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Belgien will Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetzbuch streichen

Belgien hat erst 1990 erlaubt, Schwangerschaften abzubrechen. Nun plant die Regierung, Abbrüche zu liberalisieren und aus dem Strafgesetzbuch zu streichen. Kritik, dass die Reform nicht weit genug gehe, gibt es dennoch.

 

Schwangerschaftsabbrüche sollen keine Straftat mehr sein

Die vier Regierungsparteien in Belgien haben sich darauf geeinigt, einen Gesetzentwurf ins Parlament einzubringen, mit dem der Schwangerschaftsabbruch aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden soll. Abtreibung, die mit der bestehenden Gesetzeslage technisch illegal ist, soll mit dem neuen Gesetz entkriminalisiert werden. 

In Belgien sind Schwangerschaftsabbrüche seit 1990 straffrei, wenn sich die Schwangere in einer „Notlage“ befindet. Bis zu diesem Zeitpunkt waren Abbrüche verboten, Schwangere fuhren in Nachbarländer oder fanden Ärzt*innen, die sie trotz Verbot und möglicher Strafe behandelten. In einer historischen Entscheidung räumte der damalige König Baudoin mit der Angabe der „Regierungsunfähigkeit“ für zwei Tage seinen Platz, damit das Parlament in eigener Kompetenz und ohne seine Unterschrift das Gesetz verabschieden konnte, und den König danach wieder in sein Amt zu versetzen. 

Was das Gesetz verbessern soll 

Nun sollen Schwangerschaftsabbrüche als Straftatbestand aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden und in einem eigenen Gesetz geregelt werden, berichtet die Brussels Times. Neu ist, dass die Schwangere sich nicht mehr in einer „Notlage“ befinden muss. In Belgien gilt zudem bislang eine Wartezeit von sechs Tagen nach einer Schwangerschaftskonfliktberatung, bis der Eingriff vorgenommen werden kann. Diese Wartezeit bleibt bestehen, kann aber entfallen, wenn sie medizinisch umgehend notwendig ist.

Eine weitere wichtige Änderung sei, dass ein*e Ärzt*in die Person, die einen Abbruch wünscht, im Falle eines Gewissenskonflikts, aufgrund die*der Ärzt*in den Eingriff nicht vornehmen will, an eine*n Kolleg*in überweisen muss, die*der den Schwangerschaftsabbruch vornehmen kann. Das Gesetz nimmt somit das Gesundheitssystem in die Pflicht, Schwangeren, die ihre Schwangerschaft nicht austragen wollen, zu helfen – und lässt sie nicht mit ihrer Situation allein.

Eine lange „Bedenkzeit“ bleibt

Die Frist, in der eine Schwangerschaft abgebrochen werden kann, soll weiterhin zwölf Wochen betragen. Belgische Politiker*innen der Opposition hatten sich dafür ausgesprochen, diesen Zeitraum auf 18 Wochen auszudehnen und zudem die Wartezeit zwischen Konsultation und Eingriff auf zwei Tage zu verkürzen. Zudem schlugen sie vor, Abbrüche als regulären medizinischen Eingriff zu werten, in den lediglich Ärzt*in und Patient*in involviert sein sollten. Belgische Feminist*innen geht das Gesetz nicht weit genug, da sie die Wartezeit von sechs Tagen für willkürlich gewählt sehen und Abbrüche nach der zwölften Woche weiterhin bestraft werden können. „Der Vorschlag der Regierung sei keine echte Entkriminalisierung, sondern eine Light-Version“, kritisierte die Politikerin Françoise De Smedt von der Partij van de Arbeid. Sie bezeichnete Abtreibung als Recht von Frauen und plädierte in einem Gastbeitrag im Magazin „Le Vif“ dafür, dass Belgien eine Vorreiterrolle in Europa einnehmen solle, um anderen Ländern als Inspiration zu dienen und die Menschen dort zu ermutigen, weiter für reproduktive Rechte zu kämpfen. 

Verabschiedet das belgische Parlament das neue Gesetz, wird jedoch immerhin ein erster Fortschritt zu mehr sexueller Selbstbestimmung ermöglicht. Abbrüche könnten in Belgien bald nicht mehr nur straffrei, sondern mit der Entfernung aus dem Strafgesetzbuch entkriminalisiert sein – für die ersten zwölf Wochen. Man geht davon aus, dass das aktuelle Staatsoberhaupt Philippe von Belgien das Gesetz unterzeichnen wird.

In Deutschland müssen nach § 218 StGB drei Tage zwischen Beratung und Eingriff verstreichen. Auch in Deutschland wird von Feminist*innen und vom Bündnis sexuelle Selbstbestimmung, in dem viele Beratungsstellen, Parteiorganisationen und weitere Vereine und Netzwerke zusammengeschlossen sind, schon lange gefordert, die Paragrafen 218 und 219 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und damit Schwangerschaftsabbrüche endlich legal zu machen.

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