Foto: Petras Gagilas I Flickr I CC BY-SA 2.0

Männer schieben Familiengründung länger auf

Auch Männer werden immer später Vater, doch das verschweigt das Statistische Bundesamt. Wieso eigentlich?

 

Geburtenstatistik 2013

Frauen schieben Familiengründung länger auf – das war die Schlagzeile, die sich aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes zu Beginn der Woche verbreitete. Diese Entwicklung ist nicht neu, doch vor allem sollte die Kommunikation zu den ausgewerteten Zahlen rund um die Geburtenstatistik neu hinterfragt werden. Wir brauchen ein Update, wie wir über Familienplanung reden – besonders in der Wissenschafts- und in der politischen Kommunikation.

Das Ergebnis, dass Frauen beim ersten Kind im Schnitt immer älter werden, passt zur Social-Freezing-Debatte der letzten Monate, die nur Verlierer übrig lies. Die Unternehmen, die angeblich ihr Mitarbeiterinnen dafür belohnen wollten, Kinderwünsche aufzuschieben, und damit Familie zugunsten von marktwirtschaftlichen Interessen zurückzustellen. Und die Frauen, denen zum einen keine selbstbewussten Entscheidungen hinsichtlich ihrer Wünsche zugestanden und die zum anderen als karrieregeil gelabelt wurden – ein Begriff, der für Männer so nicht existiert.

Die Freude am Beruf, das Aufgehen in der Karriere, ein Lebensmodell, das für Glück keine Kinder benötigt, das ist für Frauen im Jahr 2014 noch immer undenkbar. Mit ihnen muss etwas falsch sein, so die überwiegenden Meinungen, die in Medien im Rahmen der Eizelleneinfrierung geäußert wurden. Kapitalistisch unterdrückte und selbstsüchtige Frauen bekommen keine Kinder mehr, oder immer später – doch das bestätigen die neuen Zahlen nicht einmal. „Lediglich drei Prozent der ersten Geburten entfielen auf Frauen im Alter ab 40 Jahren“, teilt das Statistische Bundesamt mit.

Zu Vätern wird kaum geforscht

Bemerkenswert an der Pressemitteilung ist, dass hier Frauen allein im Fokus stehen. Von 2009 bis 2013 ist das durchschnittliche Alter einer Frau, die das erste mal Mutter wird, von 28,8 auf 29,3 Jahre gestiegen. Eigentlich eine wunderbar ausgewogene Zahl, die zeigt, dass der Wunsch Mutter zu werden, von Frauen in Deutschland über einen sehr langen Zeitraum realisiert werden kann. Über das durchschnittliche Alter der Männer, die das erste Mal Vater werden, erfährt man in der Pressemitteilung nichts. Für Medien, die daraus schnell eine Meldung machen, kommen daher die Schlagzeilen: „Männer schieben Familiengründung länger auf“ oder „Frauen und Männer schieben Familiengründung länger auf“ nicht in Frage. Dabei sind sie ebenso korrekt und der eigentliche Ausgangspunkt für eine gesellschaftliche Debatte.

Auf Anfrage gibt das Statistische Bundesamt auch Zahlen zum Alter der Väter heraus, allerdings weitaus weniger differenziert und auch nur für verheiratete Männer – denn deren Daten lassen sich leicht erfassen, bei nicht ehelich geborenen Kindern wird das schwieriger. Das Durchschnittsalter von Vätern, die mit einer Frau verheiratet sind, lag 2013 bei 35,03 Jahren und verzeichnete ebenfalls einen leichten Anstieg gegenüber 2009. Aus den Zahlen geht jedoch nicht hervor, wie alt ein Erstvater im Schnitt ist. Über den Zeitverlauf hinweg wird lediglich klar, dass in den Ehen, in denen Kinder geboren werden, die Männer schon seit Jahrzehnten in der Regel fünf Jahre älter sind als die Frauen. Männer schieben schon seit jeher die Familiengründung länger auf als Frauen. Eigentlich auch eine schöne Schlagzeile: Frauen entscheiden sich früher für Familiengründung als Männer.

Anders über Familie reden

Pressemitteilungen wie die des Statistischen Bundesamtes prägen, wie wir über Familie reden. Nach wie vor ist es so, dass im öffentlichen Diskurs hier vor allem Frauen die tragende Rolle zugeschrieben wird. Doch um zu verstehen, warum Menschen sich im Schnitt immer später für die Familiengründung entscheiden, reicht es nicht, sich die Lebensentwürfe von Frauen anzuschauen. Die Zahlen des Bundesamtes bilden die Vielfalt von Familien in Deutschland nicht ab.

Festzustellen, dass Menschen im Schnitt älter sind, wenn sie Eltern werden, bringt keinen Erkenntnisgewinn – die Erklärungsansätze dafür sind zahllos. Es wäre jedoch interessant zu wissen, ob Frauen und Männer gern früher Kinder bekommen würden, sich den Wunsch danach aber erst später erfüllen können. Hält sie etwas davon ab, oder haben sie ihre Entscheidung das Kind zu diesem Zeitpunkt zu bekommen, bewusst getroffen? Wollen Männer später Familie, als ihre Partnerinnen?

Fragen, die gestellt werden können, wenn wir das Alter von Menschen betrachten, die das erste Mal Eltern werden, sind:

• Wann schließen sie heute im Schnitt ihre Berufsausbildung ab?

• Wann haben sie das erste Mal ein Einkommen und ein Arbeitsverhältnis, das ihnen die Entscheidung für eine Familie leichter macht?

• Ist die Ehe immer noch mehrheitlich ausschlaggebend für Familiengründung, und wenn ja, warum?

• Wie entwickelt sich der Anteil der Menschen, die reproduktionsmedizinische Hilfe in Anspruch nehmen und sich damit der Geburtstag des ersten Wunschkindes nach hinten hinauszögert?

• Realisieren alleinstehende und lesbische Frauen ihre Kinderwünsche aufgrund gesetzlicher Hürden später, als sie es eigentlich vorhatten?

• Wie und wann erfüllen sich queere Familien ihre Kinderwünsche, zum Beispiel auch mit zwei Vätern?

Und was ist eigentlich los mit den karrieregeilen Männern, die erst mit 35 und später Vater werden?

 

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