Foto: rawpixel

Alles für das perfekte Foto – warum die Instagram-Welt einfach nur noch absurd ist

Fotos auf Instagram erfüllen schon lange nicht mehr ihren ursprünglichen Zweck des Teilens von authentischen Momenten. Stattdessen sind sie bis ins kleinste Detail durchgeplant. Und das ist einfach nur absurd.

Gewollt ungewollt – Die Instagram-Welt

Wir stehen auf einer Leiter über unserem Essen, um den perfekten Winkel für unser Foto zu erhaschen. Wir verrenken uns für das perfekte Selbstporträt, machen Fotos von unserem Oatmeal und verteilen ganz zufällig (versprochen!) ein paar Haferflocken um die Schüssel herum. Wir fotografieren unsere Füße von oben, um die Kombination unserer teuren Schuhe, braungebrannten Füße und den orientalisch gemusterten Fliesen einzufangen. Wir essen Donuts in Regenbogenfarben und positionieren unsere perfekt lackierten und mit teuren Ringen bestückten Fingern elegant an unserem Matcha Latte. Um, ja was? Um mit dem Foto zu verkünden: Ja, wir haben Geld. Ja, wir ernähren uns gesund. Ja, wir sind abenteuerlustig und fahren gerne an die abgefahrensten Ecken dieser Welt. Leute, ich sage euch eins: Es ist absurd. Weil all das einfach nicht stimmt.

Wenn ich mal nicht schlafen kann oder gelangweilt in der Bahn sitze, scrolle ich gerne in der Fotogalerie auf meinem Handy nach oben und schaue mir die Fotos von früher an – also von 2012, 2012, 2014. In diesen Jahren habe ich Unmengen an Screenshots von Instagram-Fotos gemacht, die ich in irgendeiner Weise als „inspirierend“ empfunden habe. Natürlich war auch bei diesen schon ein Hang zur Selbstdarstellung zu erkennen, der menschliche Faktor war allerdings noch viel präsenter. Nicht jedes Salatblatt war perfekt arrangiert, nicht jeder Finger perfekt lackiert, nicht jedes Bild bis ins kleinste Detail bearbeitet.

Erst Foto, dann Essen

Was ist bloß passiert? Der Drang zur Instagram-Perfektion führt bereits so weit, dass neue Cafés eröffnet werden, mit dem Ziel, so „instagrammable“ wie möglich zu sein. Die Qualität des Essens hat an Bedeutung verloren, viel wichtiger ist die Menge an Fotos, die es von diesem Café auf Instagram schaffen, unterstreicht auch Casey Newton in ihrem Artikel für theverge. In dem Artikel erzählt auch Madelyn Markoe, die selbst ein Café eröffnet hat, dass die meisten Gäste ihre Café mit dem Ziel besuchen, ein Shot für ihren Instagram-Account zu produzieren. Der durchschnittliche Gast verbringt scheinbar zehn Minuten damit, so Markoe, Fotos zu schießen, bevor er überhaupt bestellt. Manche bringen sogar ihre Stative mit.

Noch verrückter wird dieses Foto-fokussierte Verhalten, wenn man folgenden Tweet von rheinbahn_intim liest, in dem sogar das Kind dazu aufgefordert wird, zu warten, bis „die Erwachsenen“ mit ihrer Fotosession abgeschlossen haben und bereit sind für das, warum sie eigentlich im Restaurant sind: Essen.

Ich kann es immer nur wiederholen: Es ist absurd.

Es leider nicht so, als könnte ich mich von diesem ganzen Instagram-Wirrwarr komplett ausklammern. Es ist noch nicht so weit gekommen, dass ich dem Food- oder Selfie-Trend verfallen bin – für Food-Fotos im Café kann ich noch immer nicht über meinen Schatten springen – aber im Urlaub lasse ich mich beispielsweise gerne von Food-Fotos anderer Instagrammer inspirieren und mache davon nicht selten die Entscheidung für das nächste Restaurant abhängig. Und das, ohne zu wissen, wie das Essen schmeckt. Sondern einfach, weil es „instagrammable“ genug war, um fotografiert und gepostet zu werden. Oh ja, auch ich finde mich in dieser Hinsicht absurd, weil ich mich von so einem Quatsch beeinflussen lasse.

Nein, du hast nicht wirklich dort geschlafen

Absurd finden die Instagram-Welt auch die Macher des Accounts „youdidnotsleepthere“, die die Absurdität der Schlafplätze, die auf Instagram gepostet werden, hervorheben und alle Fotos dieser Art auf ihrem Account sammeln. Klar wird: Nein, der- oder diejenige hat nicht wirklich dort geschlafen. Der ganze Aufwand gilt allein dem Foto.


Quelle der Bilder: Instagram | @youdidnotsleeepthere | @mitch_smith_ | @thermarest 

Ganz allein für den perfekten Shot – das ist auch bei Selbstporträts ein großes Thema, wie erst kürzlich die finnische Künstlerin Liu Susiraja in einer Fotoreihe deutlich machte. Die Komposition und verwendeten Gegenstände auf ihren Fotos wirkt wahllos. Liu schaut in die Kamera und hält sich je eine Krawatte um ihre Brüste, versteckt sich hinter einem Gummistiefel oder schläft mit einer Banane auf dem Bauch. Ja, ihre Fotos sind absurd. Aber genau diese Absurdität will die Künstlerin erreichen – und ganz klar zeigen: Eure Fotos, die Fotos der größten Instagrammer, sind keinen Deut besser. Sie sind genauso absurd, genauso zufällig und sinnlos wie ihre. Und dennoch erhalten sie ein Herzchen nach dem anderen.

Was ist bloß passiert? Wie und wann hat es das Wörtchen „instagrammable“ in unseren Wortschatz geschafft? Seit wann ist das eine Instagram-Foto vom Restaurant im Urlaub entscheidender als ein Tipp von Einheimischen? Wo bleibt die Realität auf Instagram? Sagt ihr es mir – habe ich sie verpasst?

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