich den Tod wünscht, ein todbringendes Medikament injizieren, spricht man von aktiver Sterbehilfe – diese gilt als Straftat und ist in Deutschland verboten.
Und dann gibt es noch die Beihilfe zum Suizid. Hierbei wird den Patient*innen ein tödliches Mittel – meist Natrium-Pentobarbital – zur Verfügung gestellt, einnehmen müssen sie es allerdings selbst. Diese Art der Sterbehilfe wird bereits in der Schweiz, den Niederlanden, Belgien und Luxemburg praktiziert. In Deutschland war die Beihilfe zum Suizid lange Zeit eine Grauzone: Es gab keine klaren Regelungen und zugelassenen Mittel, sie war aber auch nicht gesetzeswidrig.
2015 wurde die Beihilfe zum Suizid verboten und galt nach dem damals neuen Paragraf 217 als Straftat. Das Bundesverfassungsgericht entschied allerdings 2020, dass das Recht auf Leben auch das „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ beinhalte, und hob den Paragrafen damit auf. Ärzt*innen, Sterbehilfe-Vereine und Betroffene hatten gegen das Gesetz Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Kritiker*innen des Urteils befürchteten, dass mit einem daraus folgenden neuen Gesetz, und damit der Legalisierung der Beihilfe zum Suizid, die Suizidrate in die Höhe schießen werde. Petra Sitte von der Partei „Die Linke“ hat an einem Entwurf für ein Gesetz mitgearbeitet, das die Sterbehilfe in Deutschland regeln soll. In einem Interview sagte sie, dass es vor dem Verbot 2015 nicht viele Fälle von begleiteter Sterbehilfe gegeben habe. In der Schweiz, wo der assistierte Suizid legal ist, machten im Jahr 2018 1.176 Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch. Diese Zahl steigt jedes Jahr leicht an, jedoch machte sie 2018 auch nur 1,8 Prozent aller Todesfälle in der Schweiz aus. Petra Sitte sagt, dass wir in Deutschland mittlerweile, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, die Möglichkeit hätten, Regelungen für diese Art der Sterbehilfe einzuführen.
Der Entscheidung, selbstbestimmt sein Leben zu beenden, geht ein langer Prozess des Nachdenkens, Abwägens und meist auch Leidens voran. Eine solche Entscheidung trifft niemand leichtfertig und nebenbei. Ein Gesetz könnte Betroffene unterstützen und vor Missbrauch schützen. Allerdings gibt es bis heute keine gesetzlichen Regelungen und kein tödliches Mittel wie Natrium-Pentobarbital, das in Deutschland zugelassen wäre. Im aktuellen Koalitionsvertrag von SPD, Grüne und FDP steht lediglich: „Wir begrüßen, wenn durch zeitnahe fraktionsübergreifende Anträge das Thema Sterbehilfe einer Entscheidung zugeführt wird.“
Was ist ein gutes Leben und wer entscheidet das?
Ende Januar fanden Mediziner*innen endlich die Ursache für den Zustand meiner Oma: ein doppelter Hirntumor. Die Ärzt*innen empfahlen eine Chemotherapie, um das Wachstum der Tumore zu stoppen und so das Leben meiner Oma möglicherweise um einige Jahre zu verlängern. Die Chancen standen gut, da sie für ihre 81 Jahre noch fit war – abgesehen von der Zeit kurz vor der Behandlung. Meine Oma sah die Chemotherapie als Chance und entschied sich dafür. Die Therapie und deren Nebenwirkungen zehrten allerdings an ihr, ihre Kräfte schwanden. Sie bekam eine Lungenentzündung, jede Chemo-Einheit wurde anstrengender. Nach gut zwei Monaten Behandlung bat meine Oma darum, auf eigene Verantwortung aus dem Krankenhaus entlassen zu werden.
„Meine Oma entschied, dass sie so nicht leben möchte. Und diese Entscheidung konnte niemand sonst für sie treffen.“
Ich war entsetzt und konnte nicht verstehen, warum sie keine Hilfe mehr wollte. Ich sprach mit meiner Tante, wir redeten darüber, unter welchen Lebensbedingungen sich ein Mensch wohlfühlt und wie er leben möchte. Meine Tante und mein Vater sprachen regelmäßig mit den Ärzt*innen und hatten gefragt, ob meine Oma wieder gesund und selbstständig werden könne, oder ob die Behandlung „nur“ das Ziel habe, ihr Leben zu verlängern. Die Chemotherapie schlug zwar an, aber weil sich der allgemeine Gesundheitszustand meiner Oma immer weiter verschlechterte, verringerten sich auch die Aussichten darauf, dass sie nach der Behandlung wieder vollkommen gesund werden würde. Und ich verstand: Die Lebensumstände meiner Oma würden sich nach der Chemotherapie sehr von ihrem früheren Leben unterscheiden. Sie wäre auf Hilfe angewiesen und wäre womöglich bettlägerig. Meine Oma entschied, dass sie so nicht leben möchte. Und diese Entscheidung konnte niemand sonst für sie treffen.
Sterben als Luxusgut
„Ich habe doch ein schönes Leben gehabt und war gesund, bis ich 80 war. Es ist für mich völlig in Ordnung, jetzt zu gehen“, sagte mein Oma, als sie den Entschluss gefasst hatte, die Chemotherapie abzubrechen. Wir begannen zu recherchieren, welche Möglichkeiten es in Bezug auf Sterbehilfe gab. Das Problem war: In Deutschland kann man die Beihilfe zum Suizid praktisch noch nicht in Anspruch nehmen. Außer man hat genug Geld und wendet sich an den privaten „Verein Sterbehilfe“. Der Verein wurde vom ehemaligen CDU-Politiker Roger Kusch gegründet und bietet seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2020 wieder seine Dienste zur Suizidassistenz an, nachdem es zwischenzeitlich verboten war. Der Mitgliedsbeitrag für eine Lebensmitgliedschaft betrug Anfang diesen Jahres noch 2.000 Euro, wurde aber mittlerweile auf 500 Euro gesenkt. In der Pressemitteilung schreibt der Verein: „Würde und Selbstbestimmung am Lebensende dürfen nicht vom Geld abhängen.“ Das kann man durchaus zynisch finden. Auch 500 Euro sind für manche Menschen viel Geld. Und die Inanspruchnahme der Suizidassistenz durch den Verein kostet zwischen 2.000 und 7.000 Euro – je nachdem, wie akut die Situation ist und wie lange die Patient*innen schon Mitglieder im Verein sind.
„,Würde und Selbstbestimmung am Lebensende dürfen nicht vom Geld abhängen.‘ Das kann man durchaus zynisch finden. Auch 500 Euro sind für manche Menschen viel Geld.“
Der „Verein Sterbehilfe“ war ein Grund, warum die Beihilfe zum Suizid 2015 verboten wurde. Die Regierung hatte Bedenken, dass er kommerzielle Interessen verfolgen und die Sterbehilfe geschäftsmäßig fördern würde. Bei den verlangten Preisen liegt die Vermutung nahe. Auf der Website beteuert der Verein, dass die hohen Kosten nicht auf Gewinnzwecke, sondern nur auf die Aufwandsentschädigung zurückzuführen sind. Was zumindest stimmt: Da es in Deutschland noch keine gesetzlichen Regelungen gibt, gibt es auch keine staatliche Maßnahmen, die dazu beitragen könnten, selbstbestimmtes Sterben nicht zum Luxus von wenigen zu machen.
Was ist die Alternative?
Weil meine Oma also keine Möglichkeit hatte, die Beihilfe zum Suizid in Anspruch zu nehmen, und sich nicht weiter medizinisch behandeln lassen wollte, suchten wir eine*n Palliativpfleger*in, der*die meine Oma begleiten sollte. Die Palliativmedizin kommt dann zum Einsatz, wenn Patient*innen eine nicht heilbare oder weit fortgeschrittene Krankheit und nur noch begrenze Lebenserwartung haben. Das Ziel ist, die Lebensqualität der Patient*innen zu erhalten oder zu verbessern, indem zum Beispiel die Schmerzen gelindert werden. Außerdem begleiten Palliativpfleger*innen Patient*innen beim freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken – wie es letztendlich bei meiner Oma Rosi der Fall war.
Die Palliativpflegerin betreute nicht nur sie, sondern auch uns Angehörige. Sie klärte alle Beteiligten über den Ablauf auf und besuchte uns einmal am Tag, um uns mit Medikamenten, Gesprächen und Tipps zu unterstützen. Wir kamen noch einmal als Familie zusammen, um mit Sekt auf meine Oma Rosi anzustoßen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits seit einigen Tagen nichts mehr gegessen und getrunken. Sie war im Kopf noch klar, körperlich aber schwach und das Sprechen fiel ihr schwer. Ihr Mund war ausgetrocknet, auch wenn mein Vater und meine Tante immer versuchten, ihn mit nassen Wattestäbchen und einer kleinen Sprühflasche feucht zu halten. Dadurch könne man das Durstgefühl ein wenig lindern, erklärte uns die Palliativpflegerin. Manchmal füllten sie auch Kaffee in die Sprühflasche, damit meine Oma wenigstens noch etwas schmecken konnte. Als mein Cousin und ich sie besuchten, wollte sie vor allem uns aufheitern und versuchte, mit uns zu sprechen, auch wenn oft nicht mehr als ein Flüstern möglich war.
„Vor allem die letzten Tage waren nervenaufreibend. Jeder Tag konnte ihr letzer sein. Mit einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung wartete ich jeden Tag auf den Anruf.“
Wir beschlossen als Familie, dass sich am Ende nur noch mein Vater und meine Tante um sie kümmern sollten, damit sie zur Ruhe kommen konnte. Als ich sie zum letzten Mal sah, umklammerte ich sie und schluchzte ihr ins Ohr, wie lieb ich sie hatte und was für eine starke Frau sie für mich ist. Ich merkte, wie schwer es meiner Familie fiel, meine Oma in dieser Zeit zu begleiten, ihr nichts zu trinken geben zu können und zu sehen, wie sie immer schwächer wurde. Vor allem die letzten Tage waren nervenaufreibend. Jeder Tag konnte ihr letzter sein. Mit einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung wartete ich jeden Tag auf den Anruf. Meine Oma bekam Morphin, sodass sie keine Schmerzen hatte – sie war anwesend und doch nicht. Wie in einem Fiebertraum gab sie teils wirre Sachen von sich, bis sie gar nicht mehr sprechen konnte und schließlich an einem Donnerstagabend einschlief. Ich hatte so sehr auf den Moment gewartet, in dem sie endlich erlöst war – und wurde gleichzeitig von einer tiefen Trauer überwältigt.
Die Palliativärztin Christiane Funk arbeitet in Berlin für die stationäre, ambulante Palliativ-Versorgung: „Oft ist es so, dass ich zu Patient*innen komme, nach ihren Wünschen und Bedürfnisse frage und sie sagen: ,Ach geben sie mir doch einfach eine Spritze, damit ich tot bin‘.“ Ein großer Teil ihrer Arbeit bestehe darin, den Menschen erstmal zuzuhören und ihnen alle Möglichkeiten aufzuzeigen. „Wenn man nachfragt, warum genau sie sterben wollen, nennen sie Gründe wie unerträglicher Schmerz, Angst vor Ersticken, Einsamkeit oder Verlust der Würde. Körperliche Symptome können wir gut durch medikamentöse Behandlung und Betreuung verbessern. Die Patient*innen sind dann meist sehr dankbar und bei den Folgebesuchen äußern sie den Sterbewunsch gar nicht mehr.“ Auch die Möglichkeit, sich am Ende immer noch für den FVET entscheiden zu können, beruhige die meisten bereits.
„Wenn man nachfragt, warum genau sie sterben wollen, nennen sie GrÜnde wie unerträglicher Schmerz, Angst vor Ersticken, Einsamkeit oder Verlust der Würde. Körperliche Symptome können wir gut durch medikamentöse Behandlung und Betreuung verbessern. Die Patient*innen sind dann meist sehr dankbar.“
Der Freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken wird als eine „humane Form des Suizids“ bezeichnet. „Human“ wiederum bedeutet „die Würde des Menschen achtend“. Die Ärztin Christiane Funk stimmt dieser Definition zu. Meiner Ansicht nach wird dieser freiwillige Verzicht aber romantisiert, als wäre es mit keinem Leiden für Betroffene und Angehörige verbunden. Der freiwillige Verzicht auf Essen und Trinken kommt zwar dem natürlichen Tod am nächsten – dem Körper fehlen Nährstoffe und Flüssigkeit, der Kreislauf fährt runter, bis schließlich die Organe versagen und das Herz stehen bleibt. Aber diese Art des Sterbens kann bis zu zwei Wochen dauern und erfordert enorme Stärke und Durchhaltekraft. Ich frage mich: Wie human ist es, einen Menschen, der den festen Entschluss gefasst hat, den eigenen Tod selbstbestimmt herbeizuführen, unnötig lange leiden zu lassen?
Der freie Wille bis in den Tod
Laut einer Umfrage von Infratest Dimap im Februar 2020 sind 81 Prozent der Deutschen der Ansicht, dass es Ärzt*innen erlaubt sein sollte, Schwerstkranke beim Suizid zu unterstützen. In der medialen Berichterstattung zum Thema kommen immer wieder Palliativmediziner*innen zu Wort, die sich nicht vorstellen können, ihren Patient*innen die Beihilfe zum Suizid anzubieten. Auch Christiane Funk hält diese Art der Sterbehilfe nicht für nötig, weil die Palliativmedizin bereits genügend Möglichkeiten für einen würdevollen Tod bereithalte.
„Meine Oma hat kompromisslos den freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken durchgezogen und zu keinem Zeitpunkt an ihrer Entscheidung gezweifelt. Andere hätten diese Durchhaltekraft vielleicht nicht gehabt.“
Aber wer, wenn nicht Ärzt*innen, sollten für einen würdevollen und schmerzbefreiten Tod verantwortlich sein? Es ist davon auszugehen, dass es nach einer entsprechenden Gesetzesänderung genügend (Palliativ)Ärzt*innen geben würde, die ihren Patient*innen diese Möglichkeit des Sterbens gerne anbieten würden – einige von ihnen haben sich bereits 2020 mit an der Verfassungsbeschwerde gegen den Paragraf 217 beteiligt. Aus meiner Sicht brauchen wir endlich eine gesetzliche Reglung, die die Beihilfe zum Suizid nicht für viele unbezahlbar, sondern für alle frei zugänglich macht. Das Wissen um die Möglichkeit, bei Bedarf den assistierten Suizid in Anspruch nehmen zu können, kann unheilbar kranke Patient*innen beruhigen und den wenigen, die darauf zurückgreifen wollen, helfen. Meine Oma hat kompromisslos den freiwilligen Verzicht auf Essen und Trinken durchgezogen und zu keinem Zeitpunkt an ihrer Entscheidung gezweifelt. Andere hätten diese Durchhaltekraft vielleicht nicht gehabt und ich weiß, dass nicht nur ich, sondern auch meine Oma Rosi sich gewünscht hätte, dass es schneller gegangen wäre.