Foto: Esther Sedlaczek

Esther Sedlaczek: „Ich habe immer einen Trumpf in der Hand“

Esther Sedlaczek moderiert auf „Sky“ die Fußball-Bundesliga und ist damit eine der wenigen Frauen im Fußballfernsehen.

 

„Fußball ist eine der emotional=sten Formen von Unterhaltung“

Für die meisten Frauen spielt Fußball keine sonderlich große Rolle, es sei denn, es ist zufällig WM. Oder der Papa hat sie früh mit dem Fan-Dasein konfrontiert und schon in der Grundschule zu Dauerkartenbesitzerinnen gemacht.

Noch seltener arbeiten Frauen allerdings in der Branche. Ob als Kommentator, Moderatoren im Studio oder als Interviewer am Spielfeldrand – beim Fußball sind Männer das dominierende Geschlecht. Esther Sedlaczek ist also bisher noch eine Ausnahmeerscheinung – seit 2011 ist sie regelmäßig als Moderatorin beim TV-Sender „Sky“ zu sehen.

Alles begann mit einem Casting 2011. Damals setzte sie sich gegen 2.700 Bewerber durch. Ihren Interviewpartnern am Spielfeldrand und im Studio begegnet die 29-Jährige mit einer Mischung aus Empathie, Humor und kritischer Distanz. Geboren und aufgewachsen ist sie in Berlin, nach dem Abitur hatte sie Modedesign und Medienkommunikation studiert. Seit vier Jahren nun pendelt Esther zwischen München und der Hauptstadt. Neben der Konferenzsendung und dem Montagabendspiel der 2. Bundesliga ist sie auch als Reporterin bei Spielen der Bundesliga, der Champions- und Europa League im Einsatz. Was viele im Fernsehen vielleicht auf Anhieb nicht sehen: Esther ist über 1,80 Meter groß. Da kann es schon mal vorkommen, dass sie die Highheels weglässt, um mit Franz Beckenbauer auch größentechnisch auf Augenhöhe zu sein.

Im Interview mit EDITION F spricht sie über Lieblings-Interviewpartner, den Zauber von Fußball – und was einen perfekten Tag ohne Fußball ausmacht.

Du hast eigentlich Modejournalismus studiert – Mode und Fußball könnten nicht gegensätzlicher sein. Wie kam es dazu, dass du dich für das Casting bei „Sky“ beworben hast?

„Ich habe mich immer schon für Fußball interessiert. Nur habe ich den Weg in eine berufliche Zukunft mit dem Thema Fußball nicht konsequent eingeschlagen, weil ich die Dinge auf mich zukommen lassen wollte. Und dieser Plan ist letztlich auch aufgegangen. Vielleicht war es Glück, vielleicht auch Schicksal, das mich auf diesen Weg geführt hat. Ich bin jedenfalls dort, wo ich sein möchte – und darf jeden Tag meinen Traum leben.“

Wie waren die Reaktionen deiner Kollegen, nachdem du nicht den „offiziellen Weg“ einer mehrjährigen Ausbildung gegangen bist?

„Neid und Missgunst gehören in unserer Gesellschaft leider dazu. Ich bin ein Mensch, der versucht, diese Dinge auszublenden, deswegen spreche ich viel lieber über all die Kollegen, die mich unterstützt haben, die einen großen Anteil daran haben, dass ich da stehe, wo ich jetzt stehe, die mir den Weg mit geebnet haben. Mein Leitsatz lautet: Konzentriere dich auf dich selbst, geh deinen Weg und schaue nicht auf andere. Vergleiche bringen einen nicht weiter. Jeder hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Die gilt es zu erkennen und das Beste daraus zu machen.“

Wie ist es, in einer männerdominierten Branche zu arbeiten?

„Ich kann nur von meinen eigenen Erfahrungen sprechen. Ich fühle mich wohl in dieser Männerdomäne und stehe hinter dem, was ich tue. Weil ich weiß, wie gewissenhaft, gern und ehrgeizig ich meiner Arbeit nachgehe. Das merken die Leute. Wie in jedem Beruf musst du dich natürlich erst behaupten. Das bleibt nicht aus. Nur nett aussehen und lächeln reicht auf Dauer nicht aus. Aber das war auch nie mein Ansatz, deswegen hatte ich keine großen Probleme. Und auch hier gilt: Blende die negativen Dinge aus. Leute reden gern, am liebsten über andere. Ich präsentiere mich wöchentlich auf einer Bühne und biete damit natürlich auch eine Plattform für Kritik. Solange sie konstruktiv ist, nehme ich sie gern an. Ist sie es nicht, beschäftige ich mich auch nicht damit. Mit all dem muss man lernen umzugehen. Wenn das gelingt, überlebt man in jeder Domäne.“

Deine Interviews mit Spielern und Trainern finden zumeist live und direkt nach einem Spiel statt – wie bereitest du dich da am besten vor? Schließlich weißt du nie, wie das Spiel sein wird, wie es ausgeht und welche Emotionen entstehen.

„Das ist ja das Schöne an diesem Job: Du weißt nie, was dich erwartet, musst spontan sein, dich auf Situationen einlassen können. Das macht es spannend, abwechslungsreich und sehr emotional.“

Hast du Lieblingsinterviewpartner?

„Einen ganz bestimmten Interviewpartner hervorzuheben ist schwer. Grundsätzlich halte ich Authentizität für sehr wichtig. Die Kunst des Artikulierens ist das eine, Echtheit das andere. Ein Interviewgast, der seinen Emotionen freien Lauf lässt und deutliche Worte findet, ist mir tausend Mal lieber als einer, der seinen üblichen Text herunterrattert.“

Was macht Fußball für dich so besonders?

„Fußball ist eine der emotionalsten Formen der Unterhaltung. Das macht den Sport zu etwas Besonderem. Du gehst um halb vier ins Stadion und weißt nicht, mit welcher Laune du es wieder verlassen wirst. Du kannst in 90 Minuten die komplette Gefühlspalette durchleben. Das ist pure Leidenschaft. Es verbindet die Menschen und kann aus Fremden in kürzester Zeit Vertraute machen. Fußball bedeutet Spaß und Frust in Reinform.“

Ist es in einer Beziehung von Vorteil, wenn man als Frau mit seinem Partner Fußball schauen kann?

„Wenn es nicht so wäre, wäre das für mich kein Ausschlusskriterium. Aber wie in vielen anderen Dingen heißt es auch hier: Umso mehr Gemeinsamkeiten, desto besser. Klar würde ich gerne mit meinem Partner Fußball schauen und mich darüber unterhalten, ohne dass er mir damit einen Gefallen tut. Aber ein Problem ergäbe sich nicht, wenn er doch lieber anderen Dingen nachgehen würde als Fußball.“

Und wenn man mehr Ahnung als der Partner hat?

„Habe ich immer einen Trumpf in der Hand.“

Wie sieht bei dir ein klassisches Wochenende während der Bundesligasaison aus?

„Ein typisches Bundesliga-Wochenende wird beherrscht vom Fliegen, von Hotelzimmern und Stadionluft. Meist habe ich zwei Einsätze am Wochenende. Je nachdem wo, bin ich das ganze Wochenende unterwegs. Um 12 Uhr, das heißt dreieinhalb Stunden vor Anpfiff, trifft sich unser Team bereits. Dann gibt es eine abschließende Besprechung, die Probe, Maskenzeit und dann gehen wir auch schon auf Sendung. Wir führen vor dem Spiel unsere Interviews mit den Trainern und gegebenenfalls mit anderen Funktionären, dann wird die erste Halbzeit angepfiffen und in der Halbzeitpause geht es weiter mit dem nächsten Interviewgast. Nach dem Spiel werden die üblichen Interviews mit Spielern und Trainern geführt. Zwischen 18 und 19 Uhr ist dann Feierabend. Und dann geht es entweder direkt nach Hause oder ab ins Hotel.“

Und was machst du am liebsten, wenn der Ball mal nicht rollt?

„Der perfekte Tag beginnt für mich mit Joggen, einem ausgiebigen Frühstück und Zeitung lesen. Am liebsten treffe ich mich dann mit meinen Freundinnen oder der Familie und , wonach auch immer mir ist. Hauptsache, es herrscht kein Stress und ich habe meine Liebsten um mich. Zeit für sich haben ist das höchste Gut und ein wahrer Luxus. Ich bin wirklich glücklich, dass ich ihn mir oft genug leisten kann.“

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