Foto: Anja Poeschke

Die Geschichte von dem Mädchen was auszog um Stärke zu lernen

Eins vorab: Ich mag keine Märchenprinzen, weil Männer als
unperfekte Nichtprinzen auch sehr lieb sein können (habe ich von meinem Vater abgeschaut). Daher heisst meine Geschichte auch Geschichte und nicht Märchen. Und die Frau hat zwar irgendwie eine Märchenwelt, aber dieses ist eben keines
geblieben. Es ist wahr geworden. Und das hier richtet sich an Frauen, die nach Stärke suchen oder sie gefunden haben.

 

Es war einmal ein Mädchen, das stets allein spielte. Seine
Eltern waren mit dem grossen Haus, mit einem zweiten grossen Haus und mit dem dritten grossen Haus, in dem Sie dann endlich länger wohnen geblieben sind, stark beschäftigt. Das letzte Haus hatte einen Garten, der war der grösste
jeher und in diesem war das Mädchen zu Hause. Das Mädchen hatte in ihrer Geburtsstadt eine schöne Zeit im Kindergarten, jedoch die Zeit ab der zweiten Klasse in der neuen Umgebung und der neuen Schule mit all den neuen Schülern mochte es lieber mit dem neuen grossen Garten tauschen und darin den ganzen Tag spielen, statt zur Schule zu gehen. Auch wenn es die meiste Zeit allein spielen musste. Auch wenn ihr behinderter Bruder mehr Aufmerksamkeit brauchte als es selbst. Auch wenn manchmal Freunde es abholten, um den ganzen Sommer im See baden zu gehen oder am
Freien bis in die lauen Sommernächte zu spielen… Viele Kinder mochten sie. Zu Hause war das 8 jährige Mädchen in seinem gewohnten Umfeld am zufriedensten und am sichersten.

Es spürte immer, es ist nicht stark genug für die Aussenwelt, es konnte sich nicht recht durchsetzen. Auch besonders dann nicht, wenn die Mitschüler es ärgerten. Das Lernen allerdings machte ihr Spass. Ihre Ziele hatte sie nicht konsequent im Auge, aber sie wusste, was sie gern tat.

Das Mädchen fing an, in seinem Zimmer zu malen, schrieb Geschichten. Später war Kunst Ihr Lieblingsfach in der Schule, in dem es auch eine der besten Schülerinnen war. Freunde und Ihre Eltern teilten stets Ihr Talent zur Kreativität. Jeder lobt das Mädchen stets für ihre Arbeiten.

Doch es ging den Weg, den Ihr die Aussenwelt riet: einen krisensicheren Beruf zu erlernen, zu studieren. Die erste Berufsausbildung
brach sie ab, das Studium nach 3 Jahren auch, der Druck von aussen war zu hoch. Auslandsaufenthalt war auch noch nicht das Richtige.
Sie wollte allein für sich arbeiten, brauchte Niemanden, der ihr sagte, was sie
machen muss, denn sie tat irgendwie alles mit Mühe, nicht aus Selbstüberzeugung.
Und dann war da immer die Angst, etwas falsch zu machen und dafür belangt zu werden und keiner hätte sie mehr lieb. Das wollte das Mädchen ja nie erreichen!

Das Haus, in dem das Mädchen 18 Jahre bis ins Studium hinein lebte, wurde an
die alten Besitzer nach dem Mauerfall verkauft. Sie bezog
mit Mitte 20 eine erste eigene Wohnung und fühlte sich dort auch wohl. Nach
einer erfolgreich abgeschlossenen Ausbildung als Marketingfachfrau, in der die
nun junge Frau immer noch kreativ sein dürfte, ging es ihr besser. Sie
entdeckte so langsam, wenn sie raus geht und Menschen kennen lernt, wenn sie viele Jobs ausführt, so kann sie sich dann ihren Weg bahnen und kreativ
bleiben. War sie Kellnerin, wusste sie, es ist schön, all die Gäste kennen zu
lernen, Berühmtheiten zu begegnen und die vielen Weine zu kennen. Die junge
Frau entdeckte zunehmend eine Leidenschaft zur Fotografie. Das Mädchen in ihr wusste aber auch, es bastelt seit jeher gern, weil es als kleines Mädchen stets bei ihrem Vater in der Werkstatt spielen dürfte und mit Bauteilen etwas kreieren dürfte. Die junge Frau wusste aber auch, sie will irgendwie das aufgegebene Studium neu aufnehmen. Sie getraute sich jedoch nicht, denn sie musste mit ihrem aktuellen Beruf, den sie ausübte, jeden Tag Geld verdienen, zum Leben. Sie fing an, nebenher für ihre neue Wohnung Möbel zu retaurieren. Altes Holz und Schleifpapier machten sie glücklich. Holzleim erinnerte sie an das Werkstatt Ambiente ihres Vaters.
Die Liebe zu Antiquitäten hatte sie in all ihren Wohnungen umgesetzt und alte Kostbarkeiten auf Flohmärkten ziehen sie in den Bann.

Die junge Frau war 30 und gründete dann eine Familie. Sie war zwar nie ganz
fertig, hat nie richtige Zufriedenheit gefunden in ihren bisherigen beruflichen Tätigkeiten, wusste nicht recht, welchen Weg sie einschlagen sollte.

Etwas brannte immer mit.

Sie bemerkte besonders mit eigenen Kindern, wie wertvoll
es wurde, sich seine Träume zu erfüllen und auf sein Herz zu hören. Und sie
merkte auch, dass etwas durch den Verlust des alten Hauses etwas Verlust
gegangen ist, das Heimatgefühl, die Geborgenheit. In ihrer Freizeit
beschäftigte sie sich immer wieder mit kreativen Arbeiten, wofür sie Menschen
immer auch wieder lobten. Die Frau erinnerte sich an ihre Cousine, die ihr
einst sagte: „Als wir Kinder waren, hast du mir das gute Zeichnen, beigebracht.
Durch das verdiene ich heute mein Geld – ich bin dir dankbar dafür.“ 

Mit der Familie hat sich die Frau eines Tages entschieden, in die Schweiz zu ziehen. Von Ihrem Heimatort in Deutschland waren
das 800 Kilometer, die sie von ihrem gewohnten Umfeld trennten. In der Schweiz zog die junge Familie noch ihr zweites Kind, ein Mädchen gross. Nach 7 Jahren fand die junge Frau einen Beruf, der sie erfüllte. Sie war zwar gelernte
Marketingfachfrau, konnte jahrelange Erfahrungen in der Gastronomie nachweisen, hatte 3 Jahre Einblick ins Betriebswirtschaftsstudium, konnte sehr gut fotografieren.

So richtig konnte sie der freie Arbeitsmarkt jedoch nie einordnen, wie andere Mitarbeiter mit einem konkreten Ziel, einem passenden
Abschluss. Sie sollte jedoch nun ihre Chance bekommen. Trotz der fehlenden fachlichen Qualifikation, dürfte sie nun Menschen mit Behinderung an ihrem Arbeitsplatz begleiten. In dieser Arbeit ging sie recht auf.

Die zweifache Mutter blühte im Kreise dieser hilfebedürftigen Menschen auf wie eine Rose. Jetzt konnte die Frau neben ihren eigenen Kindern, anderen Menschen, die auch Hilfe benötigten, helfen und sie bekam direkten Dank zurück. Die Frau gibt Kraft, hat aber ihre eigene noch nicht ganz zurück.

Babies schliefen immer in in ihren Armen ein, Menschen
suchten stets ihre Nähe. Sie suchte eher den Kontakt
zu gefühlsreichen Menschen, beruflich sowie privat. Neidische , geizige und
gefühlsarme Menschen taten ihr nicht gut. Die mied sie und wählte bei jedem
Signal, was sie empfing, lieber das Alleinsein, als das Unwohlsein gegenüber
solchen Menschen, die Ihr nicht gut taten.
Kinder schauen Ihr tief in die Augen, wenn sie durch die Stadt geht, sie lächeln sie stets an.  Ihre innere Barmherzigkeit, Ihr stark
ausgeprägtes Mitgefühl wurden der Frau nun immer bewusster. Passt dazu nicht noch die ersehnte Stärke? Wollte sie denn immer so verletzbar und sensibel bleiben?

In ihrer restlich verbleibenden Zeit, in der sie nicht auf
die Kinder schauen musste, arbeitete sie am Computer, beschäftigte sich mit
Software und die weiterführende Fotografie brachte sie sich autodidaktisch bei.
Die Langweile, die sie all die Jahre kompensieren musste, als sie in der Schweiz
keine Anstellung gefunden hat, auch die teilweise Einsamkeit, als Ihr Mann
arbeiten war, die Kinder schliefen oder später im Kindergarten waren, musste
sie irgendwann nutzen, um etwas auf die Beine zu stellen. Sie litt auch, war
auch traurig, wollte ausbrechen, doch wohin? Sie wollte so viel, war sprunghaft
und konnte ihre sprudelnde Kreativität nicht recht unter die Leute bringen. Aber sie hat bis zu ihrer neuen Tätigkeit genau das getan, was Kreativität ausmacht. Sie hat sie gespürt und ausgebaut bis in so manch tiefe Nacht.

Brachte sie das Foto des Tages heim, wollte sie Fotografien
sein, brachte sie einen guten Text raus, wollte sie ein Journalismus Studium
beginnen..

Andere sagten stets zu ihr: Mache Dir das Herz nicht so
schwer. Sie versuchte, den Rat zu befolgen, jedoch gelang ihr das nur auf einem
Umweg. Sie hat sich dazu erst einmal ihren neuen Märchenwald erschaffen in der neuen Heimat.
Alle Burgen in der Nähe waren Ihr neues Ziel. Sie brauchte kein Geld dazu. Auf
jedem Ausflug hatte Sie Ihre kleine Kamerausrüstung und etwas Wasser und einen Apfel dabei. Ihr Vater riet ihr stets, nur ein paar Münzen für den Fall bei
sich zu tragen, Manchmal fuhr sie sogar mit leerem Magen den ganzen Tag herum, schwitzte in dem alten Pullover, weil sie eben kein neustes Kleid trug und verfluchte manchmal auch das Auto, was sie brauchte, um weit fahren zu können, aber es nun mal nicht mit Wasser fuhr.

Zurückgekehrt fühlte sich die Frau jedoch zunehmend stärker
und verbunden mit all dem. Sie empfand Zuneigung zu Burgen, zu Museen, zu
Räumen und Gegenständen aus alten Zeiten. Städte nahmen sie in ihren Bann, sie bekam oft Gänsehaut. Sie entwickelte zum Mittelalter eine ausgeprägte
Leidenschaft. Das Schreiben gab sie nicht auf, das unterstützte ihre vielen
Gedanken, die in ihr kreisten und sie konnte all ihre kreativen Ideen in ihren
schönen Notizbüchern festhalten. Das Schönste war, ihre Fotografien in einer
ruhigen Minuten anzuschauen und zu verarbeiten. Bald brachte sie die Bilder
auch an die Öffentlichkeit. Ein Ausflug in einer mittelalterlichen Stadt
entfachte in ihr eine bisher ungeahnte Leidenschaft, das Bogenschiessen. Sie
erfüllte sich zu ihrem 40. Geburtstag einen Lehrgang und begann von der ersten Minuten an, Bogen und Pfeil und später auch das Schwert zu lieben. Sie fing an, zu trainieren. Frauen mit
starken Muskeln beeindruckten sie. Sie brauchte lang für diesen Weg, aber das langwierige und mitunter durch sie fabrizierte umständliche Arbeiten kannte sie ja. Sie hat es nicht besser gewusst. Bald folgte der Schwertkampf als neue Herausforderung, sich ihrer Angst zu stellen und Stärke darzustellen.

Nun ist die Frau so viele Umwege gelaufen, war viel von Angst und verpassten Chancen begleitet, fand jedoch am Ende ihre innere ersehnte Stärke.  Und trotz langer Atempausen, weil sie immer noch wie in ihrer Kindheit schneller von der Aussenwelt überfordert ist, will sie den Rest ihres Lebens nicht mehr ohne diese Stärke gehen.

Anzeige