2014 trauten sich Gründer und Unternehmer das erste Mal bei Vox in die Höhle der Löwen. Ein Gespräch zur ersten Staffen mit dem Jurymitglied Frank Thelen.
Frank, du investierst bereits seit 20 Jahren in Startups, hattest Erfolge, musstest aber auch schon Geschäftsideen aufgeben. Kannst du dich selbst an deinen ersten Pitch erinnern? An deinen ersten Geldgeber?
„Klar. Ich habe als Auftragsentwickler gestartet und versucht meine Tage an Kunden zu verkaufen. Ich wollte einem größeren Logistik-Anbieter eine neue Verwaltungssoftware verkaufen. Ein Freund hatte mir einen Termin beim Chef besorgt und ich habe mir für 100 Mark einen Beamer geliehen. Nach dem ich alles aufgebaut hatte und mich vorstellen wollte, meinte der Chef: „Können Sie jetzt bitte Herrn Thelen holen, ich habe wenig Zeit.“ Ich war halt erst 18 Jahre alt, aber diese Ansage hat mich so geschockt, das ich die Präsentation vergeigt habe und keinen Auftrag bekommen habe. Mein erster Geldgeber war dann ein Bekannter meines Mitgründers. Er hat uns 100.000 Mark geliehen, damit wir die Agentur schneller aufbauen konnten. Er hat nach einem Jahr 150.000 Mark zurück bekommen, als wir 1,4 Millionen Mark von einem Investor für unser erstes Produkt bekommen haben. Das war großartig, wir konnten endlich unser eigenes Produkt entwickeln und waren keine „Code-Affen” mehr die Ideen anderer umsetzen mussten.“
Die Höhle des Löwen ist natürlich eine Fernsehshow. Wie kam es zu der Auswahl der Pitch-Teams und wie kam Vox auf dich? Kannst du uns dazu kurz etwas sagen?
„Das Format gehört Sony Pictures die es nach den USA (Shark Tank), UK (Dragons Den) und vielen weiteren Ländern endlich nach Deutschland gebracht haben. In allen Ländern wählt Sony die Startups aus und die jeweilige Jury ist nicht wirklich involviert. Wenn die Tür aufgeht, sehen wir die Gründer zum ersten Mal. Wir können uns zum Beispiel auch nicht auf den Markt vorbereiten, in dem das Startup agiert und haben auch keinen Internetzugang, bis wir zu oder abgesagt haben. Da ist Sony sehr streng. Wie ich in die Sendung gekommen bin, ist wie so oft im Leben, einfach großer Zufall. Der Nachbar von Oliver Thylmann (früher AdCloud, jetzt Giant Swarm) arbeitet bei Sony und hat ihn gefragt, ob er passende Personen kennt. Oliver hat mich dann – ich glaube mehr im Spaß – gefragt, ob ich ins TV wolle. Ich war auch erst skeptisch, habe mich dann aber intensiv mit Shark Tank befasst und war begeistert. Danach musste ich mich in mehreren Auswahlrunden bei Sony gegen andere potentielle Löwen durchsetzen.“
Anders als in deinem üblichen Investoren-Dasein gibt es bei Vox recht viele internetferne Geschäftsideen. Macht es das spannender für dich?
„Ja und Nein. Ich sehe viele neue Ideen und bin überrascht, was es neben Internet und Med-Tech noch alles gibt. Auf der anderen Seite sind Internet-Geschäfte mein Fokus als Investor und ich würde mir mehr typische Startups in der Show wünschen. Die ein oder andere App und SaaS-Startups kommen aber noch.“
Was macht für dich einen perfekten Pitch aus?
„Beim Pitch ist für mich nur wichtig, dass ich verstehe, was genau das Team bauen will und wie sie es verkaufen wollen. Danach fängt für mich der eigentlich Prozess an, in dem ich mein Urteil über das Gründer-Team und den möglichen Erfolg des Produktes fällen muss. Das ist in der kurzen Zeit der Show sehr schwer. In der e42 nehmen wir uns viel Zeit und wollen zum Beispiel auch die Gründer persönlich kennen lernen.“
Was führt dann dazu, dass du tatsächlich investierst?
„Ich muss den Eindruck haben, dass die Gründer für ihr Startup durch die Hölle gehen und das Produkt muss schnell international wachsen können.“
Ein Streitthema in der Show ist immer wieder die Unternehmensbewertung. Du weißt selbst recht genau, dass es immer um den Blick in die Glaskugel geht in einer frühen Unternehmensphase. Wie erreicht man eine Bewertung, die für beide Seiten gerecht ist?
„Ein sehr schwieriges Thema und ich bin mit einigen Deals, die wir abgeschlossen haben auch nicht 100 Prozent zufrieden. Aber bei schwachen Gründern in einer sehr frühen Produktphase und dem Willen als Löwe Deals für die Show abzuschließen, passiert so etwas. Mein Ideal-Szenario sind starke Gründer in einer frühen Produktphase, mit denen ich effektiv das Produkt und Team entwickeln kann. Hier investiere ich gerne 100.000 bis 250.000 Euro für 15 bis 25 Prozent. Aber jeder Deal ist anders und die Höhle der Löwen wird eine TV-Show bleiben.“
Teilweise sind die Deals die ihr anbietet, so hart an der Grenze, das in der Internetstartupszene nur der Kopf geschüttelt wird. Kann ein Gründer motiviert bleiben, wenn er für 50.000 Euro 20 Prozent abgeben muss?
„Exakt das ist der Unterschied: In der Internetstartupszene suchen normalerweise starke Gründer mit einem guten Produkt Kapital. In der Höhle Löwen, sehen wir zum Beispiel Mutter und Tochter, die eine kleine nette Idee haben. Ich will stärkere Gründer und Produkte mit besseren Deals in der Show haben. Hieran arbeiten wir hart und ich bin zuversichtlich, dass wir uns schnell steigern können.“
Die meisten Gründer suchen Geldgeber nicht im Fernsehen. Was würdest du raten, wie sollten Gründer auf Investoren zugehen?
„Eine Mail an deals@vc.com funktioniert nach meiner Erfahrung nicht. Am besten ist eine persönliche Empfehlung oder den Investor auf einem Event direkt ansprechen, wenn er zum Beispiel von der Bühne kommt und den perfekten 90-Sekunden-Pitch vorbereitet zu haben. Wichtig ist, dass du dich mit dem jeweiligen Investor vorher befasst hast. Ihr habt einen Fokus auf xyz, mein Startup passt, weil …“
Hat dich bisher eine Idee komplett überzeugt? Hast du du vielleicht auch schon eine Fehlentscheidung getroffen?
„Ich habe viele Fehlentscheidungen getroffen und werde auch weiterhin viele Fehler machen. Ohne Risiko kann man nicht erfolgreich in Startups investieren. Bisher waren meine beiden häufigsten Fehler die Fähigkeiten und den unbedingten Willen der Gründer zu überschätzen und den Bedarf im Markt als zu groß einzuschätzen.“
Du sagst deine Meinung immer sehr direkt. Aber was besprecht ihr hinter den Kulissen?
„Es ist wirklich alles echt und es gibt vorher und nachher keine taktische Besprechung oder Fakes. Jeder Löwe sieht das Startup zum ersten Mal, wir können uns besprechen (aber nur mit laufenden Kameras) und entscheiden in der Höhle ohne Kommunikation mit außen. Sony schneidet natürlich stark zusammen. Aber vom Konzept gibt es keine Abstimmung hinter den Kulissen.“
Was kann das Publikum wohl von der Höhle der Löwen lernen? Und was nimmst du persönlich für dich mit?
„Ich hoffe, dass wir den Pioniergeist in Deutschland fördern und mehr Menschen sich mit Startups und Venture Capital befassen. Mir hat das Experiment TV bisher viel Freude gemacht. Ich würde das Format sehr gerne mit Sony und Vox weiter entwickeln, dies wird letztendlich aber der Zuschauer entscheiden.“