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Die womöglich besten Bars der Republik

Deutschlands Nachtleben wird immer hipper. In den Bars wird vakuumiert, infusioniert und dekonstruiert, der Barkeeper wird hier zum Künstler. Ein Streifzug unseres Partners manager magazin durch die besten Läden der Republik.

Bars sind die Sternerestaurants der Hipsterszene

Sonja Banze und Anja Rützel von unserem Partner Manager Magazin haben sich aufgemacht, um die besten Bars der Republik zu finden:

Ein Laden irgendwo an einer vierspurigen Straße abseits von Berlin-Mitte, bis oben vollgestellt mit Champagnerkartons, mittendrin ein Flamingo, der weiße Lack am Schaufenster abgeblättert. Man guckt durch die Glastür, sieht Bierkisten, einen großen Kühlschrank und einen Durchgang, über dem es rot blinkt: Closed. Wer trotzdem bei „Bar“ klingelt, dem wird auch geöffnet. Von einem Türsteher Typ Matrose, weiße Hose, weißes T-Shirt, Glatze, blonder Schnauzbart. Er mustert einen von oben bis unten. Das Pärchen eben wurde weggeschickt, falsche Klamotte.

„Waren Sie schon mal hier?“

„Nein.“

„Macht nichts.“

Man darf rein, zwei Ecken weiter tut sich eine andere Welt auf: ein fensterloser Raum, anthrazitgrau gestrichene Wände, an einer eine goldene Kettensäge, kaum Licht, ein breiter, schwarzer Tresen, der aussieht, als sei er mit Krokodilleder bezogen, darauf ein paar Glaskuppeln, unter der einen steht eine vergoldete Mondrakete wie aus dem „Tim und Struppi“-Comic „Die Reise zum Mond“. Der Barkeeper, muskulös, schwarzes Shirt, zieht mit Farbcodes gekennzeichnete Flaschen aus der Theke und mixt hochkonzentriert. Es ist so dunkel, dass man die Karte nicht lesen kann und einfach einen Negroni bestellt, weil einem Gin Tonic hier zu normal erscheint. Der Drink kommt im kleinen Likörglas auf weißer Damastserviette. Alles wahnsinnig höflich, immer ein angedeuteter Diener, „sehr gern“. Erinnert an eine Messe in einer sakralen Höhle. Das „Buck and Breck“, Brunnenstraße 177, Berlin, ist die einzige deutsche Bar, die es auf die Liste der „50 Best Bars of the World“ geschafft hat (Platz 50). 2010 eröffnet von Gonçalo de Sousa Monteiro, dessen alte Handynummer außer Betrieb ist und der selbst für alte Bekannte nur schwer zu erreichen ist. Es sei denn, sie kommen in seine Bar, wenn er gerade Schicht hat. So unnahbar der Gründer, so karg die Website: ein Bild, das Logo, die Adresse. Keine Nummer, keine Karte, kein Motto.

Wie anders ist da doch das „Dead Rabbit“: ein gemütlicher Irish Pub, brechend voll, polierte Holztheke, der Boden mit Sägespänen ausgestreut, alte Fotos, ein paar Bürgerkriegssouvenirs, es wird Bier gezapft und Whisky ausgeschenkt. In der Etage darüber: eine Cocktail-Lounge, in der 72 historische Drinks serviert werden. Das „Dead Rabbit“, 30 Water Street, ganz unten am Zipfel von Manhattan, das Wohnzimmer der Wall-Street-Trader, gilt als die beste Bar der Welt und führt seit zwei Jahren die „50 Best“-Liste an.

Von fast abweisend cool bis einladend gemütlich, von der American bis zur Dive Bar – die Szene boomt, eine Neueröffnung folgt der anderen. Und das nicht mehr nur in den traditionellen Barmetropolen New York, London oder Tokio, sondern auch in Reykjavik (das „Kaffibarinn“, zwischen funky und gemütlich, voll, Mitinhaber: Blur-Sänger Damon Albarn); in Barcelona (das „Dr. Stravinsky“, wo die Drinks wie in einem alten Labor nach Infusionsmethode Tropfen für Tropfen gemixt werden); in Seoul (das „Alice Cheongdam“, versteckt im Hinterhof eines Blumenladens, hier kommen Cocktails wie der Hippity Hoppity im Hasenbecher); oder in Frankfurt (das „Bonechina“, wo die Gäste den Drinks eigenhändig den letzten Schliff geben, etwa mit Eiswürfeln aus Sandelholz).

Bars sind die Sternerestaurants der Hipsterszene: Ob Küche oder Tresen – den Ideen und Experimenten sind keine Grenzen gesetzt; mit dem Unterschied, dass beim Drink die gesamte Gourmetkunst nicht über diverse Gänge und Beilagen verteilt werden kann, sondern in einem einzigen Glas landet.

Höchst ehrgeizig und penibel mixen

Was von Drinks zu verstehen und die In-Bar zu kennen gehört wie Barteinölen und Cold-Drip-Kaffee-Verkosten heute zu den Basisdisziplinen eines modernen Großstädters. Wie es Foodies gibt, die sich zum Ziel gesetzt haben, alle Spitzenrestaurants abzuklappern, so gibt es mittlerweile auch Drinkies, die in Bars pilgern, denen ein Award verliehen wurde. Mit dicker Ananasscheibe am Rand und bunten Papierschirmchen hat das Bartendern jedenfalls nichts mehr zu tun. Genauso wenig wie mit der Saufkultur eines Dean Martin oder Ernest Hemingway.

Heute wird höchst ehrgeizig und penibel gemixt, mit Ingredienzien und Methoden experimentiert, da werden Cocktailbücher von 1862 und 1937 aus den Archiven geholt, alte Rezepte neu interpretiert und Gins, Bitter und Brände selbstverständlich selbst gebrannt. Sogar Eiswürfel sind mittlerweile eine Wissenschaft für sich, die besten sind die aus japanischen Maschinen.

Der Barkeeper ist kein Einschenker und Amateurpsychologe mehr, er ist zum Mixologen aufgestiegen. So wie der DJ in den späten 90er Jahren den Sprung vom Plattenaufleger zum eigenständigen Künstler machte, tummeln sich auch hinter den Tresen inzwischen viele Prominente. Hin und wieder kommt es gar vor, dass der eine in der Bar des anderen auflegt, äh, mixt. Und wenn ein Star seinen Laden verlässt, wie 2015 Alex Kratena die „Artesian“-Bar (lange die Nummer eins der Welt), verliert der schnell an Attraktivität. Die Szene hat sich in den vergangenen acht, neun Jahren zunehmend formiert und professionalisiert. Man trifft sich auf Contests und Messen wie dem Bar Convent; Tales of the Cocktail etwa hat sich von einer kleinen Zusammenkunft von Freaks zu einem echten Drinkfestival entwickelt, mit dem Spirited Award als Cocktail-Oscar.

An Auszeichnungen herrscht ohnehin kein Mangel. „Bester Barkeeper International“, „Bar Personality of the Year“ und, seit 2009, die „50 Best Bars of the World“-Liste, das Pendant zum Ranking der Spitzenrestaurants. Die nächste Ausgabe wird am 5. Oktober in London verkündet, mit großer Party versteht sich. Langsam fangen auch die Deutschen an, vorn mitzuspielen. Akribie ist schließlich ihr Ding.

Der Unprätentiöse

Schön war’s in Mexiko-Stadt, aufregend, jetzt ist Sven Goller (26) müde. Am Vormittag ist er von einem der wichtigsten Mixwettbewerbe zurückgekommen, der „World Class“ eines Spirituosenherstellers. Sein Gepäck: vier Koffer voll mit Flaschen, einer mit Kühlbox, darin Gollers selbst gemachte Sirups. Die anderen Teilnehmer kamen aus Athen, London oder New York. „Da ist man schon ein bisschen der Underdog, wenn man sagt: ,Ich komme aus Bamberg.’“ Für den 16. Platz bei 55 Teilnehmern hat es trotzdem gereicht.

Sven Goller, der derzeit beste deutsche Barkeeper, sieht mit seiner dicken schwarzen Brille und dem rötlichen Rauschebart ein bisschen aus wie der Kommilitone, mit dem man ein ganz passables Soziologiereferat zusammenzimmern kann. Er hat tatsächlich einen Master in Politikwissenschaft. Auch seine Bar „Das Schwarze Schaf“ erinnert ein bisschen an WG. Goller mixt an einem kleinen Küchentisch am Ende des Raums, eine Theke gibt es nicht. Keine Barrieren, lautet seine Philosophie, und rosa. Goller macht viel rosafarbene Drinks, weil er gern mit Granatapfel, Himbeere und Erdbeere arbeitet. Und weil es in einer Stadt wie Bamberg hilft, wenn man das Getränk farblich schön aufbereitet. „Dann schaut der ganze Laden und bestellt ihn vielleicht auch“, sagt Goller. Er sei zu bescheiden, hört er oft, insbesondere nach dem Titelgewinn „Bester Bartender“. Ihm sei ein gewisses Understatement aber ganz recht. Beim Vorentscheid für Mexiko überzeugte er mit einer typischen Bamberger Zutat: Rauchbier. Das mischte er mit einem Honig zu Sirup, dazu schottischen Whisky und Apfelsaft aus der Gegend. Ein fränkisches Craftbier, gebraut von seiner Cousine, nahm er auch mit nach Mexiko, das hat er mit Bourbon und Erdbeeressig kombiniert. Rosa!

Der Alchimist

Ständig mit Geschmack experimentieren, Dinge zusammenmischen, die keiner vorher gemixt hat – einer, der das auf die Spitze treibt, ist Volker Seibert (43). „Liquid Kitchen“ ist der Beiname, den er seinem „Seiberts“ in Köln verpasst hat. Und so sieht es da auch aus: ein computergesteuerter Gärautomat neben einer Eismaschine für ein paar Tausend Euro. Seibert packt Amalfi-Zitronen mit Gin in den Vakuumierer, der dank Unterdruck die Zellmembranen der Früchte aufreißt und ihnen sämtliches Aroma abringt. Er filtert Rote-Bete-Geist zur glasklaren Basis für erdige Gemüse-Negronis, die er mit einem Stück jungem Parmesan serviert, im Mai mixt er Spargel-Gin-Tonic, im Winter Walnuss-Old-Fashioned. Ein enormer Aufwand, „den die Gäste aber nicht spüren sollen“. Seibert will keine typische Nerd-Bar haben. Seine Gäste sind eher älter, seine Türsteher, darauf legt er Wert, verteilen die Sitzplätze nicht nach Stylingkriterien, sondern nach Kapazität. „Manchmal müssen wir am Wochenende abends 150 Leute wegschicken“. Hinter den schweren Vorhängen bleibt der Lautstärkepegel selbst bei Vollbesetzung erträglich. Einer von Seiberts Aufpassern arbeitet sonst in einer Bibliothek, es geht kultiviert zu.

Für seine Spezial-Negronis kauft er in aller Welt die alten Bestände auf, stöbert Nachschub mal in Afrika, mal in Brasilien auf. Bis zu 100 Flaschen verbraucht er pro Jahr, eine Wertanlage, die sich beständig verflüssigt. Eine Flasche Campari aus den 70ern kostet bis zu 400 Euro, eine Abfüllung von 1950 ist bis zu 1000 Euro wert.Statt auf Firlefanz – es vergeht kaum ein Tag, an dem ihm nicht ein Spirituosenhersteller eine neue Sorte Gin andient – setzt er auf unverrottbare Coolness. Bei ihm lagern große Bestände von Campari, abgefüllt in den 70er Jahren. Der schmecke „viel weicher und intensiver“ als die heutige Rezeptur.

Die Sinnenschmeckerin

Von Gin hält auch Anne Linden (24), Bartenderin in der „Bar am Steinplatz“ in Berlin, wenig bis nichts. Einhorntränen (kleine Silberflocken), Blütenaromen, Kokosflocken – sie fand, dass die exzentrischen Zutaten mit der „Idee eines Gins“ irgendwann nichts mehr zu tun hatten. Die Bar strich den Gin von der Karte und nahm dafür den „Besten westfälischen Doppelwacholder“ von Eversbusch ins Programm, einen Brand, der so intensiv riecht, dass einem wieder einfällt, wie Gin früher einmal schmeckte. Damit habe sie alle ginbasierten Drinks „neu interpretiert“.

Linden steht erst seit einem Jahr hinter der Bar und schaffte es bereits in den deutschen Endausscheid des World-Class-Wettbewerbs. Zuvor arbeitete die Studentin der Museumswissenschaften in der Berliner „Fragrances“-Bar, wo die Gäste ihre Drinks über das Durchschnuppern von Parfümflaschen auswählen. In der „Bar am Steinplatz“ sind die Aromen so wichtig, dass sie auf der Karte den Namen der Drinks verdrängt haben. „Sauer, komplex und ausgewogen“, steht da zum Beispiel unter einer reduzierten, fast abstrakten Illustration des Getränks, daneben, durch Striche getrennt, eine Auflistung der Zutaten. Die vielleicht ungewöhnlichste Kombi der Karte: Rote Bete und Ananas. Klingt gewöhnungsbedürftig, reißt aber auch Hemmschwellen ein: Viele Gäste würden zögern, einen Cocktail zu bestellen, „von dem sie nicht genau wissen, wie man ihn ausspricht“, sagt Linden. Sie liebt kleine Spielereien. Einen Martini serviert sie als Baukasten, bei dem der Gast selbst entscheiden kann, ob er ihn lieber mit Olive, Zitrone oder Zitronenöl trinkt. Der Manhattan kommt als Miniverkostungstrio, bei dem jeweils eine Variante mit 12-, 15- und 18-jährigem Scotch gemixt wurde. Der Gin-Hype mag Seibert wie Linden kaltlassen – anderswo tobt er unverändert. Fast wöchentlich wird eine neue, angeblich regional verwurzelte, geheimrezeptlerische Marke gelauncht. Mal mit Birnengeschmack, mal mit deutlicher Eukalyptusnote, mal (eine hessische Variante) mit „Grie Soß“-Kräutern. Agentur-Gin sei das, ätzen Kenner, für gelackte Posertypen.

Monkey 47, einer der ersten dieser Lifestyle-Gins mit Quellwasser, Tannenspitzen, Schlehen und Brombeerblättern aus dem Schwarzwald, wurde vergangenes Jahr an den Getränkeriesen Pernod Ricard verkauft, für sagenhafte 300 bis 400 Millionen Euro, wird in der Branche kolportiert. Rivale Diageo hat für den George-Clooney-Tequila Casamigos eine Milliarde Dollar hingelegt. Für eine Bude mit geschätzt gerade mal 70 Millionen Dollar Umsatz.

Die Puristen

„Der Markt ist heiß“, sagt Thorsten Frerichs (33), und er will da mitmischen. Frerichs ist der Kopf hinter dem „Clockers“ in Hamburg, der Name stammt von den Kleinkriminellen in den USA, die rund um die Uhr die Straßen mit Stoff versorgen. Einen eigenen Clockers Gin und Clockers Herb (Kräuterlikör) hat Frerichs schon aufgelegt. Doch das ist erst der Anfang. In der alten Oetker-Marzipanfabrik in Bahrenfeld will er eine neue Bar bauen, „ein bisschen schicker“ als die alte und vor allem mit eigener, gläserner Destille, in der sogar Whisky gebrannt werden soll. Das Publikum sei da, sagt Frerich. Großen Marken vertraue ja keiner mehr. Weitreichende Pläne. Noch erinnert das „Clockers“ eher an eine Studentenkneipe. Die Bar ist duster, die Theke ist aus breiten Holzbrettern gezimmert, die Wand mit in Scheiben geschnittenen Stämmen verkleidet, unter der Decke baumeln Äste, mit Lichterketten behängt. Ein Ambiente zwischen kanadischer Blockhütte und Partykeller, das ankommt. Am Wochenende ist der Laden so voll, dass man sich kaum bewegen kann. Das leicht windschief Selbstgebaute hat Konzept: Die Gäste sollen sich entspannen – und nicht posen.

Thorsten Frerichs, ordentlich gescheiteltes dunkles Haar, gepflegter Bart, Collegebrille, BWLer, der sich nach dem Studium schnell mit einer Beratung für Finanzierung, Bürgschaften, Kreditverträge selbstständig gemacht hat. Am „Clockers“ war er anfangs nur beteiligt. Nach ein paar Pop-up-Projekten in der Stadt hat er 2014 die Bar in St. Pauli aufgemacht, im alten Tonstudio der Beginner, Jan Delays wiederbelebte Band. Das Klavier hat er zur Bar umgebaut, das alte Team gefeuert und Leonard Orosz (41) als Barchef geholt. ”Nicht so ein Dulli“, dachte Frerichs, als er „den Leo“ kennenlernte, der muss sich nicht feiern lassen wie ein Rockstar. Dafür ist Orosz, Familienvater, tatsächlich nicht der Typ. Er wirkt bedächtig, nett, bescheiden, das Reden überlässt er Frerichs. Als Erstes hat er mal die geschliffenen Gläser abgeschafft, die ständig geklaut wurden und für 1500 Euro im Monat nachgekauft werden mussten. Genauso wie die CO2-Kühlung, die für einen effektvollen Nebel über dem Drink sorgte. Sah alles toll aus, mache aber nix besser und koste nur. Bodenständiger geht’s nicht.

Und Orosz ist der Mann für den Geschmack: Seine Drinks heißen Lions Roast (Rye Whisky und Kräuterlikör) oder What the Fuck is Orgeat (ein Mandellikör). Alle makellos. Zu allem, was er sich ausdenkt, kann er demnächst die passenden Sorten gleich mitdestillieren. Er stammt aus Braunschweig, ist gelernter Fremdsprachenkorrespondent, hat immer in der Gastronomie gejobbt, dann an der Barschule Rostock seinen Master of Bartending gemacht, mal einen eigenen Laden betrieben, zuletzt die Bars im Luxusresort am Weissenhäuser Strand gemanagt.

Frerichs und Orosz haben sich ein paar Speakeasys angeguckt, das „Candelaria“ und das „Le Mary Celeste“ in Paris sowie das „PDT“ in New York, versteckt hinter Kühlhäusern und Pizzerien, alles „irre“. Im „Clockers“ haben sie ein Mini-Speakeasy eingerichtet: Eine wackelige Treppe führt ins obere Stockwerk, ein gemütlicher Raum mit tiefen Ledersofas und dekorativen Buchschwarten an den Wänden, eine Andeutung von britischem Herrenklub. Mit ihrer eigenen Destille könnten die „Clockers“-Jungs gleich auch auf den nächsten Trend aufspringen: das neue Zeitgeistgesöff Schnaps. In Berlin trinken sie schon überall Fräulein Brösels Marille, Kullmann’s Streuobstwiese, klingt fast schon gesund, und Gurke im Kornbett aus dem Spreewald. Die Selbstbrennerei ist nicht ganz ungefährlich. Die Getränkekonzerne sehen das nicht gern, und viele Bars sind nach wie vor auf die Werbekostenzuschüsse der Multis angewiesen.

Wenn einer wie Jörg Meyer (46), mit seiner Bar „Le Lion“ in Hamburg der Pionier der deutschen Barszene, kurzerhand alle Flaschen von Diageo entfernt, halten alle den Atem an. „Brands need Bartenders, but Bartenders do not need brands“, tönt Meyer selbstbewusst. Dank seines Renommees kann er sich das erlauben.

Der Flüssigkoch

Lukas Motejzik (29) arbeitet nach Abbruch von Ausbildung und Studium seit gut acht Jahren hinter dem Tresen. „Bartender sind inzwischen auch Influencer“, sagt der dreifache Bareigner („Zephyr“, „Herzog“ und „Lausa“ in München und Rosenheim). Wer dort einen besonderen Gin trinke, kaufe sich den auch für daheim. Derselbe Effekt wie bei den Sneakern von Topsportlern. Mit den Barmoden sei es wie mit dem Kochen, sagt Motejzik, „dort gibt es ja auch verschiedene Stile“. Von der Molekular- bis zur Regionalküche. Die Trinkkultur sei am gleichen Punkt wie die Ernährung vor ein paar Jahren, als in jedem Supermarkt frischer Ingwer, Minze und Chilis auftauchten. Von den Köchen hat sich Motejzik abgeguckt, wie man die Läden dekoriert und vermarktet. Er serviert in seinen Bars einen Münchener Gin, der die Farbe wechselt, wenn man ihn mit Tonic aufgießt – eine chemische Reaktion auf die darin enthaltene Säure. Und den „Zephyr“-Eistee, so eine Art Hausgetränk, bekommen die Gäste nicht in schnöden Gläsern, sondern in einer Milchflasche, die mit Nelken, Zimtblüten oder Tees ausgeräuchert wurde.

Die drei Bars, an denen Motejzik beteiligt ist, sind alle unterschiedlich. Das „Zephyr“ ist eine kleine Nachbarschaftsbar im Glockenbachviertel, „eher eine Cocktailkneipe“. Zum edleren „Herzog“ gehört sogar ein Fine-Dining-Restaurant. Die jüngste Zweigstelle, das „Lausa“ in Rosenheim, ist die etwas simplere, zugänglichere Variante des „Herzog“. „Gemütlicher“, sagt Motejzik. Dort gibt es keine großstädtisch-kapriziösen Drinks mit Essig und Curry, sondern Himbeere und Minze. „Easy Drinking“, sagt der Bartender.

Bei aller Connaisseurhaftigkeit und allem Up-to-date-Zwang – in Arbeit ausarten soll das Ausgehen ja nun auch wieder nicht.

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