Foto: HBO

Mr. Big versteht die Frauen nicht

Chris Noth, der in Sex and the City Mr. Big spielt, hat Carrie Bradshaw als Hure bezeichnet. Warum wir endlich anders über Spaß an Sex reden müssen.

 

Ein schlechter Witz

In einem Interview mit der australischen Nachrichtenwebsite News.com.au äußerte sich Chris Noth, bekannt als Mr. Big aus Sex and the City, über das Verhältnis zwischen seiner Rolle und dem Charakter Carrie Bradshaw. Bei dem Versuch seinen Charakter zu verteidigen, nannte er sie dabei eine Hure. Es sollte ein Scherz sein.

Der Witz des Schauspielers – und dass es ein Witz war, möchte ich ihm gar nicht absprechen – zeigt eines ganz deutlich: Gleichberechtigt sind wir noch lange nicht. Selbst der Mann, der eine tragende Rolle in so einer wichtigen Serie für Frauen hatte, hat seinen Sexismus noch nicht überwunden.

Empörung als PR?

Chris Noth wollte seinen Charakter aus der Serie verteidigen, ähnlich wie oft Männer meinen, sie müssten sich und alle ihre Mitmänner in Schutz nehmen vor den Angriffen der Feministinnen und ihren #yesallwomen-Hashtags. Dass er dabei auf einen Mechanismus zurückgreift, der so alt ist wie das Patriarchat selbst, spricht Bände. Oder wollte er auf so platte Art und Weise den dritten Teil des Sex-and-the-City-Films bewerben, um dessen dessen Planung sich aktuell Gerüchte ranken? Feminismus ist mittlerweile auch als Werbemittel sehr beliebt: Beautykonzerne nutzen die Macht der feministischer Empowerment-Slogans um Shampoo zu verkaufen. Warum sollten also die Macher des Films nicht einen kleinen Shitstorm brauen um ihr Projekt zu bewerben? Warum nicht eine sexistische Entgleisung für PR nutzen?

Sex and the City war eine Serie, die eine ganze Generation heranwachsender Mädchen und auch Jungen und vielen, die sich dazwischen definieren, beeinflusst hat. In einer Medienlandschaft, in der Frauen selten die Hauptrollen bekommen, in der die meisten Filme nicht einmal den Bechdel-Test bestehen, war eine Serie, in der vier Mittdreißiger-Singlefrauen selbstbestimmten Sex haben und humorvoll sind, ein echter Notanker für viele, die in der Popkultur nach Vorbildern suchten.

Doppelte Standards auch für Sex

Auf dem fränkischen Land, wo ich aufwuchs, galt man als Schlampe, sobald man mit mehr als zwei Jungs geknutscht hatte. Da das aber irgendwie jede tat, und jeder es von jedem wusste, war es eben akzeptiert. Wir konnten uns auch über unsere betrunkenen Entgleisungen amüsieren und die Sex-and-the-City-Truppe gab uns jeden Donnerstagabend Bestätigung. Eben weil Carrie, Samantha, Miranda und Charlotte so sex-positiv lebten, konnten wir unsere Sexualität und unsere Wirkung auf Jungs ausprobieren, ohne ständig Schuldgefühle zu haben – im Sinne von: die sind noch „schlimmer“, also bin ich noch im grünen Bereich. Ein Stück weit normalisierten sie für unsere Generation ein selbstbestimmtes Sexleben. Aber tiefsitzende gesellschaftliche Muster wie Sexismus sind nicht leicht loszuwerden. Auch wenn wir uns amüsierten, gab es hinter unserem Rücken Leute, die uns Schlampen oder Nutten nannten und es absolut nicht als Witz meinten. Das Gefühl, dass geredet wurde, war jedenfalls allgegenwärtig. 

Das spiegelt genau diesen Doppelstandard wieder, den Chris Noth Witz hier zu Tage fördert. Der Grund, warum Frauen nicht so über ihre Körper entscheiden können, wie sie wollen, ist weil andere das nicht gut finden, aber selbst nicht wissen, warum. Der Witz steht eben in einer besonderen Relation zum Unterbewussten.

Um mich ganz klar auszudrücken: Ich störe mich persönlich an den Wort Hure, Nutte, Schlampe und allen weiteren Varianten. Selbst Frauen, die mit Prostitution ihr Geld verdienen, verwenden für ihre Arbeit oft andere Begriffe: Worte, die sie sich selbst aussuchen und die nicht abfällig gemeint sind. Es geht mir aber nicht um das Wort, sondern um das Konzept, dass es den Wert einer Frau in den Augen anderer mindern sollte, dass sie gerne Sex hat. Ich halte es – auch als Witz – für ein antiquiertes Konzept, das wir alle gemeinsam abschaffen sollten.

Mr. Bigs weltmännische Art, mit der er Carrie immer wieder für sich gewinnt, ist das wovor die Schlampensager so Angst haben. Wenn Frauen ungeahndet mit ihrer Wirkung und Attraktivität experimentieren dürften, wie viel mehr Spaß könnten alle miteinander haben? Warum ist Mr. Big charmant, und Carrie wird als Schlampe bezeichnet? Fast alle Menschen mögen Sex, haben Sex, wollen Sex. Auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung müssen wir endlich alle lernen, dass Spaß an Sex für alle gilt und wie viel wir davon haben nichts über uns aussagt, außer dass wir Menschen sind.

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