Jörg Rheinboldt ist CEO bei Axel Springer Plug and Play.
Was genau ist die Aufgabe eines Accelerators?
„Das zu erklären ist eigentlich ganz einfach und doch etwas kompliziert. Ganz einfach gesprochen geht es bei unserer Arbeit um Beschleunigung. Die Hauptaufgabe von mir und meinem Team besteht darin, gute Frühphasen-Unternehmen zu finden, an denen wir uns beteiligen und denen wir während eines dreimonatigen Aufbauprogramms bei uns im Haus so viele Abkürzungen wie möglich verschaffen, um erfolgreich zu werden. Nach dieser Phase erweitern wir die Zusammenarbeit, je nach Erfolg.“
Wie können Firmen sich für ein solches Aufbau-Programm bei Plug and Play bewerben?
„Als erstes bewerben sich die Teams online bei uns und erklären, warum sie gerne Teil des Programms sein möchten. Anschließend suchen wir dann aus mehreren hundert Bewerbern zwischen 20 und 30 Teams aus, mit denen wir uns persönlich treffen. In einem fünfminütigen Pitch und anschließender Q&A Session haben sie dann die Möglichkeit, uns von ihrer Idee zu überzeugen und wenn sie das schaffen machen wir ihnen ein Angebot.“
Wie sieht so ein Angebot aus?
„Wir laden die Teams ein, an unserem Programm teilzunehmen, 100 Tage lang mit uns im Büro zusammen zu arbeiten und stellen ihnen 25.000 Euro Startkapital zur Verfügung, wofür wir wiederum einen Anteil von fünf Prozent an ihrer Firma haben wollen.“
Jörg im Gespräch mit EDITION F. Quelle: Birgit Kaulfuß
Anschlussfinanzierungen sind ja immer so eine Sache. Wonach entscheidet ihr, ob ihr eine Firma längerfristig unterstützen wollt?
„In den letzten zweieinhalb Jahren haben wir in insgesamt 70 Teams investiert. Mehr als die Hälfte davon haben eine Anschlussfinanzierung bekommen. Bei uns gilt die Regel, dass wir nur weiterhin in ein Startup investieren, wenn jemand anderes mehr investiert, als wir es bereits tun. So bekommen wir die Bestätigung von außen, dass es sich wirklich um eine gute und erfolgsversprechende Idee handelt.“
Verfolgt ihr ein bestimmtes Muster bei der Auswahl eurer Firmen?
„Die Firmen, die wir zu uns einladen, arbeiten alle digital. Bei unserer Auswahl schauen wir daher, dass wir entlang der Wertschöpfungskette eines digitalen Publishers investieren. Dabei geht es vor allem um Content, Werbung und Marktplätze/ Kleinanzeigen. Worauf es uns aber vor allem ankommt, ist eine optimale Kombination aus tollen Leuten und einer super Idee – und das Timing ist auch immer entscheidend.“
Hands-on-Mentalität wird hier groß geschrieben. Quelle: Birgit Kaulfuß
Bevor du als Accelerator zu Plug and Play gekommen bist, hast du selbst einige Firmen gegründet. Wie wichtig ist das für deine Position?
„Meine erste Firma, eine Kölner Onlineagentur, habe ich mit Anfang 20 gegründet. Dort habe ich sehr viel über die Zusammenarbeit mit anderen Leuten gelernt und wie man es vermeidet auch nachts arbeiten zu müssen. Eben all die Dinge, mit denen man sich beschäftigt, wenn man mit seiner Firma ganz am Anfang steht.
Bald darauf habe ich mit Freunden zusammen den Internet-Marktplatz Alando gegründet, den wir wiederum relativ schnell an eBay verkauft haben. Dort war ich fünf Jahre lang Geschäftsführer und habe mit meinen Mitmachern eBay von einer super winzigen zu einer ziemlich großen Reichweite verholfen. Das Wichtigste, was ich während dieser Zeit gelernt habe, war aber wirklich der Umgang mit den Mitarbeitern. Ich konnte dabei sein wie es ist, wenn man erst mit ein paar Leuten, dann mit mehr Leuten und schließlich mit ganz vielen Leuten zusammenarbeitet, wie man sich immer neue Ziele setzt und diese auch erreicht.“
Wie bist du schließlich dazu gekommen, nicht mehr selbst zu gründen, sondern anderen beim Gründen zu helfen?
„Ich habe Kinder gekriegt – also nicht ich, sondern meine Frau. Das war ein entscheidender Wendepunkt für meine Karriere. Für meine Frau und mich stand von Anfang an fest, dass keine Karriere wichtiger ist als die des anderen und dass wir unsere Arbeitszeiten so aufteilen wollen, dass wir beide Zeit mit den Kindern verbringen können.“
In dem Plug and Play-Office hat zuvor ein Berliner Künstler gelebt. Quelle: Birgit Kaulfuß
Und deine heutige Arbeit lässt sich besser mit deinem Familienleben vereinen?
„Ja, mein Arbeitsalltag ist heute deutlich geregelter als vorher. Inzwischen sind unsere Jungs aber auch schon etwas älter und können sich gut selbst beschäftigen. In den Ferien kommen sie sogar gerne mal mit ins Büro.“
Finden die das nicht langweilig?
„Nein, ich glaube sie finden das Treiben hier ganz spannend. Außerdem gibt es hier eine XBox und einen riesigen Flachbildschirm. Deshalb kommen sie auch lieber mit zu mir als zu meiner Frau – dort ist ihnen das Büro zu erwachsen.“
Und was macht die Arbeit bei Axel Springer für dich so reizvoll?
„Trotz der Kinder und meiner neuen beruflichen Ausrichtung als Investor hatte ich irgendwann, vor etwa drei Jahren, so etwas wie ein ‚Boreout‘. Seitdem ich für Axel Springer arbeite, ist dieses Gefühl verschwunden, weil jeder Tag eine neue Herausforderung bietet.“
Ein Boreout? Also das Gegenteil von einem Burnout?
„Ja, mir war einfach ziemlich langweilig. Ich hatte erst beschlossen, mit einem Freund zusammen eine eigene Investmentfirma zu gründen. Das bedeutete letztlich aber, dass wir tagtäglich im Büro saßen und vielleicht zwei oder drei Deals pro Jahr gemacht haben. Den Rest der Zeit habe ich Business Cases erstellt, war bei Veranstaltungen oder habe TED-Konferenzen organisiert. Durch die vielen kleinen Aufgaben habe ich gespürt, dass ich unbedingt wieder nur eine Sache machen wollte. Die dafür aber richtig. Als mich dann ein Freund, der bei Axel Springer arbeitet, ansprach und mir erzählte, dass er Axel Springer Plug&Play aufbaut, habe ich gerne in der ersten Jury mitgearbeitet. Das Team war voller Energie und in kurzer Zeit haben wir viel geschafft. Als die Frage aufkam, ob ich nicht als Geschäftsführer mitmachen wolle, brauchte ich nicht lange nachzudenken. Ich musste kurz darüber nachdenken, ob ich für eine Firma arbeiten wollte, die ich nicht selbst gegründet habe. Schließlich habe ich aber immer mehr Leute bei Axel Springer kennengelernt und fand die Gespräche sehr inspirierend – also bin ich mit eingestiegen.“
Ist denn immer noch etwas von dem alten Startup-Gefühl da, auch wenn du jetzt für eines der größten Unternehmen Deutschlands arbeitest?
„Das Gefühl ist zum Glück immer noch da. Die Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten sind zudem nach wie vor junge Gründer, die alle der Wunsch verbindet, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen und Verantwortung für sich und ihre Ideen zu übernehmen. Und das Axel-Springer-Netzwerk in Kombination mit unseren weiteren Netzwerken ist kaum zu schlagen, wenn es darum geht Startups zu beschleunigen. Die Einstellung, lieber etwas zu machen, als etwas mit sich machen zu lassen, ist bei unserer Arbeit immer deutlich spürbar.“